Mehr als 120 Tote in ganz Europa Kälteste Nacht des Winters kommt
02.02.2012, 21:50 Uhr
Die extreme Kältewelle hat Europa von der Ukraine bis Italien fest im Griff. In Deutschland erfrieren mehrere Menschen. In der Ukraine steigt die Zahl der Toten auf 63, in Polen auf 29. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Laut Meteorologen soll der Frost auch kommende Woche weitergehen. Doch davor kommt noch die kälteste Nacht des Winters.
Eiszeit, Extremfrost und immer mehr Kältetote: Mindestens 120 Menschen sind in Europa bereits den sibirischen Temperaturen zum Opfer gefallen, auch in Deutschland erfroren mehrere Menschen. In Magdeburg starb ein 55 Jahre alter obdachloser Mann. Eine Passantin entdeckte ihn auf einer Bank vor einem Geschäft. Die Kirchen forderten mehr Solidarität mit Obdachlosen.
In Niedersachsen starb ein gehbehinderter Rentner in der Eiseskälte. Ein Spaziergänger habe die Leiche des 69-Jährigen auf einem Feldweg zwischen Harderode und Bremke entdeckt, teilte die Polizei in Hameln mit. Es spreche alles dafür, dass der Mann in der eiskalten Nacht an Unterkühlung gestorben sei. Bereits am Mittwoch war in Stendal im Norden Sachsen-Anhalts eine 73 Jahre alte Frau beim Eisbaden in einem See ums Leben gekommen. In der Nacht zum Sonntag war in Leegebruch bei Berlin eine 55-Jährige erfroren, nachdem sie in einen Wassergraben gefallen war.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet von Donnerstag auf Freitag die kälteste Nacht dieses Winters. "Es kann noch einmal zwei, drei Grad kälter werden", sagte Meteorologe Helmut Malewski in Offenbach. Die Temperaturen waren an manchen Orten Deutschlands in der Nacht zum Donnerstag bereits auf bis zu minus 20 Grad gefallen. Der DWD registrierte zum Beispiel in Marienberg im Erzgebirge minus 20,6 Grad. "Es bleibt überall bei Frost", sagte der Wetterexperte. "Das wird auch die kommende Woche - so wie es aussieht - andauern."
Ungewöhnlich sei die Eiseskälte Anfang Februar nicht. "Wir hatten bislang ja so gut wie gar keinen Frost gehabt", erklärte Malewski. Von einem Kälterekord sei Deutschland noch weit entfernt. Der sei am 12. Februar 1929 im bayerischen Wolnzach-Hüll aufgestellt worden: Damals waren minus 37,8 Grad gemessen worden.
Dutzende Tote in Osteuropa
Weitaus dramatischer ist die Lage allerdings in Osteuropa. In der Ukraine erhöhte sich die Zahl der Erfrorenen um 20 auf 63, wie das Zivilschutzministerium mitteilte. Die Temperaturen betrugen stellenweise minus 30 Grad Celsius, wie Medien berichteten. Die meisten Kälteopfer dort waren Obdachlose. Nach Angaben des Zivilschutzministeriums wurden in den vergangenen sechs Tagen mehr als 900 Menschen wegen Erfrierungen und Unterkühlungen in Krankenhäuser gebracht. Die Zahl der Wärmestuben stieg auf mehr als 2000.

In der Ukraine werden Obdachlose in Wärmezelten versorgt.
(Foto: dpa)
In Polen starben nach Angaben des Innenministeriums in Warschau bisher 29 Menschen. Bewohnern einer Warschauer Wohnsiedlung könnte nach einem Defekt der Heizungsanlage eine der kältesten Nächte bevorstehen. Insgesamt 16 Gebäude seien von der Hauptleitung abgetrennt und derzeit ohne Heizung und heißes Wasser, berichtete der Warschauer Lokalsender TVN Warszawa. Die Reparaturarbeiten könnten bis Freitag dauern, hieß es.
In Rumänien wurden bisher mindestens 22, in Bulgarien zehn Tote gezählt. Die eisige Kälte beeinträchtigte auch die Schifffahrt auf der Donau. Eisschollen behinderten die Schifffahrt bei Silistra und Russe, teilte die bulgarische Donaubehörde mit. In Russe sank die Temperatur auf minus 15,6 Grad - das ist der tiefste Wert seit 50 Jahren für einen 2. Februar. In Tschechien kostete die Kälte seit Wochenbeginn mindestens sieben Menschen das Leben. In Österreich stürzte eine 83-Jährige beim Spaziergehen und erfror.
"Wir dürfen nicht wegsehen"
Die evangelische und die katholische Kirche mahnten zu mehr Aufmerksamkeit im Umgang mit Wohnungslosen. "Keiner soll den Kältetod sterben", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, der "Passauer Neuen Presse". Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sagte: "Wir dürfen nicht wegsehen." Obdachlose anzusprechen und ihnen Hilfe zu vermitteln, sei "ein Gebot menschlicher Vernunft". Die Behörden im Elsass stellten mehr als 400 zusätzliche Bettenplätze für Obdachlose bereit.

Die Elbe soll ab Freitag Mittag zwischen Dömitz und Geesthacht für die Schifffahrt gesperrt werden.
(Foto: dpa)
Dauerfrost und eisiger Ostwind ließen den Müritzsee zufrieren. "Bei minus 14 Grad gibt es nur noch ganz wenige freie Stellen auf der Müritz, am Rand ist das Eis dicker als sonst üblich", sagte Olaf Schatzki vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Waren in Mecklenburg-Vorpommern. Die Behörden warnten aber davor, das Eis zu betreten.
Frostgrade und Niedrigwasser legten den Fährverkehr auf die ostfriesische Insel Wangerooge lahm. Juist sollte aber von einem eistauglichen Personenschiff angesteuert werden. Auch auf der Elbe und auf dem Elbe-Lübeck-Kanal muss ab Freitag mit Einschränkungen für die Schifffahrt gerechnet werden, hieß es beim Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg.
Schnee an der südlichen Adria
Eisige Kälte auch im Baltikum: In Lettland wurde in der Region Zoseni mit minus 30,7 Grad der bisherige Kälterekord für den 2. Februar aus dem Jahr 1976 übertroffen, teilten lokale Wetterinstitute mit. Auch am internationalen Flughafen Riga zeigte das Thermometer mit minus 23,8 Grad einen neuen Tiefstwert für die lettische Hauptstadt für diesen Tag an - verglichen mit dem 2. Februar 1942. Nach dem Bruch eines Hauptwasserrohres waren in der litauischen Hauptstadt Vilnius annähernd 150 Wohn- und Bürogebäude von der Wärmeversorgung abgeschnitten. Darunter sind auch das Parlament, die staatliche Steueraufsichtsbehörde und ein Gefängnis. Temperaturen von minus 26 Grad hatten eine Hauptleitung bersten lassen.
In Norditalien blockierten Eis und Schnee ebenfalls Straßen und Schienen. An der südlichen Adria lag Schnee, was dort sehr selten ist. Auch an den kroatischen Küsten schneite es. In der Toskana lagen Florenz und Siena unter einer Schneedecke, die Meteorologen in den kommenden Tagen auch der italienischen Hauptstadt Rom vorhersagen.
Der strenge Winter machte auch den Menschen in der Türkei zu schaffen: Dort störten Schneefälle den Verkehr und die Energieversorgung. Auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul seien am Vortag 180 Flüge ausgefallen, berichteten türkische Medien. Eine Frau starb in den Trümmern ihres von einer Lawinen verschütteten Hauses in dem Dorf Secmen im Südosten. In ländlichen Regionen im Osten seien etwa 1000 Straßen zu Dörfern nicht mehr zu befahren. Teilweise sei das Stromnetz zusammengebrochen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts