Panorama

Prozess um Tod von Jonny K. "Es gibt keine gerechte Strafe"

Tina K. hat den Prozess verfolgt - die Opferseite sei den Tätern egal, sagt sie.

Tina K. hat den Prozess verfolgt - die Opferseite sei den Tätern egal, sagt sie.

(Foto: dpa)

Wer den tödlichen Tritt versetzte, ist auch nach der Urteilsverkündung unklar. Die Angeklagten hätten "nicht alles gesagt", stellt der Richter im Fall Jonny K. fest - und verurteilt sie zu Haftstrafen. Jonnys Schwester Tina hat den Prozess intensiv verfolgt. Reue spürt sie bei den Tätern nicht.

"Überflüssig, dumm, aggressiv" - Richter Helmut Schweckendieck fand deutliche Worte, als er das Verhalten von Onur U. beschrieb, als dieser an einem frühen Sonntagmorgen im vergangenen Oktober in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes einen folgenschweren Streit vom Zaun brach. Die drei Worte waren zugleich der Versuch, eine Tat zu charakterisieren, die dem 20-jährigen Jonny K. das Leben kostete, die Öffentlichkeit erschütterte und vor Gericht letztlich nicht gänzlich aufgeklärt werden konnte.

Nun verkündete das Berliner Landgericht seine Urteile gegen die sechs Angeklagten im Prozess um die Prügelattacke auf Jonny K.: Der 20-jährige Onur U. erhielt als Haupttäter viereinhalb Jahre Haft unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Gegen die anderen fünf Männer im Alter von 19 bis 25 Jahren verhängte das Gericht wegen gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei Haftstrafen bis zu zwei Jahren und acht Monaten - je nach Alter und krimineller Vorgeschichte.

Der Vorsitzende Richter Schweckendieck ließ keinen Zweifel, dass er Onur U. als Haupttäter sieht, weil er den Streit begann. Onur U. und sein Anwalt sehen das anders. Sein Verteidiger kündigte an, in Revision zu gehen. Das Urteil gegen seinen Mandanten sei "viel zu hoch".

Täter brüsteten sich mit dem Verhalten

Onur U. hatte zugegeben, die Gruppe um Jonny K. gestört zu haben, als diese - aus einer Diskothek kommend - einen betrunkenen Freund unweit des Alexanderplatzes auf einen Stuhl setzen wollte. Der Richter sah es als erwiesen an, dass Onur U. den Stuhl wegriss, dass der Betrunkene und ein weiterer Mann stürzten und dass Jonny K. diesen zu Hilfe eilte. Onur U. habe Jonny K. daraufhin einen Schlag versetzt, zeigte sich Schweckendieck überzeugt.

Die Täter wurden zu Haftstrafen verurteilt - der Anwalt von Onur U. kündigte bereits an, in Revision gehen zu wollen.

Die Täter wurden zu Haftstrafen verurteilt - der Anwalt von Onur U. kündigte bereits an, in Revision gehen zu wollen.

(Foto: dpa)

Als Jonny K. daraufhin zu Boden fiel, trat die Gruppe laut Gericht auf den möglicherweise bereits Bewusstlosen ein. Anschließend verließen die Täter den Schauplatz und brüsteten sich für ihr Verhalten, wie ein Zeuge vor Gericht berichtet hatte. Jonny K. starb wenig später an den Folgen einer Gehirnblutung.

Nach der Gewaltorgie tauchte Onur U. in der Türkei unter. Erst nach Monaten stellte er sich den deutschen Behörden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich an höchster Stelle in der Türkei eingeschaltet. Eine neue Debatte über den Umgang mit Jugendgewalt war nach der Attacke in Gang gekommen. Nun bekräftigte Berlins Innensenator Frank Henkel, es müsse sich etwas in den Köpfen ändern. "Wir sind in der Pflicht."

Wer Jonny K. den tödlichen Tritt gegen den Kopf versetzte, blieb aber bis zuletzt unklar. Die Angeklagten hätten "nicht alles gesagt, was sie sagen können", stellte der Richter fest, betonte aber, dass dies ihr Recht sei. Tatsächlich hatten alle sechs geltend gemacht, sich nicht zu erinnern, weil sie zu viel Alkohol getrunken hätten. Wer den tödlichen Tritt "geführt hat, muss es mit seinem Gewissen ausmachen", sagte der Richter.

Schwester spürt keine Reue

Die Angeklagten hörten der Urteilsverkündung mit unbewegten Gesichtern zu. Während des Prozesses hatten sie sich gelassen gezeigt, den Kopf auf den Armen abgelegt oder ins Publikum gegrinst. Onur U. konnte es auch am Tag der Urteilsverkündung nicht lassen, mit seinen Freunden im Zuschauerraum Blickkontakt zu halten und dabei zu lächeln.

Dabei saß vor ihm Jonny K.s Schwester Tina, die nach der Tat begonnen hatte, sich gegen Straßengewalt einzusetzen und so bundesweit bekannt wurde. Für ihr Engagement gegen Gewalt bekam sie bereits den Medienpreis Bambi. An jedem Prozesstag war sie als Nebenklägerin anwesend und drehte sich immer wieder zu den Angeklagten um. Sie wollte den Grund für die Tat herausfinden, sagte sie in Interviews.

Am Tag der Urteilsverkündung war ihr Blick undurchdringlich. Sie kommentierte das Urteil nach Ende der Verhandlung nicht, sondern bedauerte nur, dass nicht ermittelt werden konnte, wer am Tod ihres Bruders Schuld sei. "Es gibt keine gerechte Strafe", sagte sie. Die Opferseite sei den Angeklagten "komplett egal", sagte sie über die Angeklagten. Reue spüre sie bei ihnen nicht. Die sechs Täter werde sie wohl nicht vergessen: "Sobald ich an meinen Bruder denke, taucht eines ihrer Gesichter in meinem Kopf auf."

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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