Was Europäer schniefen"Ecstasy" kommt zurück

Das zuletzt rückläufige und bislang auf die Technoszene beschränkte MDMA, auch als Ecstasy bekannt, ist keine Nischendroge mehr, sondern wird in gewöhnlichen Bars konsumiert. Außerdem gibt es immer mehr Tote durch Überdosierungen.
Kokain, Hasch, Heroin: Der Drogenmarkt in Europa ist nach wie vor stark und bleibt ein Milliardengeschäft. Was immer Polizei und Justiz unternehmen: Suchtgifte sind eine Problematik, in welcher der Bedarf von Konsumenten und vor allem der Suchtkranken den Markt bestimmt und unterhält. Wieder auf dem Vormarsch unter den Stimulanzien ist vor allem Ecstasy. Zu diesem Ergebnis kommt der jährlich vorgestellte Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA).
Nach Jahren der Rückläufigkeit erfreut sich Ecstasy in jüngster Vergangenheit nun wieder größerer Beliebtheit, schreiben die Autoren. Von den 15- bis 34-Jährigen sollen im vergangenen Jahr 2,1 Millionen Menschen EU-weit Ecstasy genommen haben. Das Rauschmittel sei daher keine Nischendroge der Technoszene mehr, sondern werde von einer breiteren Gruppe von Menschen in gewöhnlichen Bars und auf Partys konsumiert, heißt es im Bericht.
Die Verfügbarkeit von MDMA-Produkten mit hohem Wirkstoffgehalt löste 2014 gemeinsame Gesundheitswarnungen durch EMCDDA und Europol aus. Pulver, Kristalle und Tabletten mit hohen MDMA-Dosen werden nun häufiger angeboten, wobei Tabletten bisweilen durch raffiniertes und gezieltes Marketing vertrieben werden. Es muss davon ausgegangen werden, so die Autoren, dass dies eine bewusste Strategie der Hersteller sei, um den Ruf von MDMA zu verbessern, nachdem der Konsum dieser Droge infolge schlechter Qualität und Fälschungen zurückgegangen war.
Abwasseruntersuchungen in vielen großen Städten untermauern den Vormarsch von Ecstasy. Der Anteil von MDMA liegt weit höher als noch im Jahr 2011. Das kann zum einen auf einen höheren Reinheitsgrad der Droge zurückzuführen sein, zum anderen auf eine stärkere Verfügbarkeit und mehr Konsum.
Eine neue Generation von Konsumenten
EMCDDA-Direktor Alexis Gooseel warnte deshalb davor, dass eine neue Generation von Konsumenten "die womöglich hoch dosierten Produkte konsumiert, ohne die damit verbundenen Risiken hinreichend zu kennen": "Dies ist außerordentlich besorgniserregend, da MDMA in etabliertere soziale Milieus vordringt und zunehmend über Onlinemärkte angeboten wird."
Als Ursachen für den neuerlichen Anstieg von MDMA sieht der Drogenbericht neue Wege bei der Beschaffung von Drogenausgangsstoffen, neue Herstellungsverfahren und das zunehmende Onlineangebot. Dieses habe "unverkennbar beträchtliches Wachstumspotenzial", schreiben die Autoren in dem Drogenbericht 2016.
Cannabis am häufigsten konsumiert
Einen Aufwärtstrend gibt es offenbar auch beim Konsum von Cannabis. Allein in den vergangenen zwölf Monaten rauchten 16,6 Millionen junge Europäer (15 bis 34 Jahre) Cannabis - viele täglich. 2,4 Millionen junge Erwachsene nahmen in dieser Zeit zumindest einmal Kokain.
Die wirtschaftliche Komponente ist enorm. Schätzungen zufolge lag der Endkundenmarkt für illegale Drogen in der EU 2013 bei 24,3 Milliarden Euro. Den größten Anteil hatte Cannabis, gefolgt von Heroin, Kokain und MDMA.
Das heutige Cannabis ist mit dem früheren nicht mehr vergleichbar. Es habe zwischen 2006 und 2014 einen "starken Anstieg des Wirkstoffgehalts (Tetrahydrocannabinol, THC) (...) gegeben", so der Bericht. Intensive Produktionstechniken in Europa und die Einführung von Pflanzen mit hohem Wirkstoffgehalt in Marokko hätten dazu beigetragen. Das ehemals fast exklusive Produktionsland Marokko hatte 2003 noch mehr als viermal so viel produziert wie 2011 (760 Tonnen). Mittlerweile werden dort Hybrid-Hanfpflanzen kultiviert, die eine drei bis fünf Mal höhere THC-Konzentration aufweisen als traditionelle Sorten.
Beim Kokaintransport gilt das Augenmerk der Behörden zunehmend dem Containertransport auf Schiffen, mit dem sich große Mengen des Suchtgifts völlig unauffällig auf den diversesten Routen nach Europa bringen lassen.
Süchtige werden Versuchskaninchen
Außerdem warnen die Drogenexperten vor neuen psychoaktiven Substanzen. Derzeit werden 560 neue Stoffe beobachtet. Allein im vergangenen Jahr kamen 98 dazu - darunter synthetische Cannabinoide und Cathinone.
Einige von ihnen stellten sich als hochgiftig heraus, warnt der Drogenbericht und listet zahlreiche Todesfälle und Vergiftungen auf, die damit in Zusammenhang stehen könnten: "Junge Konsumenten fungieren womöglich unwissentlich als menschliche Versuchskaninchen für Substanzen, deren potenzielle Gesundheitsrisiken weitgehend unbekannt sind."
Mehr Todesfälle durch Überdosis
Schätzungsweise starben in der EU 2014 mindestens 6800 Menschen aufgrund einer Überdosis - meist in Zusammenhang mit Heroin. Vor allem Mischkonsum von Opiaten mit verschiedenen anderen Substanzen wie Tranquilizer und Alkohol ist hochgefährlich, weil bei Überdosierungen die Gefahr einer Atemlähmung dadurch dramatisch zunimmt. Einige Länder, die seit Langem mit opioidbedingten Problemen zu kämpfen haben (Irland, Litauen, Schweden und Großbritannien), berichten von einer beunruhigenden Zunahme solcher Todesfälle.
Als mögliche Gründe für die Zunahme tödlicher Überdosierungen werden der steigende Reinheitsgrad, ein höheres Alter der Konsumenten und veränderte Drogenkonsummuster genannt. Bei den Sterbefällen spielen Überdosierungen nach wie vor die größte Rolle. Weitere Ursachen sind dem Bericht zufolge Infektionen, Unfälle, Gewalt und Suizid. Die beste Möglichkeit, diesen Tragödien zu begegnen, sind die medizinische Behandlung der Opiatabhängigen per Substitutionstherapie und begleitende Maßnahmen.
Auch Deutschland ist von der erneuten Zunahme des Drogenkonsums betroffen. Allerdings liegen die deutschen Daten für die am meisten von Drogenkonsum betroffene Altersgruppe zwischen 15 und 34 Jahren meist unter dem EU-Durchschnitt. Ausnahme sind die Amphetamine. Dort weist Deutschland die fünfthöchste Konsumquote auf. Dem EU-Durchschnitt von einem Prozent der 15 bis 34-Jährigen, die 2015 Amphetamine konsumiert haben, stehen in Deutschland 1,8 Prozent gegenüber.