Fünf Jahre nach Pariser Abkommen EU-Klimaziel reicht Fridays for Future nicht
11.12.2020, 22:17 Uhr
Protest mit Kerzenlichtern für mehr Klimaschutz vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)
Fünf Jahre nach dem Klimaschutzabkommen von Paris einigt sich die EU auf ein stärkeres Klimaziel. Trotzdem protestieren Klimaaktivisten von Fridays For Future erneut in vielen deutschen Städten. Der Beschluss zeige zwar, dass der Protest wirkt, sei aber nicht mehr als "Schönrechnerei", beklagen sie.
Einen Tag vor dem fünften Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens haben Aktivisten in Berlin gegen die Klimapolitik der Bundesregierung und der EU protestiert. Vor dem Brandenburger Tor formten Teilnehmer der Bewegung Fridays for Future am Abend mit Kerzen den Slogan "Fight for 1Point5" ("Kämpft für 1,5 Grad"). Damit war das in Paris ausgerufene Ziel gemeint, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Auch in Hamburg und anderen deutschen Städten gab es Aktionen.
Fridays for Future prangert an, dass die Klimapolitik der meisten Regierungen nicht im Einklang mit diesem Ziel steht. Gemeinsam mit der Gruppe "Ende Gelände" demonstrierte die Bewegung auch vor dem Büro des Gas- und Ölproduzenten Wintershall Dea in Berlin. Damit wollten die Aktivisten unter anderem "die Klimaschädlichkeit von Erdgas" anprangern, wie es in einer Mitteilung von "Ende Gelände" hieß. Wintershall Dea ist nach eigenen Angaben Europas führendes unabhängiges Gas- und Ölunternehmen.
Auf dem Hamburger Rathausmarkt wurde eine "Galerie des Scheiterns" mit einem großen, blauen Erdball aufgestellt, in Hannover eine Straße vor dem Umweltministerium blockiert. In Köln hielten Demonstranten ein riesiges Banner von der Deutzer Brücke. "1,2 Grad Erderwärmung sind schon jetzt eine Zumutung", stand darauf.
Am Morgen hatte sich die EU bei einem Gipfel in Brüssel auf ein stärkeres Klimaziel verständigt. Dem Beschluss zufolge soll der Treibhausgas-Ausstoß innerhalb der Europäischen Union bis dahin im Vergleich zum Jahr 1990 um 55 Prozent verringert werden. Bisher lag das Ziel bei minus 40 Prozent. Das nun beschlossene Ziel sei "lange für utopisch gehalten" worden, sagte Neubauer. Für sie ist der Beschluss auch ein Beleg dafür, dass die Proteste Wirkung zeigen. "Für uns auf der Straße zeigt sich heute einmal mehr: Es kommt auf uns an, auf die Menschen", sagte die Aktivistin. An diesen liege es nun, für eine Begrenzung des Klimawandels auf 1,5 Grad zu kämpfen.
Deutschland hänge zudem hinterher: Ein Kohleausstieg bis 2030 sei "die logische Konsequenz", sagte Neubauer. Bislang soll das letzte deutsche Kohlekraftwerk spätestens 2038 vom Netz gehen. Menschen in aller Welt protestierten sowohl online als auch je nach Corona-Lage teils auf den Straßen - Fridays for Future hatte zu den Aktionen aufgerufen. Laut der Klimabewegung waren knapp 2500 Aktionen rund um die Erde geplant gewesen.
"Die EU mogelt"
Auch am Samstag wird der Klimaschutz am Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens Thema eines UN-Gipfels sein: Morgen sollen bei einem eintägigen, virtuellen Treffen viele Staaten ihre Fortschritte und Pläne im Klimaschutz darstellen.
Fridays for Future Deutschland beklagt, dass fünf Jahre nach der Einigung in Paris klar sei, dass es ein langer Weg sei, bis auf Worten Taten folgten. Ähnlich sieht das auch die führende Aktivistin Greta Thunberg: "Morgen sind es fünf Jahre seit dem Pariser Abkommen. Fünf Jahre der Untätigkeit und des Schaffens von Schlupflöchern. Wir können so nicht weitermachen", schrieb die junge Schwedin auf Twitter. Es sei Zeit, weg von fernen Zielen der Klimaneutralität und hin zu verbindlichen, jährlichen CO2-Budgets zu kommen.
Das 55-Prozent-Ziel der EU hatten Thunberg und Neubauer schon Anfang Oktober als unzureichend bezeichnet und der EU dabei Schönrechnerei vorgeworfen. Da dieser Wert auf dem Vergleichsjahr 1990 basiere, würden dabei die CO2-Rückgänge der vergangenen 30 Jahre miteingerechnet, hatten die beiden gemeinsam mit ihren belgischen Mitstreiterinnen Anuna de Wever und Adélaïde Charlier auf der Online-Plattform "Medium" geschrieben. Damit sei das Ziel gemessen an den Werten von 2018 in Wirklichkeit eher ein 42-Prozent-Ziel. "Die EU mogelt mit den Zahlen - und klaut unsere Zukunft", schrieben sie.
Quelle: ntv.de, joh/dpa