Panorama

"Schritt bestätigt ihre Gradlinigkeit" Bischöfin Jepsen tritt zurück

Maria Jepsen

Maria Jepsen

(Foto: REUTERS)

Die Hamburger Bischöfin Jepsen tritt zurück. "Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt", begründet sie den Schritt. Sie war im Zusammenhang mit einer Missbrauchsaffäre unter Druck geraten. Kirchenvertreter äußern Bedauern und würdigen ihr Engagement für Obdachlose, Aidskranke und Migranten.

Die Bischöfin der Nordelbischen Kirche, Maria Jepsen, zieht aus einer Missbrauchsaffäre in ihrer Kirche die Konsequenzen und gibt auf. Sie erklärte in Hamburg ihren Rücktritt. Nach Margot Käßmann verliert die evangelische Kirche in Deutschland damit innerhalb kurzer Zeit die zweite Frau in führender Position.

"Meine Glaubwürdigkeit wird angezweifelt. Von daher sehe ich mich nicht in der Lage, die frohe Botschaft so weiterzusagen, wie ich es bei meiner Ordination und bei meiner Bischofseinführung vor Gott und der Gemeinde versprochen habe", sagte Jepsen. Die 65-Jährige wirkte äußerlich gefasst, aber verbittert. Fragen der Journalisten waren nach ihrer kurzen Erklärung nicht gestattet.

Erste evangelisch-lutherische Bischöfin der Welt

"Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg" ­ an diesem Psalmvers, meinem Konfirmationsspruch, orientiere ich mich, trotz der Äußerungen in den Medien, die mir Schlimmes unterstellen", sagte die Bischöfin in ihrer Rücktrittserklärung. Jepsen war im April 1992 zur Bischöfin von Hamburg und damit zur ersten evangelisch-lutherischen Bischöfin der Welt gewählt worden.

Jepsen 2009 in der Centrum-Moschee in Hamburg. Die Bischöfin trat für die Verständigung der Religionen ein.

Jepsen 2009 in der Centrum-Moschee in Hamburg. Die Bischöfin trat für die Verständigung der Religionen ein.

(Foto: dpa)

In den vergangenen Tagen war sie im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen Pastor in Ahrensburg bei Hamburg immer stärker in die Kritik geraten. Der Pastor soll vor allem in den 80er Jahren heranwachsende Jungen und Mädchen missbraucht haben. Die Bischöfin will von den Vorwürfen erst im Frühjahr 2010 erfahren haben; nach Medienberichten hatte sie jedoch bereits 1999 einen Hinweis darauf erhalten.

Es ist bereits der dritte Bischofs-Rücktritt innerhalb weniger Monate in Deutschland. Am 8. Mai hatte Papst Benedikt XVI. den Rücktritt des katholischen Augsburger Bischofs Walter Mixa angenommen. Die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche und Bischöfin von Hannover, Margot Käßmann, trat am 24. Februar zurück. Sie hatte angetrunken ein Auto gesteuert und war von der Polizei erwischt worden.

Aufklärung der Missbrauchsfälle gefordert

"Vertrauensvolle Zusammenarbeit ist mir immer von großer Bedeutung gewesen. Ohne Ehrlichkeit und Offenheit hätte ich meinen Dienst nicht tun können und wollen. Ich habe mich verstanden als eine leitende Geistliche, der für die eigene Nordelbische Kirche und für die Ökumene Verantwortung übertragen wurde", sagte Jepsen. "Ich erwarte, dass die Missbrauchsfälle in Ahrensburg und anderswo zügig aufgeklärt werden und die Wahrheit ans Licht kommt."

Als Nachfolger Jepsens übernimmt nach Angaben eines Sprechers der nordelbischen Kirche zunächst deren Stellvertreter Jürgen Bollmann die Amtsgeschäfte. Ob er den Posten bis zur Wahl eines regulären Nachfolgers durch eine Synode ausüben werde, sei derzeit aber noch unklar. Über das weitere Vorgehen sei angesichts der kurzfristigen Entscheidung Jepsens zum Rücktritt noch nicht entschieden.

Die Pressekonferenz stieß auf ein großes Medieninteresse.

Die Pressekonferenz stieß auf ein großes Medieninteresse.

(Foto: APN)

Nach Jepsens früherer Darstellung in Medien war sie nur über eine Affäre des Pastors mit einer Frau informiert worden. "Das Wort Missbrauch ist nie gefallen, da wäre ich unruhig geworden", sagte sie in einem Interview. Das "Hamburger Abendblatt" veröffentlichte dagegen die eidesstattliche Versicherung einer Zeugin, die Jepsen bei einer flüchtigen Begegnung während eines Kongresses 1999 in Lübeck über die Vorfälle informiert haben will. Der Pastor wurde 1999 versetzt, 2001 ging er in den Ruhestand.

"Eine besondere Tragik"

Mit großem Bedauern und Respekt hat die Nordelbische Kirche auf den Rücktritt von Bischöfin Maria Jepsen reagiert. Es sei "eine besondere Tragik, dass Bischöfin Jepsen mit ihrem Rücktritt Verantwortung für etwas übernimmt, das ihr in keiner Weise als persönliche Schuld angelastet werden kann und darf", teilte der Vorsitzende der Kirchenleitung, Bischof Gerhard Ulrich, mit. Jepsen habe "im Rahmen ihrer Verantwortung getan, was zu tun nötig war ­ gerade auch in der Frage des Umgangs mit sexuellem Missbrauch".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, bedauerte den Rücktritt. "Frau Jepsen hatte immer eine Sensibilität dafür, dass die Opfer im Vordergrund stehen müssen", sagte Schneider. Er hob Jepsens "nimmermüdes Engagement" für die weltweite Mission und Ökumene sowie das Thema "Kirche und Israel" hervor. Zudem lobte er Jepsens Engagement für Homosexuelle.

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke bedauerte den Rücktritt der Bischöfin: "Dieser Schritt bestätigt ihre Gradlinigkeit und Aufrichtigkeit. Sie hat die allgemeine Verantwortung dafür übernommen, dass die Kirche in dem bekannten Missbrauchsfall nachlässig gewesen ist." Es mache ihr Ehre, ihr Amt zur Verfügung zu stellen, aber sie werde sehr fehlen, teilte der katholische Geistliche mit.

"Ich bin vollkommen von der Rolle"

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Ilse Junckermann respektiert den Rücktritt. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass sie Täter bewusst gedeckt hat, gerade wegen ihres Einsatzes für die Schwachen, ich erinnere an ihre großes Engagement für Obdachlose, Aidskranke und Migranten", sagte Junckermann in Magdeburg. Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis zeigte sich schockiert: "Ich bin vollkommen von der Rolle." "Ich kenne Frau Jepsen sehr gut. Ich weiß, dass sie eine wirklich integere Frau ist, dass sie gekämpft hat für bestimmte Sachen, insbesondere für die Rechte der Frauen in der Kirche und außerhalb der Kirche", so Simonis.

Erst seit März 2010 untersucht ein Kirchengericht die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Pastor. Der Fall wurde der Staatsanwaltschaft übergeben. Strafrechtlich sind die Vorgänge nach Auskunft der Staatsanwaltschaft verjährt.

Im April 2002 hatten die Kirchenparlamentarier Jepsen für eine weitere, zehnjährige Amtszeit als Bischöfin bestimmt. Sie machte die Diakonie, die Ökumene und die interreligiösen Begegnungen zu ihren vorrangigen Themen und blieb eine Vorkämpferin für die Gleichstellung der Frau in der Kirche.

Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP

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