Verzweifelte Lage Birma wartet auf Hilfe
08.05.2008, 07:10 UhrAuch fünf Tage nach dem Zyklon "Nargis" ist das genaue Ausmaß der Katastrophe in Birma weiter unklar. Es werden Zahlen zwischen 23.000 und 100.000 Toten genannt. Allein im Bezirk von Labutta müsse mit mehr als 80.000 Toten gerechnet werden, sagte ein Armeevertreter. Die Stadt Labutta liegt im Irawadi-Delta, dem Zentrum der Verwüstungen durch den Zyklon. Dutzende der 63 Ortschaften rings um die Stadt seien ausradiert, sagte der Armeevertreter. Die Militärjunta hatte bislang von mehr als 22.000 Toten und rund 41.000 Vermissten gesprochen. Eine US-Diplomatin ging unter Berufung auf den Bericht einer Hilfsorganisation von bis zu 100.000 Toten aus.
Bilder aus dem zerstörten Land
Bis zu einer Million Menschen sind nach UN-Schätzungen obdachlos und warten auf Hilfe. Die Menschen in der verwüsteten Küstenregion im Süden des Landes sitzen ohne Trinkwasser und Nahrung und ohne Schutz vor der Mückeninvasion auf den Trümmerbergen ihrer Häuser und warten, berichtete ein BBC-Reporter. Ihm war es gelungen, ins Land zu reisen und eine Kamera in das Katastrophengebiet zu schmuggeln. Die Militärjunta überlegt unterdessen immer noch, ob sie ausländischen Helfern die Einreise in das abgeschottete Land erlauben soll.
Viel Schutt
Ungeachtet der widrigen Bedingungen kamen zumindest erste Hilfen an. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kommen in weiten Teilen des Landes aber kaum voran. "Auf den Flüssen kann man sich nicht fortbewegen, so viel Schutt ist da drin", berichtete Wolfgang Jamann von Care Deutschland-Luxemburg. Viele Straßen seien kaum passierbar. Zudem sitzen nach Angaben des Malteser Hilfsdienstes zahlreiche Mitarbeiter in Rangun fest.
"Die Menschen verzweifeln, das Militär hat erst ganz langsam und dann nur mit wenigen Mitteln reagiert", sagte Aung So von der Exilregierung. Nach seinen Angaben packen Regierungssoldaten am Flughafen in Rangun Hilfslieferungen aus Thailand und China vor der Auslieferung um, um den Anschein zu erwecken, dass die Rationen von der Regierung selbst kommen. "Die Menschen sind wütend, und der Ärger wächst", sagte er.
Keine Alternative zu Öffnung
"Die zahlreichen Leichen stellen eine große Seuchengefahr dar", erklärt ein Diplomat in Rangun. "Hier ist eine echte Revolution gefordert", fährt er fort. "Nötig wäre eine Öffnung des Landes, die es in dem Ausmaß hier noch nie gegeben hat." Es sei noch nicht klar, ob das Regime zu der Kooperation bereit sei. Es gebe einige positive Anzeichen, aber gleichzeitig würden Visum-Anträge auch seit Tagen verschleppt, so der Diplomat.
In Deutschland hegt Khin Maung Yin, der Vereinsvorsitzende von Burma Projekt e.V., politische Hoffnungen. "Die Katastrophe ist so groß", so der Birmane gegenüber n-tv.de, "dass die Generäle, die sonst nie Mitgefühl mit der Bevölkerung empfinden, vielleicht umdenken." Die Regierung habe die Lage unterschätzt und sei nun auf jede Hilfe von außen angewiesen. Hier sieht er die Chance auf eine Annäherung zwischen oppositionellen Exil-Birmanen und dem Regime. Auch die deutsche Politik könne den Prozess fördern, so Khin Maung Yin: "Die deutsche Seite sollte neben ihrer humanitären Hilfe auch den politischen Dialog zwischen der Opposition und dem burmesischen Militär forcieren." Der Verein "Burma Projekt" arbeitet schon seit Jahren eng mit Hilfsorganisationen in Birma zusammen und sammelt auch jetzt Spenden, um sofort und langfristig humanitäre Hilfe leisten zu können.
Druck auf Junta wächst
International wird die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Militärregierung heftig kritisiert. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an die Militärs, die Hilfe der internationalen Gemeinschaft zügiger anzunehmen. Die Regierung solle auf die "Angebote zur Unterstützung und Solidarität eingehen, die Einreise von Hilfskräften erleichtern und die Hilfslieferungen genehmigen", sagte der UN-Chef. Angesichts massiver Behinderung der Hilfseinsätze durch die Militärregierung in Rangun hatte der französische Außenminister Bernard Kouchner eine Intervention der UN gefordert. Es müsse geprüft werden, ob "die Regierung gezwungen werden" könne, "die unerlässliche Hilfe ins Land zu lassen", sagte Kouchner. Zwar habe die Militärregierung grünes Licht für zwei UN-Maschinen mit Hilfsgütern gegeben. Die französische Marine habe aber auch mehrere Schiffe mit Ausrüstung und Lebensmitteln an Bord vor der Küste des Landes. "Nur verweigert die birmanische Regierung die Autorisierung, um den Menschen zu helfen", kritisierte Kouchner. Der Sicherheitsrat lehnte den Vorschlag jedoch ab.
Die USA appellierten ebenfalls an die Junta in Birma, angesichts zehntausender Opfer des Zyklons ausländische Helferteams ins Katastrophengebiet zu lassen. "Es sollte eine einfache Sache sein", sagte Außenministerin Condoleezza Rice in Washington. "Es handelt sich nicht um Politik, sondern um eine humanitäre Krise." Die Regierung Birmas sollte daran interessiert sein, dass ihr Volk alle verfügbare Hilfe von außen bekomme - ungeachtet der politischen Haltung der Geberländer.
Außenamtssprecher Sean McCormack teilte mit, Washington sei an die traditionellen Freunde Birmas - China, Indien, Indonesien, Japan, Malaysia und Thailand - herangetreten, um sich bei der Militärregierung zur Annahme von Auslandshilfe auch von Staaten anzunehmen, die der Militärregierung kritisch gegenüberstehen.
Quelle: ntv.de