Der Tag nach dem Brand "Denkt an die, die ihr retten konntet"
27.11.2012, 12:59 Uhr
Zwei der drei Stockwerke in der Behindertenwerkstatt brannten aus.
(Foto: REUTERS)
Nach der Brandkatastrophe in einer Behindertenwerkstatt im Schwarzwald versuchen Überlebende und Rettungskräfte, das Erlebte zu verarbeiten. Eine Herausforderung ist dabei die Betreuung der geistig behinderten Augenzeugen.
Am Tag nach dem katastrophalen Brand in einer Behindertenwerkstatt beginnt für die Rettungskräfte die Aufarbeitung des Erlebten. Viele Menschen konnten sie retten, doch 14 erstickten in der Brandwolke. Was sie nun fühlen, kann wahrscheinli ch nur nachvollziehen, wer selbst mit Leben und Tod zu tun hat. Im Internetforum der Feuerwehr von Titisee-Neustadt laufen mitfühlende Nachrichten aus ganz Deutschland ein: "Liebe Kameraden, ohne euch hätte es sicherlich viel mehr Opfer gegeben", versucht ein Nutzer zu trösten. "Ihr alle habt euer Möglichstes getan", postet ein anderer. Eine Feuerwehrfrau schreibt: "Denkt an die Menschen, die ihr retten konntet, wenn ihr euch mit dem Gedanken quält, warum es so viele Todesopfer gibt."
Für jene, die vor Ort waren, sind solche Ratschläge vermutlich schwer umzusetzen. Ein Polizeisprecher bilanziert: "Ich bin jetzt zehn Jahre in dieser Funktion, einen Schrecken von diesem Ausmaß habe ich noch nicht erlebt." Dem "Südkurier" berichtet ein Augenzeuge: "Ich höre den Alarmmelder und denke mir nicht viel dabei." Und weiter: "Dann sehe ich ein kleines bisschen weißen Rauch, jemand ruft. Doch praktisch im nächsten Moment quillt unglaublich dichter Qualm heraus, Menschen rennen und schreien. Einige der Behinderten, die es heraus schaffen, stehen um mich herum und sind außer sich, weil sie noch Freunde drin haben und nicht helfen können."
Keine Hinweise auf Brandschutzmängel
Das Feuer war am Montagmittag ausgebrochen. Nach der Brandursache wird derzeit intensiv geforscht. Bisher gibt es unterschiedliche Hinweise, die alle hochspekulativ sind: Einsatzkräfte sprechen von einem in Flammen aufgegangenen Adventskranz. Anderen Quellen zufolge könnte das Feuer von einer Gasheizung kommen. Bei einer Pressekonferenz der Polizei am Nachmittag könnte es mehr Klarheit geben. Augenzeugen berichten von Explosionen, die es in einem Nebenraum gegeben habe. In der Werkstatt mit Holz und Lacken gearbeitet wurde. Für den Abend war ein Weihnachtsmarkt geplant, auf dem Produkte aus der Werkstatt verkauft werden sollten.
Hinweise auf Brandschutzmängel gibt es bislang nicht, das Gebäude ist erst sechs Jahre alt. Der Brandschutz werde gerade bei Behinderteneinrichtungen besonders penibel geprüft, sagte die Landrätin der "Badischen Zeitung". Der Caritasverband berichtet, dass es Brandschutzabschnitte, Brandschutztüren und eine Brandmeldeanlage gebe.
Opfer sind identifiziert
Die Opfer des Feuers sind inzwischen identifiziert. Unter den dreizehn verstorbenen Mitarbeitern sind zehn Frauen im Alter von 28 bis 68 Jahren und drei Männer im Alter von 45 bis 68 Jahren. Außerdem kam eine 50-jährige Betreuerin ums Leben. Neun Menschen sind schwer verletzt, aber außer Lebensgefahr.
Das Feuer zerstörte zwei der drei Stockwerke des Gebäudes. Dieses soll laut Caritas, die die Behindertenwerkstatt betreibt, nach einer Renovierung wieder genutzt werden. Die 120 Mitarbeiter kommen bis dahin in anderen Einrichtungen unter. Einige von ihnen wohnen zu Hause bei ihren Familien, andere in Wohnheimen der Caritas. Sie werden nun psychologisch betreut. Allerdings sind viele Seelsorger kaum auf die Trauerbegleitung geistig behinderter Menschen vorbereitet.
Die Gemeinde Titisee-Neustadt und die Ortskirchen planen eine gemeinsame Trauerfeier für Samstag. Dies sei der Wunsch von Hinterbliebenen und Rettungskräften, berichtet der Bürgermeister.
Quelle: ntv.de