Hochwasser-Scheitel zieht durch Sachsen Elbe-Prognosen sind Schall und Rauch
06.06.2013, 07:30 UhrWährend in den bayerischen Hochwassergebieten allmählich die Pegel fallen, steigen sie in Sachsen und Sachsen-Anhalt dramatisch an. Dresden erwartet in wenigen Stunden den Scheitel der Elbwelle, der derzeit durch die kleinen Touristenstädte der Sächsischen Schweiz zieht und ein grausames Bild der Zerstörung hinterlässt. Tausende Familien und Unternehmer stürzen dort ins Bodenlose. Viele von ihnen sind nicht versichert, weil sie das Geld für die teuren Policen nicht aufbringen können.
Ganz Deutschland erwartet heute einen strahlend blauen Sommertag. Doch in einigen Teilen des Landes wird sich daran niemand erfreuen können. Auch wenn es nicht mehr regnet, steigt vielerorts das Wasser weiter und den Menschen steht dort das Schlimmste noch bevor. Betroffen sind vor allem die Gebiete an Elbe, Donau und Saale. Tausende verlieren dort ihr Hab und Gut. Nur mit dem Wichtigsten versehen sind die Menschen auf die Solidarität anderer angewiesen, um weiterleben zu können.
In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bayern drohen Überflutungen, auch wenn das Wasser der Flüsse teilweise schon wieder sinkt. Grund dafür sind die durchweichten Deiche, die jeden Moment brechen können. In einigen Kommunen werden die Deiche aufgegeben und die Orte evakuiert.
Auch in Sachsen bleibt die Lage in den Elbkommunen extrem kritisch. Ebenso in Niedersachsen, wo sich die Bewohner bereits in elbferne Regionen zurückziehen: Zum Wochenende wird dort mit einem noch nie dagewesenen Hochwasser gerechnet. Weil die Pegelstände der Elbe aber nicht genau vorhergesagt werden können, ist die Lage oft nur schwer berechenbar.
Deichbruch droht in Niederbayern
Bei Osterhofen im niederbayerischen Landkreis Deggendorf droht ein Deichbruch. Die Polizei hatte das Bauwerk bereits aufgegeben und als geborsten gemeldet. Dort müssen die Bewohner jetzt eiligst in Sicherheit gebracht werden. Auch in Straubing und Deggendorf drohen Deiche zu brechen. "Es ist alles im Einsatz", sagte ein Sprecher der Stadt Straubing, wo das Hochwasser auf der Donau bereits langsam zurückgeht. Entwarnung gibt es aber trotzdem nicht - ebenso wenig wie in Deggendorf, wo erst im Laufe des Tages mit sinkenden Wasserständen gerechnet wird.
Elbe-Scheitel zieht durch Sachsen
In Sachsen blicken die Menschen heute gebannt nach Tschechien, von woher die Elbe-Scheitelwelle anrollt. Brennpunkte sind Dresden und die Elbkommunen in der Sächsischen Schweiz. Der Scheitel der Elbe soll Dresden bereits erreicht haben. Seit einigen Stunden liegt der Pegel stabil bei 8,75 Meter und bleibt damit deutlich unter dem der Flut von 2002 zurück. Damals hatte er bei 9,40 Meter gelegen. Tückisch diesmal ist aber die lange Verweildauer des Wassers, weil die Zuflüsse aus Tschechien nicht verebben. Von mindestens vier Tagen Höchststand ist derzeit die Rede, was eine Herausforderung für viele Deichbauten bedeuten könnte. In der Sächsischen Schweiz sind viele Touristenorte überflutet.
Brandenburg erwartet die Flut
In Brandenburg zittert besonders der 4000-Einwohner-Ort Mühlberg im Elbe-Elster-Kreis. Ein Pflegeheim in der Altstadt ist bereits evakuiert, weitere rund 2100 Anwohner sollen ihre Wohnungen verlassen. Auch der Landkreis Prignitz bereitet sich auf den Ernstfall vor. "Wir wissen auch dort nicht, wie hoch das Wasser stehen wird", sagte ein Sprecher des Krisenstabs in Potsdam. In Nordbrandenburg wird der Höhepunkt der Flutwelle am Wochenende erwartet.
Sachsen-Anhalt hofft auf haltende Deiche
In Sachsen-Anhalt gilt in sechs Landkreisen Katastrophenalarm. Besonders im Raum Bitterfeld und in der Stadt Halle halten die Wassermassen die Menschen in Atem. "Wir hoffen, dass die Deiche halten", sagte eine Sprecherin des Krisenstabs in Magdeburg. In Bitterfeld droht der angrenzende Goitzschesee über die Ufer zu treten und die Stadt in einer Art Springflut zu überschwemmen. Dort wurde ein Deich gesprengt, um die Dämme des Sees zu entlasten - allerdings mit geringem Erfolg. Der Abfluss des Wassers in die Mulde ist nicht nennenswert. Deshalb kann für Bitterfeld noch keine Entwarnung gegeben werden.
Auch in Halle sind wegen der steigenden Gefahr von Dammbrüchen an der Saale weitere Evakuierungen geplant. Im schlimmsten Fall betrifft dies 30.000 Einwohner. Teile der Altstadt sind bereits überschwemmt und Häuser geräumt, darunter zwölf Altenheime.
In Magdeburg wird Höchststand am Sonntag erwartet. Prognosen gehen von 7,20 Meter aus, aktuell sind es gut 6 Meter. 2002 waren es 6,72 Meter. Es werden zusätzliche Dämme aufgebaut und Sandsäcke befüllt. Auch in Dessau und Wittenberg werden Deiche verstärkt. Pratau, Prettin und Pretzsch rüsten sich ebenfalls. In Sandau wurde ein Pflegeheim evakuiert.
Eine kritische Lage gibt es in Calbe an der Saale. Nach Angaben des MDR-Reporters vor Ort steht Wasser im Rathaus. Einsatzkräfte hätten es nicht geschafft, das Gebäude mit Sandsäcken zu schützen. Der Saale-Pegel stieg über die Marke von 9,50 Meter.
Niedersachsen bereitet sich vor
Von heute an bis zum Wochenende wird in Niedersachsen mit einem dramatischen Anstieg der Elbe gerechnet. Tausende Einsatzkräfte und Anlieger entlang des Flusses bereiten sich bereits auf die kritische Phase vor. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg werden ab heute Deichwachen Tag und Nacht eingesetzt. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel will sich zudem zusammen mit seinem Amtskollegen aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, ein Bild von der Lage in den Hochwassergebieten machen.
Hochwasser wohl wegen Klimawandels
Die Häufung von Hochwasser in ost- und süddeutschen Flüssen lässt sich nach Einschätzung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) mit dem Klimawandel erklären. Eine Analyse von Wetter- und Landschaftsdaten des PIK habe ergeben, dass die Erderwärmung mehr zur Zunahme von starken Hochwassern beiträgt als etwa die Landnutzung an den Ufern, die Begradigung oder Vertiefung der Flüsse, sagte der Hochwasser-Experte des Instituts, Fred Hattermann, der "Frankfurter Rundschau". Selbst wenn die Bodennutzung und die Flussläufe sich seit den 50er-Jahren gar nicht verändert hätten, wäre es zu den großen Überschwemmungen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gekommen.
Ein direkter Zusammenhang bestehe dagegen zwischen den ostdeutschen Flutkatastrophen der vergangenen Jahre und Ostwind-Wetterlagen, die im Sommer zugenommen haben, sagte Hattermann. Diese auch derzeit herrschende Wetterlage führe oft zu starken Niederschlägen in Ost- und Süddeutschland, weil sie Feuchtigkeit aus dem Mittelmeerraum mit sich bringe. Sie sei in den vergangenen 20 Jahren deutlich häufiger aufgetreten als zuvor und werde künftig weiter zunehmen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa