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"Wir müssen jetzt anfangen" Neue Wälder braucht das Land

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Nur noch wenige grüne Bäume stehen zwei Wochen nach dem Großfeuer auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lübtheen auf der Brandfläche.

Nur noch wenige grüne Bäume stehen zwei Wochen nach dem Großfeuer auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lübtheen auf der Brandfläche.

(Foto: picture alliance/dpa)

Seit Jahren warnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor immer heftigeren Waldbränden. Die jetzt bestehenden Wälder haben der Brandgefahr kaum etwas entgegenzusetzen. Der Umbau kostet Zeit, doch die wird knapp.

31. Mai 2023: Mal wieder hat es das Land Brandenburg getroffen. Auf einem Truppenübungsplatz bei Jüterbog südlich von Berlin ist ein Feuer ausgebrochen. Zwei Wochen lang kämpft die Feuerwehr, um es zu löschen. Eine Drohne und Hubschrauber kommen dabei zum Einsatz. Munition auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz und Wind erschweren die Arbeit. Am Ende sind 730 Hektar Wald von dem Feuer betroffen.

12. Juni: Es ist heiß an diesem Montag. Schon am Wochenende warnt die Feuerwehr in Mecklenburg-Vorpommern: Die Waldbrandgefahr steigt. Plötzlich sehen Einwohner des kleinen Dörfchens Volzrade im Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns Rauch. Bald riechen sie ihn. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Lübtheen brennt es. Der Landrat des Kreises Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg, ruft Katastrophenalarm aus. 160 Bewohner von Volzrade müssen ihre Häuser verlassen.

Erst zwei Tage später dürfen sie wieder zurück. Der Brand ist gelöscht. Doch die Gefahr ist noch nicht gebannt. Drei Wochen lang patrouillieren Ranger durch das Waldbrandgebiet. Gut 100 Hektar haben gebrannt. Das Problem: Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz lagert Munition aus dem Zweiten Weltkrieg, der DDR und von der Bundeswehr. Auch hier hat die Gefahr von Explosionen die Arbeit der Feuerwehrleute erschwert. Zudem lag in dem betroffenen Wald viel totes Holz, das den Brand anheizte.

Nur zwei Waldbrände von mehreren Hundert in diesem Jahr. Und die Waldbrandsaison ist noch lange nicht zu Ende. Sie dauert in Deutschland offiziell von März bis Ende September. In vielen anderen Ländern ist das anders. So können in mehreren US-Bundesstaaten das ganze Jahr lang Waldbrände ausbrechen, so Feuerökologe Johann Georg Goldammer vor wenigen Tagen im ZDF.

Waldbrände von Menschen gemacht

Das Land Brandenburg ist die Region in Deutschland, die besonders von Waldbränden betroffen ist. 2003 zum Beispiel gab es allein 680 Waldbrände, wobei die Bundesflächen dabei nicht eingerechnet worden sind. Im vergangenen Jahr brannte es 523 Mal in Brandenburg. Davon war eine Fläche von gut 1450 Hektar betroffen - oder von 2070 Fußballfeldern.

Klingt wahnsinnig viel. Doch der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes Brandenburg, Raimund Engel, schränkt ein: "Durch Waldbrände werden die Wälder in der Regel nicht vernichtet, aber geschädigt. 90 Prozent aller Waldbrände sind Waldbodenbrände. Von den 523 Bränden letztes Jahr waren nur neun größer als zehn Hektar. Die haben wirklich Wälder vernichtet."

Die Natur arbeitet in der Regel wahnsinnig schnell. Nur gut vier Wochen braucht sie, um sich nach einem Waldbodenbrand die gesamte betroffene Fläche wieder zurückzuholen, sagt Engel. Das Gras wächst wieder, es bekommt sogar mehr Nährstoffe als vor dem Feuer. Anders bei sogenannten Vollbränden. Dort bricht der Waldbestand zusammen, erholt sich nur nach Jahrzehnten und oftmals nur mit menschlicher Hilfe.

Waldbrände schaden nicht nur der Natur, sondern auch der Wirtschaft und der Gesundheit der Menschen, die den entstehenden Rauch einatmen. Deshalb versuchen die einzelnen Bundesländer, Brände so früh wie möglich zu erkennen. In Brandenburg wird dazu Sensortechnik genutzt, die sich in den letzten Jahren enorm entwickelt hat. 105 elektrische Sensoren "beobachten" die gesamte Waldfläche Brandenburgs. Sie können sich um 360 Grad drehen. Erkennen sie dabei Veränderungen, springt automatisch ein Computerprogramm an. Diese Software arbeitet mit künstlicher Intelligenz und kann an Intensität, Farbe und Form Rauchwolken von Staub- oder Regenwolken unterscheiden.

Sobald sie eine Gefahr erkannt hat, informiert sie die zuständige Waldbrandzentrale. In Brandenburg gibt es zwei - in Eberswalde und in Wünsdorf - gut 40 Kilometer von Berlin entfernt. Dort werten Experten die Meldungen aus und warnen die Feuerwehren vor Ort. "Mit dem System erkennen wir die Rauchwolken sehr schnell. Wir können sofort die Leitstellen informieren und alarmieren, und wir können den Brandort genau lokalisieren", so Engel im Gespräch mit ntv.de.

Besser wäre natürlich, wenn Waldbrände gar nicht erst entstünden. Und tatsächlich könnten die allermeisten von ihnen verhindert werden. Denn laut WWF Deutschland sind für weit mehr als 90 Prozent der Waldbrände Menschen verantwortlich, oft durch Fahrlässigkeit oder Unachtsamkeit. "Hier gelten klare Gesetze", sagt Engel. "Die regeln zum Beispiel, dass das Grillen in der Nähe von Wäldern verboten ist, und Rauchen im Wald sowieso." Nur vier Prozent aller Waldbrände haben natürliche Ursachen, wie Blitzschlag.

Die Wälder der Zukunft

Aber man kann noch mehr tun. Schon vor 40 Jahren haben US-amerikanische Wissenschaftler gewarnt: Unsere Wälder sind nicht mehr zeitgemäß, erklärt Brandökologe Johann Georg Goldammer. Früher dominierten Buchenwälder die Landschaft Mitteleuropas. Doch schon seit mehreren Hundert Jahren werden die Forste systematisch abgeholzt. Der Grund: Es gibt immer mehr Menschen mit immer höheren Ansprüchen und die Industrie braucht das Holz. So wurden die Buchen ersetzt durch Fichten und Kiefern. Die wachsen schneller und sind robuster und so konnte der Bedarf an neuem Holz rasch gedeckt werden.

Doch damit schuf man sich auch Probleme. Monokulturen sind langfristig unwirtschaftlicher als Mischwälder, sie speichern weniger klimaschädliches CO2, sie sind anfälliger für Schädlinge wie Borkenkäfer. Vor allem aber schädigen sie den Boden - und sie können sich nicht gut gegen Trockenheit wehren. Will heißen: In den durch die Klimakrise immer wärmer werdenden Sommern brennen sie leichter.

Für Engel ist deswegen klar: "In Zukunft müssen wir uns auf Mischwälder konzentrieren. Aber das ist eine Generationenfrage. Wenn ich heute einen Baum pflanze, ist der nicht nächstes Jahr schon ein Riese. Das dauert 100 Jahre und länger."

Auch Goldammer setzt sich für zukunftsfähige Wälder ein. Er unterscheidet zwischen "Wohlfühlwäldern" und "Krisenwäldern". Wohlfühlwälder dienen der Erholung, dort kann jeder leben, vom Baum-Umarmer bis zum Erholungsuchenden. Seltene Tierarten nutzen Totholz auf Waldböden, um sich dort anzusiedeln. Im Gegensatz dazu sind Krisenwälder dazu geeignet, sich gegen die Klimakrise wehren zu können. "Wir brauchen Diversität in unseren Biosystemen", fordert er im ZDF.

Eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie und der Uni Freiburg kam schon vor zwei Jahren zu der gleichen Einschätzung. Danach müssen die deutschen Kiefer- und Fichtenreinbestände dringend in widerstandsfähigere Mischwälder umgewandelt werden. Und Raimund Engel fügt hinzu: "Wir müssen damit jetzt anfangen."

Quelle: ntv.de

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