Wassermassen erreichen Norden Neuer Jahrhundertpegel in Magdeburg
07.06.2013, 13:54 Uhr
Die Elbstraße in Magdeburg-Buckau ist trotz nächtlicher Rettungs- und Sandsackaktion überflutet.
(Foto: dpa)
Das Hochwasser hält die Menschen an Elbe, Donau und Saale weiter in Atem. Während die Pegelstände in Bayern wieder sinken, kämpfen in Sachsen und Sachsen-Anhalt die Einsatzkräfte um die Deiche. In Magdeburg steht das Wasser schon höher als bei der Flut 2002. Der Norden bereitet sich derweil mit Millionen Sandsäcken auf das Schlimmste vor.
Das Hochwasser hält Deutschland weiter in Atem: Mit zerstörerischer Kraft rollt die Flutwelle jetzt Richtung Norden. Bundesländer wie Niedersachsen und Brandenburg rüsten sich für die anrollenden Wassermassen, die im Süden und Osten bereits große Verwüstungen angerichtet haben.
Besonders angespannt ist die Lage in Sachsen-Anhalt: In Magdeburg überstieg der Pegelstand den des Hochwassers von 2002. Drei Menschen sind dort bisher beim Kampf gegen die Überflutungen ums Leben gekommen. Nach Angaben des Innenministeriums in Magdeburg liegt der Pegelstand dort bei 7 Metern. 2002 waren es 6,72 Meter. Normal sind für die Elbe dort knapp 2 Meter. Der Scheitel wird für Sonntag erwartet. In Wittenberg kam ein 74 Jahre alter Helfer ums Leben, als ihn ein Radlader erfasste. Zuvor waren zwei Menschen bei Hilfsaktionen kollabiert und gestorben.
Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld sind 10.000 Menschen aufgerufen, ihre Wohnungen zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Hier versuchen Arbeiter mit schwerem Gerät ein Leck zu schließen, dass sich im aufgeweichten Erdreich zwischen zwei Seen gebildet hat. Durch die Arbeiten bestehe aber auch die Gefahr, dass sich das Loch vergrößert. Dann könnte eine Flutwelle auf Bitterfeld zurollen.
In Halle sinkt derweil der Druck auf die Dämme, bleibt aber nach Angaben des Krisenstabs der Stadt enorm hoch. Die Entwicklung sei insgesamt positiv, aber weiter sehr ernst, hieß es. Wegen der Sperrung von Gleisen im Bereich Pratau/Lutherstadt Wittenberg fahren Fernzüge von Berlin und Magdeburg nach Leipzig über Dessau. Der Halt in Lutherstadt Wittenberg entfällt.
In Brandenburg ist man in Alarmbereitschaft. Im brandenburgischen Mühlberg sollte die Elbeflut am Freitag ihren höchsten Punkt erreichen. Am frühen Morgen lag der Pegelstand bei 9,86 Meter. Bei der Jahrhundertflut 2002 waren es 9,98 Meter. Angelegt sind die Deiche dort auf zehn Meter Wasserhöhe. In Sachsen hat das Elbe-Hochwasser seinen Höhepunkt erreicht. Die Lage sei aber weiterhin ernst, hieß es.
Hunderte Bundeswehrsoldaten unterstützten die Schutzmaßnahmen an der Elbe in Mecklenburg-Vorpommern. Etwa 40.000 Sandsäcke wurden bereits gefüllt - zwei Millionen Sandsäcke sind zur Verstärkung der Deiche nötig. Das Wasser soll wohl kommenden Donnerstag den Höchststand erreichen. Umweltminister Till Backhaus (SPD) erwartet ein nie dagewesenes Hochwasser an der Elbe. In Dömitz erreichte der Fluss schon eine Höhe von 4,42 Meter, normal sind gut zwei Meter. Ausgelegt sind die Deiche für ein Hochwasser von 7,50 Meter. Das Problem sei, dass zu den Fluten der Elbe auch das Hochwasser der Saale komme.
In Niedersachsen hoffen die Menschen wieder: Nachdem die Prognosen für die höchsten Pegelstände zwei Tage in Folge nach unten korrigiert wurden, setzen jetzt viele Anwohner darauf, dass es für sie diesmal doch nicht so schlimm kommt wie bisher befürchtet. In der besonders bedrohten Kleinstadt Hitzacker werden nun für Dienstag und Mittwoch Höchststände von 7,65 Metern erwartet - 1,15 Meter weniger als noch vor zwei Tagen.
Thüringen hat das Schlimmste überstanden. Die Lage an den Flüssen entspannte sich weiter. Nur noch an drei Messstellen der Saale - in Kaulsdorf, R othenstein und Camburg-Stöben - galt die höchste Alarmstufe 3. Mit dem Rückgang des Wassers werden die Zerstörungen immer mehr sichtbar.
In Bayern zieht sich das Hochwasser langsam aber sicher zurück und die Pegelstände fallen. Wie der Hochwassernachrichtendienst (HND) meldete, registrierten noch 41 von 239 bayerischen Pegeln Hochwasser. Vor allem auf der Donau von Straubing bis Passau bleibt es bei der höchsten Meldestufe 4.
In Deggendorf ist die Lage weiterhin kritisch. Das Wasser stand am Freitagmorgen weiterhin hoch und durchweichte Dämme drohten zu brechen. Passau meldete leicht zurückgehendes Wasser. Allerdings steigt dem Deutschen Wetterdienst zufolge am Freitagnachmittag die Neigung zu Schauern und Gewittern. Pegelstände könnten darum wieder leicht steigen.
Die Hochwasser-Katastrophe führt auch zu Behinderungen im Fernbahnverkehr. Wegen Gleissperrungen im Bereich Wittenberg werden die Züge zwischen Berlin und Leipzig über Dessau umgeleitet und sind eine Stunde länger unterwegs, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Auch die Fahrzeiten auf der Strecke Magdeburg-Leipzig und in der Gegenrichtung verlängern sich. Die Bahn hat eine kostenlose Hotline zu den Auswirkungen des Hochwassers auf den Bahnverkehr eingerichtet.
Nach Angaben von Naturschützern sind durch das Hochwasser schon zahlreiche Wildtiere umgekommen. Die Fluten hätten vielfach frisch geborene Rehkitze mit sich gerissen, sagte die Vorsitzende des Vereins Rehkitzhilfe, Carla Winhausen,. Es sei aber auch gelungen, schon mehr als 200 Rehe zu retten. Die meisten seien Jungtiere gewesen. Nach Angaben des Deutschen Jagdschutzverbandes laufen auch massenhaft unterirdische Baue von Feldhasen und Kaninchen voll Wasser. Stark betroffen sind laut dem Verband außerdem Vögel, die auf Wiesen brüten. Eier werden vernichtet, Jungvögel sterben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte den Menschen in den Flutgebieten erneut Unterstützung zu. "Ich glaube, dass man sich darauf verlassen kann, dass das Menschenmögliche getan wird", sagte sie bei einem Besuch in der Chemiestadt Bitterfeld. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte im ZDF, die von der Kanzlerin angekündigte Unterstützung in Höhe von 100 Millionen Euro werde "sicher nicht das letzte Wort sein".
Quelle: ntv.de, dsi/dpa/AFP