Hochwasser-Spitze erreicht Brandenburg Deutschland braucht Sandsäcke aus dem Ausland
11.06.2013, 17:09 Uhr
Bei Fischbeck brach ein Deich. Das Dorf wurde daraufhin überflutet.
(Foto: dpa)
Die Wassermassen fließen weiter durch den Norden und Osten Deutschlands. Sandsäcke sind hierzulande nicht mehr zu bekommen. Sie müssen aus den Nachbarstaaten angefordert werden.
Das Hochwasser wälzt sich mit aller Macht durch Ost- und Norddeutschland. Vor allem in Schleswig-Holstein blicken die Menschen gebannt auf die Elbe, bei Lauenburg stagnierte der Pegelstand am Nachmittag bei 9,60 Meter. Die Spitze des Hochwassers hat Sachsen-Anhalt verlassen, trotzdem blieb die Lage in Teilen des Landes dramatisch. Bedrohlich waren die Wassermassen auch nach wie vor in Brandenburg.
Nach dem Deichbruch an der Elbe bei Fischbeck stehen im Norden Sachsen-Anhalts viele Quadratkilometer an Fläche unter Wasser. Die Bundeswehr warf mit mehreren Hubschraubern große Sandsäcke in die Fluten. Damit wurde ein weiteres Aufreißen des Deiches verhindert und die Fließgeschwindigkeit etwas abgemildert. Nach Angaben des Krisenstabes der Landesregierung ist der Deichbruch im Landkreis Stendal damit unter Kontrolle. Trotz langsam sinkenden Wasserstandes der Elbe sei die Lage weiter dramatisch, sagte Landrat Carsten Wulfänger. "Wir sind noch lange nicht durch." Schwierig blieb die Situation auch an der Mündung der Saale in die Elbe.
Die Sperrung einer Elbbrücke wegen Hochwassers in Sachsen-Anhalt verursachte weiter Verspätungen im Fernverkehr der Bahn. Betroffen sind die ICE-Verbindungen Berlin-Köln und Berlin-Frankfurt am Main.
Der Pegelstand der Elbe in Lauenburg in Schleswig-Holstein stagnierte bei 9,60 Metern, das langjährige Mittel liegt bei etwa 5 Metern. "Wir hoffen, dass es jetzt das Ende ist", sagte Feuerwehrsprecher Thomas Grimm. Ob der Hochwasser-Scheitel aber wirklich erreicht sei, bleibe abzuwarten. Ursprünglich war das für Mittwoch oder Donnerstag vorhergesagt worden.
Pegel in Bayern steigen wieder
Die Spitze des Elbe-Hochwassers erreichte inzwischen die Prignitz im Norden Brandenburgs. "Das Plateau geht jetzt langsam durch", sagte eine Sprecherin des Krisenstabes. Der Wasserstand zeigte sich zunächst bei einer Höhe um 7,75 Meter in Wittenberge relativ stabil. Der Mittelwert liegt bei 2,77 Meter. "Die Situation ist dennoch nicht zu unterschätzen, weil das Wasser sehr lange bei uns stehen wird." Der Landkreis rechnet mit einer Dauer von bis zu zehn Tagen. Experten hatten befürchtet, dass die Elbe einen historischen Höchststand von mehr als acht Metern erreicht.
Das Elbe-Hochwasser erreichte in Niedersachsen seinen Höhepunkt weitgehend. "Auch wenn wir davon ausgehen, dass an den meisten Pegeln in Niedersachsen der Höchststand erreicht ist, gibt es trotzdem noch keinen Grund zur Entwarnung", sagte Sprecher Achim Stolz vom Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. "Das Wasser wird noch mehrere Tage auf sehr hohem Niveau an den Deichen stehen und einen entsprechenden Druck ausüben."
Die Elbe erreichte in Mecklenburg-Vorpommern ihren Höchststand. Seit dem Morgen stagnierte der Wasserstand in Dömitz bei 7,20 Meter, am Mittwoch soll er dann auf 6,95 Meter sinken. Im etwas weiter flussabwärts gelegenen Boizenburg stieg die Flut dem Internetportal pegelonline zufolge am Vormittag noch leicht auf 7,30 Meter - normal sind an beiden Stellen etwa zwei Meter. Auch dort werden sinkende Pegelstände erwartet.
In manchen Gebieten Bayerns führten unwetterartige Regenfälle zu einer neuen Hochwasserwelle auf der Donau. In den von der Flut der vergangenen Woche besonderes betroffenen Gebieten Niederbayerns wurde wieder die Hochwassermeldestufe zwei erreicht, es gibt vier Warnstufen. Die Helfer im Katastrophengebiet rund um Deggendorf müssen voraussichtlich noch mehrere Wochen lang Gebäude auspumpen, ausgelaufenes Öl binden und Straßen vom Schlamm reinigen.
Hilfe aus dem Ausland
Die Material-Versorgung der Einsatzkräfte in den deutschen Hochwassergebieten an der Elbe erfolgt mittlerweile aus ganz Europa. "Die Sandsäcke kommen inzwischen aus Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Frankreich", teilte der Katastrophenschutzstab des niedersächsischen Landkreises Lüneburg mit. Eine Beschaffung in Deutschland sei unmöglich geworden.
Nach Angaben des Krisenzentrums des Bundesinnenministeriums forderten die deutschen Behörden in den vergangenen Tagen bereits mehr als 1,6 Millionen Sandsäcke aus den Nachbarstaaten an. Davon stammten 804.000 aus Dänemark, 500.000 aus den Niederlanden, 200. 000 aus Belgien und 150.000 weitere aus Luxemburg, wie ein Sprecher des Ministeriums sagte.
Der Großteil des Materials war für den Landkreis Lüneburg bestimmt, wo tausende Helfer die Deiche entlang der Elbe verstärkten. Mehr als eine Million Sandsäcke aus Dänemark und Belgien wurden dort im Laufe des Tages erwartet, wie der örtliche Krisenstab mitteilte. Die Niederlande schickten demnach weitere 10.000 Säcke sowie zwei automatische Füllmaschinen.
Die Flut an Elbe und anderen Flüssen hält seit Tagen mehr als 100.000 professionelle Helfer aus dem gesamten Bundesgebiet in Atem. Für die Feuerwehren ist es nach Angaben ihres Verbands mit derzeit rund 80.000 Kräften der größte Einsatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Hinzu kommen unter anderem aktuell rund 19.000 Soldaten sowie Tausende Helfer des THW und anderer Organisationen. Die Bundespolizei hilft mit 8000 Beamten.
Ausländische Soldaten beteiligen sich ebenfalls. Nach Bundeswehr-Angaben sind französische und niederländische Truppen schon seit Tagen im Einsatz. Niederländische Pioniere und Experten für Deichbau helfen unter anderem mit Spezialfahrzeugen wie Baggern und Kränen. Großbritannien habe seine Hilfe angeboten, teilte das für den Fluteinsatz zuständige Kommando der Bundeswehr in Berlin mit. Die in Niedersachsen stationierte 1. Armoured Division halte 500 Soldaten bereit.
Schaden könnte bei 12 Millionen Euro liegen
Nach Einschätzung der Ratingagentur Fitch dürfte die Flutkatastrophe einen volkswirtschaftlichen Schaden von insgesamt etwa 12 Milliarden Euro verursacht haben. In der Politik begann eine Debatte über die Finanzierung der Milliardenschäden und den Ausbau des Hochwasserschutzes.
Wirtschaftsminister Philipp Rösler sagte im Inforadio des RBB, er wolle die Opfer mit Pauschalzahlungen aus einem Fluthilfefonds unterstützen. Umweltminister Peter Altmaier sagte in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse", dass der Hochwasserschutz überprüft werden müsse, es bestehe erheblicher Nachholbedarf. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich forderte in der "Superillu" ein konsequentes und zügiges Umsetzen von Schutzmaßnahmen.
Die Fluthilfe ist auch bei dem Treffen der 16 Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel an diesem Donnerstag Thema. Bundespräsident Joachim Gauck hatte die Menschen zuvor zu Spenden aufgerufen. Am Mittwoch wollen zudem die Justizminister von Bund und Ländern bei ihrer Frühjahrstagung über den Versicherungsschutz in hochwassergefährdeten Gebieten sprechen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP