Trinkwasser, Essen, Medikamente Pakistan braucht Soforthilfe
15.08.2010, 17:53 Uhr
Pakistan ist in einer verzweifelten Lage.
(Foto: REUTERS)
Von einer der schwersten Naturkatastrophen in der Geschichte des Landes sind 20 Millionen Menschen in einem Gebiet betroffen, das so groß ist wie Italien. Sechs Millionen Menschen benötigen Soforthilfe. Erst ein Viertel der Ersthilfe ist bisher angekommen. Spenden für Pakistan fließen nur zögerlich, auch in Deutschland.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert von der internationalen Gemeinschaft, die Hilfe für die Millionen Flutopfer in Pakistan zu beschleunigen. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist bislang erst ein Viertel der für den ersten Hilfseinsatz benötigten 459 Millionen Dollar angekommen. Der erste Fall von Cholera im Nordwesten Pakistans und mehrere Verdachtsfälle schürten Sorgen vor einer Ausbreitung der Krankheit.
Deutschland stockte seine Unterstützung um fünf auf 15 Millionen Euro auf. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel rief zu höheren privaten Spenden auf.
Spendenbereitschaft "gedämpft"
Die zögerliche Spendenbereitschaft der Deutschen für die Flutopfer in Pakistan liegt nach Experteneinschätzung auch an der Urlaubszeit. "Das ist ein profanes, aber sehr ausschlaggebendes Element", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, Burkhard Wilke dem Radiosender NDR-Info.
Zu dem Vergleich mit der schweren Erdbebenkatastrophe zu Beginn des Jahres auf Haiti meinte Wilke: "Für die Erdbebenopfer in Haiti wurden insgesamt knapp 200 Millionen Euro gespendet, allein in Deutschland. Für Pakistan haben wir bisher in Deutschland grob geschätzt ein bis zwei Millionen Euro Spenden verzeichnen können." Das Zentralinstitut für soziale Fragen gibt Auskunft über die Arbeit und Seriosität gemeinnütziger Spendenorganisationen.
Die Berichterstattung über die Flut in Pakistan sei bei weitem nicht so dramatisch wie bei vergleichbaren Katastrophen. "Die Spendenbereitschaft hängt entscheidend davon ab, was für Nachrichten, aber auch was für Bilder transportiert werden." Als weiteren Grund nannte Wilke die schwierige politische Situation in dem Land: Wenn sich Katastrophen in Krisengebieten abspielten, "wo Gut und Böse nicht zu trennen sind", dämpfe das die Spendenbereitschaft.
UNICEF will flächendeckend impfen
Unterdessen hat auch das UN-Kinderhilfswerk seine Hilfslieferungen ausgebaut. UNICEF hat nach eigenen Angaben weitere 100 Tonnen Medikamente, Hygieneartikel und Zusatznahrung für Kinder in das Land geflogen. Wie UNICEF Deutschland in Köln mitteilte, sollen in der Region Punjab in den kommenden Tagen flächendeckend vor allem Kinder gegen Masern und Polio sowie schwangere Frauen gegen Tetanus geimpft werden. Weiterhin habe die Organisation Medikamente gegen Durchfallerkrankungen für mehrere Millionen Flutopfer im Süden des Landes bereitgestellt und versorge derzeit mehr als eine Million Menschen mit Trinkwasser. Zusätzliche Hilfsflüge sollen in den nächsten Tagen starten.
Ban im Katastrophengebiet
UN-Generalsekretär Ban verschaffte sich in den Überschwemmungsgebieten selbst einen Eindruck vom Ausmaß der Katastrophe. Bislang haben die Fluten bis zu 1600 Menschen das Leben gekostet, zwei Millionen wurden obdachlos. Den UN zufolge warten rund sechs Millionen Menschen dringend auf Nahrung, Wasser, Medizin und ein Dach über dem Kopf. Die seit rund zwei Wochen anhaltenden Überschwemmungen sind eine der schwersten Naturkatastrophen in der Geschichte Pakistans. Ganze Dörfer sind verschwunden und Brücken zusammengebrochen. Mehr als jeder zehnte der 170 Millionen Einwohner ist betroffen.
Ban traf den pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari und Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani. Gilani äußerte die Befürchtung, dass es zu weiteren Regenfällen und Überschwemmungen kommen könnte.
Hilfslieferungen brauchen zu lange
Die Fluten haben ein Gebiet von der Größe Italiens getroffen. Daher braucht die Hilfe von Regierung und Hilfsorganisationen zum Unmut der Bevölkerung lange, bis sie ihr Ziel erreicht. So transportierten wegen des Mangels an Hubschraubern Maulesel Mehl, Speiseöl und Reis zu rund 150.000 Bedürftigen im Swat-Tal im Nordwesten. Einige Flutopfer betteln oder plündern, um das Notwendigste zusammenzubekommen. Die Vereinten Nationen warnten vor weiteren Toten unter den Kranken und Bedürftigen, sollte die Hilfe nicht schnell ankommen. Die Fluten haben auch Zehntausende afghanische Flüchtlinge getroffen, die bereits seit Jahrzehnten in Pakistan leben. Einige überlegen, in die vom Krieg gezeichnete Heimat zurückzukehren.
Die Opfer der Fluten schlafen teilweise in notdürftigen Zelten, was die Ausbreitung von Krankheiten begünstigen könnte. Der Koordinator der US-Katastrophenhilfe für Pakistan, Mark Ward, zeigte sich aber zuversichtlich, eine Ausbreitung der Cholera verhindern zu können. Die gute Nachricht sei, dass man wisse, wo der kürzlich bestätigte Cholera-Fall aufgetreten sei. Jetzt könne dort gezielt geholfen werden. Um weitere Erkrankungen zu vermeiden, sei es wichtig, Betroffene rasch in Kliniken zu bringen.
Zardari: "Allah will uns testen"
Die pakistanische Regierung rief die Bevölkerung zum Durchhalten auf. Präsident Zardari versprach vor Flutopfer in einem Hilfscamp Abhilfe. "Unsere Religion verbietet Mutlosigkeit. Allah will uns testen." Die Regierung werde versuchen, alle Wünsche zu erfüllen. Trotz der Katastrophe hatte er eine Auslandsreise fortgesetzt und war nicht sofort in die Heimat zurückgekehrt, was ihm harsche Kritik einbrachte. Ministerpräsident Gilani verglich in einer Ansprache zum Nationalfeiertag am Samstag die Lage des Landes mit der bei der Unabhängigkeit 1947. Bei der Aufspaltung des überwiegend muslimischen Pakistans und des hinduistischen Indiens wurden Tausende Familien auseinandergerissen, mindestens zehn Millionen Menschen waren damals auf der Flucht.
Aktion Deutschland hilft
Stichwort: Flut Pakistan
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Quelle: ntv.de, rts/AFP/dpa