Panorama

Neue Regenfront rückt heran Hiobsbotschaft für die Hochwassergebiete

Dicker Schlamm überzieht große Teile der Stadt. Darin findet sich alles, ...

(Foto: REUTERS)

In Ost- und Süddeutschland stehen die Flüsse bis an die Deichkronen. Die Dämme werden mehr und mehr instabil. In Oberbayern sind ganze Regionen in höchster Gefahr. Ausgerechnet jetzt kündigen die Meteorologen neue und zum Teil unwetterartige Niederschläge an. Das zusätzliche Wasser von oben könnte die Deiche in Schlammhügel verwandeln.

Das sind keine guten Nachrichten für die Betroffenen in den Hochwassergebieten: Die Meteorologen sagen für heute Abend und die kommenden Tage schwere Hitzegewitter mit zum Teil ergiebigen Regenfällen voraus. Weil die Wiesen und Äcker nach wie vor vollgesogen sind, werden sich die Regenmengen eins zu eins in die Flüsse ergießen. Die Prognosen sind dramatisch.

Allein in Sachsen könnte das nachfließende Regenwasser für eine schlimme Entwicklung sorgen. Schon jetzt hält nachrückendes Wasser aus Tschechien den Pegel der Elbe stabil. Sollten die Prognosen eintreffen, und die ergiebigen Schauer über Süddeutschland bis weit in die kommende Woche hinein anhalten, werden die Pegel kaum fallen. Zudem wird das zusätzliche Nass von oben den ohnehin durchweichten Deichen stark zusetzen. Eine ähnliche Situation wie jetzt in den Katastrophengebieten von Niederbayern ist dann auch an anderen Orten vorstellbar.

Bundestag verspricht Hilfe

Vom Hochwasser eingeschlossene Fahrzeuge in Dresden.

Vom Hochwasser eingeschlossene Fahrzeuge in Dresden.

(Foto: dpa)

Die Flutkatastrophe beschäftigte auch den Bundestag. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte den von Flutschäden Betroffenen weitere Unterstützung zu, die über die Soforthilfe des Bundes von 100 Millionen Euro hinaus gehen soll. Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) sagte: "Wir lassen die betroffenen Menschen nicht allein."

Im Bundestag diskutierten die Fraktionen über die Folgen und Konsequenzen der Rekordflut. Schäuble sagte, es werde alles getan, um die langfristigen Schäden zu beheben. "Darauf können sich alle verlassen." Lammert dankte wie Schäuble den Helfern vor Ort, insbesondere den vielen Freiwilligen. Erneut werde die Erfahrung gemacht, dass Not und Leid einhergingen mit Tatkraft und Hilfe sowie einer "eindrucksvollen menschlichen Zuwendung".

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich erschüttert über die Folgen des Hochwassers. "Es ist unbeschreiblich schlimm. Das übersteigt alle Dimensionen", sagte Seehofer bei einem Besuch in Deggendorf. Zuvor war Seehofer mit dem Hubschrauber über die Hochwassergebiete im Landkreis geflogen. Am Nachmittag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bitterfeld erwartet.

Derweil hält sich die Rekordflut hartnäckig: Betroffen sind vor allem die Gebiete an Elbe, Donau und Saale. Tausende verlieren dort ihr Hab und Gut. Nur mit dem Wichtigsten versehen sind die Menschen auf die Solidarität anderer angewiesen, um weiterleben zu können.

Deichbruch droht in Niederbayern

Bei Osterhofen im niederbayerischen Landkreis Deggendorf droht ein Deichbruch. Die Polizei hatte das Bauwerk bereits aufgegeben und als geborsten gemeldet. Dort müssen die Bewohner jetzt eiligst in Sicherheit gebracht werden. Auch in Straubing und Deggendorf drohen Deiche zu brechen. "Es ist alles im Einsatz", sagte ein Sprecher der Stadt Straubing, wo das Hochwasser auf der Donau bereits langsam zurückgeht. Entwarnung gibt es aber trotzdem nicht - ebenso wenig wie in Deggendorf, wo erst im Laufe des Tages mit sinkenden Wasserständen gerechnet wird.

Elbe-Scheitel zieht durch Sachsen

In Sachsen blicken die Menschen heute gebannt nach Tschechien, von woher die Elbe-Scheitelwelle anrollt. Brennpunkte sind Dresden und die Elbkommunen in der Sächsischen Schweiz. Der Scheitel der Elbe soll Dresden bereits erreicht haben. Seit einigen Stunden liegt der Pegel stabil bei 8,75 Meter und bleibt damit deutlich unter dem der Flut von 2002 zurück. Damals hatte er bei 9,40 Meter gelegen. Tückisch diesmal ist aber die lange Verweildauer des Wassers, weil die Zuflüsse aus Tschechien nicht verebben. Von mindestens vier Tagen Höchststand ist derzeit die Rede, was eine Herausforderung für viele Deichbauten bedeuten könnte. In der Sächsischen Schweiz sind viele Touristenorte überflutet.

Brandenburg erwartet die Flut

Hochwasserlage in Brandenburg nach Aussage von Innenminister Dietmar Woidke deutlich schwieriger als 2002. Neben der Elbe führten diesmal auch alle Nebenflüsse Hochwasser. Ganz besonders zittert der 4000-Einwohner-Ort Mühlberg im Elbe-Elster-Kreis. Ein Pflegeheim in der Altstadt ist bereits evakuiert, weitere rund 2100 Anwohner sollen ihre Wohnungen verlassen. Die Polizei fährt mit Wagen durch die Straßen und ruft die Bürger per Lautsprecher zum Verlassen ihrer Häuser auf. Auch der Landkreis Prignitz bereitet sich auf den Ernstfall vor. "Wir wissen auch dort nicht, wie hoch das Wasser stehen wird", sagte ein Sprecher des Krisenstabs in Potsdam. In Nordbrandenburg wird der Höhepunkt der Flutwelle am Wochenende erwartet.

Sachsen-Anhalt hofft auf haltende Deiche

(Foto: dpa)

In Sachsen-Anhalt gilt in sechs Landkreisen Katastrophenalarm. Besonders im Raum Bitterfeld und in der Stadt Halle halten die Wassermassen die Menschen in Atem. "Wir hoffen, dass die Deiche halten", sagte eine Sprecherin des Krisenstabs in Magdeburg. In Bitterfeld droht der angrenzende Goitzschesee über die Ufer zu treten und die Stadt in einer Art Springflut zu überschwemmen. Dort wurde ein Deich gesprengt, um die Dämme des Sees zu entlasten - allerdings mit geringem Erfolg. Der Abfluss des Wassers in die Mulde ist nicht nennenswert. Deshalb kann für Bitterfeld noch keine Entwarnung gegeben werden.

Ganz schlimm ist die Lage in dem kleinen Ort Elster. Alle 2500 Einwohner der Elbe-Stadt sollen umgehend ihr Zuhause verlassen und Notunterkünfte in Zahna beziehen. Der schützende Damm wurden aufgegeben, weil zu viel Wasser durch den Fuß des Bauwerks dringt. Der Katastrophenstab rechnet damit, dass das Wasser im Ort bis zu 1,25 Meter hoch stehen wird. Lebensgefahr bestünde zwar nicht, nach und nach müsse aber die Stromversorgung abgestellt werden. Auch das Klärwerk werde dann stillgelegt. Zudem ist die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr zu gewährleisten.

Auch in Halle sind wegen der steigenden Gefahr von Dammbrüchen  an der Saale weitere Evakuierungen geplant. Im schlimmsten Fall betrifft dies 30.000 Einwohner. Teile der Altstadt sind bereits überschwemmt und Häuser geräumt, darunter zwölf Altenheime.

In Magdeburg wird Höchststand am Sonntag erwartet. Prognosen gehen von 7,20 Meter aus, aktuell sind es gut 6 Meter. 2002 waren es 6,72 Meter. Es werden zusätzliche Dämme aufgebaut und Sandsäcke befüllt. Auch in Dessau und Wittenberg werden Deiche verstärkt. Pratau, Prettin und Pretzsch rüsten sich ebenfalls. In Sandau wurde ein Pflegeheim evakuiert.

Eine kritische Lage gibt es in Calbe an der Saale. Nach Angaben des MDR-Reporters vor Ort steht Wasser im Rathaus. Einsatzkräfte hätten es nicht geschafft, das Gebäude mit Sandsäcken zu schützen. Der Saale-Pegel stieg über die Marke von 9,50 Meter.

Ein weiterer Damm brach in Schweinitz an der Schwarzen Elster. Hubschrauber der Bundeswehr sollen dort Sandsäcke abwerfen, um den derzeit noch 15 Meter breiten Durchbruch zu schließen.

Niedersachsen bereitet sich vor

Von heute an bis zum Wochenende wird in Niedersachsen mit einem dramatischen Anstieg der Elbe gerechnet. Tausende Einsatzkräfte und Anlieger entlang des Flusses bereiten sich bereits auf die kritische Phase vor. Im Landkreis Lüchow-Dannenberg werden ab heute Deichwachen Tag und Nacht eingesetzt. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel will sich zudem zusammen mit seinem Amtskollegen aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, ein Bild von der Lage in den Hochwassergebieten machen.

Hochwasserlage in Polen weiter schlimm

In den polnischen Hochwassergebieten gibt es die bisher schwersten Überschwemmungen der aktuellen Katastrophe. Die Feuerwehr rückte rund 2000 Mal aus. Polizisten und freiwillige Helfer waren im Dauereinsatz, um Deiche zu verstärken und Häuser mit Sandsäcken zu sichern. Noch sind keine Evakuierungen nötig. Besonders betroffen sind Gebiete im Süden sowie im Landeszentrum und Südwesten.

Hochwasser wohl wegen Klimawandels

Die Häufung von Hochwasser in ost- und süddeutschen Flüssen lässt sich nach Einschätzung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) mit dem Klimawandel erklären. Eine Analyse von Wetter- und Landschaftsdaten des PIK habe ergeben, dass die Erderwärmung mehr zur Zunahme von starken Hochwassern beiträgt als etwa die Landnutzung an den Ufern, die Begradigung oder Vertiefung der Flüsse, sagte der Hochwasser-Experte des Instituts, Fred Hattermann, der "Frankfurter Rundschau". Selbst wenn die Bodennutzung und die Flussläufe sich seit den 50er-Jahren gar nicht verändert hätten, wäre es zu den großen Überschwemmungen in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gekommen.

Ein direkter Zusammenhang bestehe dagegen zwischen den ostdeutschen Flutkatastrophen der vergangenen Jahre und Ostwind-Wetterlagen, die im Sommer zugenommen haben, sagte Hattermann. Diese auch derzeit herrschende Wetterlage führe oft zu starken Niederschlägen in Ost- und Süddeutschland, weil sie Feuchtigkeit aus dem Mittelmeerraum mit sich bringe. Sie sei in den vergangenen 20 Jahren deutlich häufiger aufgetreten als zuvor und werde künftig weiter zunehmen.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa

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