Vulkan auf Island spuckt weiter Asche Obama reist vorzeitig ab
23.05.2011, 20:48 Uhr
Atmosphärisches Großereignis: Die Säule aus Dampf, Gasen und Asche reicht weit über die Wolken.
(Foto: dpa)
US-Präsident Obama und seine Frau Michelle sind die ersten prominenten Opfer der neuen Aschewolke aus Island. Der Präsident muss seinen Besuch in Irland vorzeitig abbrechen. Statt in Dublin zu übernachten, entschließt er sich, schon am Abend nach London zu fliegen. Der Vulkanausbruch weckt unter Reisenden, Analysten und Luftfahrtexperten Erinnerungen an das Vulkanasche-Chaos vor einem Jahr.

Ein Großteil der Asche geht über Island nieder: Die Insel ist derzeit nur noch per Schiff erreichbar.
(Foto: Reuters)
Ein Jahr nach dem Flugchaos in Europa wegen der isländischen Aschewolke sind Behörden und Fluggesellschaften wegen eines neuerlichen Vulkanausbruchs auf der Insel in Alarmbereitschaft. Die Vulkanasche könnte nach Auskunft der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol am Dienstag Schottland und Donnerstag auch den Luftraum über Westfrankreich und Nordspanien erreichen.
Wegen möglicher Beeinträchtigungen des Flugverkehrs verkürzte auch US-Präsident Barack Obama seinen Besuch in Irland. Der Präsident flog noch am Abend nach Großbritannien.
Die Auswirkungen sollen insgesamt aber weniger dramatisch sein als im Frühjahr 2010. Auch für Deutschland besteht Verkehrsminister Peter Ramsauer zufolge vorerst keine Gefahr. Dennoch müsse man gerüstet und vorbereitet sein, erklärte der CSU-Politiker und legte vorsorglich Asche-Grenzwerte für eine mögliche Sperrung des Flugverkehrs fest. Gerät Vulkanasche in Flugzeugtriebwerke, können diese beschädigt werden und gar ausfallen.
Die EU-Kommission erklärte, Prognosen über die weitere Entwicklung seien nicht möglich, da sich die Wetterlage gerade ändere. Auch sei die Asche bisher anderer Art als die 2010.
Ramsauer sagte in Berlin, er habe Flugverbote ab einer Konzentration von mehr als zwei Milligramm Aschepartikeln pro Kubikmeter Luft verhängt. Werde dieser Wert überschritten, dürften Düsenflugzeuge nicht mehr fliegen. Bei einem Wert unter 0,2 Milligramm dürfe frei geflogen werden, bei 0,2 bis zwei Milligramm gebe es Auflagen. Mit einer dramatischen Lage sei in den kommenden Tagen nicht zu rechnen. Gleichwohl sei Sicherheit das oberste Gebot.
Schwerster Ausbruch des Grimsvötn seit 1873
Die EU-Staaten hatten als Lehre aus dem Durcheinander nach dem Vulkanausbruch 2010 eine engere Koordination der nationalen Flugaufsichtsbehörden vereinbart. Die nationalen Aufseher waren damals unterschiedlich vorgegangen. Die EU-Länder definierten damals zwar verschiedene Gefahrenzonen, konnten sich aber nicht auf allgemeingültige Grenzwerte einigen. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sagte, die Zusammenarbeit sei inzwischen besser. Die Behörden bekämen mehr Informationen und Hilfestellung für ihre Entscheidungen. Am Montagmorgen traf sich zum ersten Mal die neugeschaffene Koordinationsgruppe für Luftfahrtkrisen.
Der Vulkan Grimsvötn hatte am Wochenende eine riesige Wolke mit Rauch und Asche 20 Kilometer hoch in den nordischen Himmel gespuckt. Dies war sein erster Ausbruch seit 2004 und der heftigste seit 1873. Der Vulkan ist der aktivste in Island und liegt unter dem größten Gletscher Europas, dem Vatnajökull. Der aktuelle Ausbruch ist Experten zufolge stärker als vor sieben Jahren, und die Behörden legten eine Flugverbotszone im Umkreis von mehr als 220 Kilometern fest.
Grimsvötn-Asche fliegt anders
"Das ist tatsächlich von Vulkan zu Vulkan unterschiedlich, welche Art von Material da ausgeworfen wird", bestätigte Luftfahrtexperte Großbongardt bei n-tv. "Im letzten Jahr waren die Partikel, wie man auch inzwischen durch Forschungsergebnisse weiß, besonders scharfkantig und besonders klein. Dadurch haben sie sich auch lange in der Luft gehalten. Diesmal sind sie offenbar größer, das heißt, sie sinken schneller ab", fasste Großbongardt die Erkenntnisse der Wissenschaftler zusammen.
Auch die meteorologischen Verhältnisse seien diesmal aus der Sicht der europäischen Luftfahrt günstiger. "Wir haben den Vorteil, dass der Wind nicht wie im vergangenen Jahr nach Süden bläst, sondern in der Höhe tendenziell eher nach Norden, so dass wir hier in Europa - zurzeit jedenfalls - nichts davon abbekommen."

Der Weg der Wolke in der Vorhersage: Meterologen der Vulkanasche-Beratungstelle VAAC berechnen einen möglichen Ausbreitungsweg der Grimsvötn-Wolke.
(Foto: Volcanic Ash Advisory Centre, www.metoffice.gov.uk)
Die Behörden in weiteren Staaten beobachten den Verlauf der Eruption und die Ausbreitung der Aschewolke sehr aufmerksam. Ein Chaos im Luftverkehr wie im vergangenen Jahr gilt derzeit als unwahrscheinlich. "Man weiß, welchen Luftraum man vorsichtshalber absperren muss", sagte Großbongardt bei n-tv. Die Behörden würden den Vulkanausbruch weiter beobachten und "so lange den Luftverkehr dann halt 200 Kilometer um Island herum umleiten". Ansonsten setzten die mit der Aschewolke befassten Wissenschaftler ihre Forschungsarbeiten, die sie im letzten Jahr begonnen haben, weiter fort. Im Zentrum des Interesses stehen dabei Fragen zur Ausbreitung der Aschewolke und ihre Auswirkungen auf Flugzeugtriebwerke.
Airlines geben nach
Im Frühjahr 2010 waren große Teile des europäischen Luftraums nach einem Vulkanausbruch in Island für sechs Tage gesperrt. 100.000 Flüge fielen aus, zehn Millionen Reisende strandeten, die Airlines verloren 1,7 Milliarden Dollar Umsatz. Entsprechend nervös reagierten die Anleger am Montag: Aktien der Air Berlin verloren 1,8 Prozent, Lufthansa3,5 und Air France 4,1 Prozent. Ein Sprecher der Lufthansa sagte, es gebe derzeit keine Beeinträchtigung des Flugplans. Die Situation werde beobachtet. "Kurzfristig erwarten wir keine Verschärfung, alles andere ist Spekulation."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/DJ/rts