Panorama

Für "Vaterland und Glauben" Morde im Bibel-Verlag gestanden

Einen Tag nach dem Mord an drei Christen in einem Bibelverlag in Malatya haben vier tatverdächtige Türken die Bluttat laut Medienberichten gestanden. Für den Überfall, bei dem zwei Türken und einem 46-jährigen Deutschen die Kehlen durchschnitten worden waren, gaben sie religiös-nationalistische Motive an, wie türkische Medien berichteten. Die vier jungen Männer im Alter von 19 und 20 Jahren waren am Mittwoch noch am Tatort gefasst worden. In Deutschland reagierten die Türkische Gemeinde und der Rat der Muslime mit Entsetzen und Abscheu auf das Verbrechen. Auf die laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei werde es keine Auswirkungen haben, erklärte die EU-Kommission in Brüssel.

"Wir haben dies nicht für uns, sondern für das Vaterland und unseren Glauben getan", zitierte die Zeitung "Hürriyet" die vier Türken. "Den Feinden des Glaubens möge dies eine Lehre sein." Die Polizei meldete am Donnerstag weitere Festnahmen, insgesamt säßen jetzt zehn Personen hinter Gittern. Alle seien Männer "derselben Altersgruppe", sagte Provinzgouverneur Halil Ibrahim Dasöz. Einer der mutmaßlichen Angreifer, der bei der Flucht vor der Polizei aus dem Fenster gesprungen war, schwebte am Donnerstag noch in Lebensgefahr.

Bei dem Anschlag waren zwei türkische Mitarbeiter des kleinen christlichen Verlags Zirve und ein Deutscher brutal ermordet worden. Die Opfer waren an Händen und Füßen gefesselt gewesen. Der 46-jährige Tilmann G. hatte in Malatya für eine Beraterfirma als Übersetzer gearbeitet. Mit Frau und drei Kindern lebte er seit 2003 in der Stadt, wie türkische Medien berichteten. Die Firma "Silk Road Consulting", die in der Türkei Übersetzerdienste und Sprachunterricht anbietet, weist ihn auf ihrer Website als einen von drei Mitarbeitern in Malatya aus.

Vertreter der protestantischen Kirchen in der Türkei erhoben unterdessen schwere Vorwürfe gegen Staat, Parteien und Medien. "Einige (...) zeigen mit einer kein Ende findenden Feindschaft auf die Christen und hetzen unser Volk auf", sagte Bedri Peker, Präsident des Bundes der Protestantischen Kirchen der Türkei. Christen würden als "potenzielle Straftäter und Vaterlandsverräter" gesehen. Ihsan Özbek, Vorsitzender eines Vereins protestantischer Freikirchen (Kurtulus Klisesi) in Ankara, dem auch die kleine Gemeinde in Malatya angehört, sprach von einer "Hexenjagd wie im Mittelalter". Die Zahl türkischer Protestanten in der Türkei wird auf einige wenige hundert geschätzt.

Türkische Medien stellten den Anschlag von Malatya in eine Reihe mit der Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink im Februar in Istanbul und dem Mord an einem italienischen katholischen Priester, der Anfang 2006 in seiner Kirche in der Stadt Trabzon am Schwarzen Meer hinterrücks erschossen worden war.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül sorgte sich indessen um den Ruf der Türkei in der Welt. "Es bereitet uns großes Unbehagen, dass das Ansehen unseres Landes im Ausland beschädigt wird." Der Anschlag sei gegen "den inneren Frieden, die Tradition der Toleranz und gegen die Stabilität der Türkei" gerichtet, sagte Gül. "Wir verurteilen ihn aufs Schärfste." Bereits am Mittwochabend hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Morde als "Akt der Grausamkeit" verurteilt.

Quelle: ntv.de

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