Erfolgreicher Test macht Hoffnung Riesige Ölschwaden unter Wasser
16.05.2010, 21:19 Uhr
Nur an der Oberfläche ist das Öl bislang sichtbar gewesen.
(Foto: AP)
Eine neue Gefahr droht: Im Golf von Mexiko werden unter Wasser bis zu 16 Kilometer lange Ölschwaden entdeckt. "Das ist alarmierend", sagen Biologen. Die Chemikalien könnten das Öl dorthin getrieben haben. Derweil vermeldet BP einen ersten Erfolg beim Absaugen des Öls.
Im Golf von Mexiko ist ein neuer Versuch zur Eindämmung der Ölpest vorerst fehlgeschlagen. Experten gelang es aber für kurze Zeit, ein Absaugrohr in die defekte Steigleitung einzuführen und Öl abzupumpen. Dann habe sich das Absaugrohr erneut verschoben und die Operation musste abgebrochen werden. "Das ist zwar enttäuschend, aber angesichts der äußerst schwierigen Bedingungen nicht unerwartet", teilte das Unternehmen BP mit. Der britische Ölkonzern bezeichnete den Versuch dennoch als "erfolgreichen Test". Die Techniker hätten das System vollständig geprüft und das Rohr wieder eingeführt. Zwar sei das ausströmende Öl nicht vollständig abgesaugt worden. Das System sei aber dennoch ein wichtiger Schritt, um die Menge des ins Meer strömenden Öls zu reduzieren.
Beobachter sprechen von einem ersten Hoffnungsschimmer: Erstmals seit dem Unfall der Bohrinsel "Deepwater Horizon" vor fast vier Wochen endete eine Operation nicht mit einem völligen Fehlschlag. "Es handelt sich zwar nicht um einen Durchbruch, aber um einen ersten Fortschritt", meinte der TV-Sender CNN. Die öffentliche Entrüstung über die mangelnden Fortschritte der BP-Bemühungen nimmt deutlich zu. Zugleich schürte Konzernchef Tony Hayward neuen Ärger, weil er in einem Interview das Ausmaß der Katastrophe herunterzuspielen schien.
Erschreckend Entdeckung
Zudem gibt es neue Negativ-Nachrichten: US-Wissenschaftler entdeckten riesige Unterwasser-Ölschwaden. Diese seien bis zu 16 Kilometer lang, sechs Kilometer breit und hätten eine Höhe von rund 100 Meter. "Im Vergleich zu dem, was wir an der Wasseroberfläche sehen, gibt es eine erschreckenden Menge an Öl in der Tiefe", sagt die Meeresforscherin Samantha Joye von der University of Georgia. Laien wie Experten hatten sich immer wieder gefragt, warum der Ölteppich an der Meeresoberfläche nicht viel dicker ist.
Der Sauerstoffgehalt in der Nähe der Ölschwaden liege bereits rund 30 Prozent unter den Normalwerten, dies könnte sich zu einer echten Gefahr für Meerestiere auswachsen. "Dies ist alarmierend", sagte die Forscherin der "New York Times". Ursache könnte der Einsatz jener Chemikalien sein, die das Öl bereits unter Wasser zersetzen sollen.
Umstrittene Chemikalien
Dabei hatte der britische Ölkonzern BP erst kurz zuvor Erfolg mit dem Einsatz der Chemikalien gemeldet: Das Mittel zersetze das Öl, damit es natürlich im Meer abgebaut werden könne. Die US-Umweltbehörde hatte den Unterwasser-Einsatz der Mittel erst kürzlich zugelassen - entgegen Bedenken von Umweltschützern.
Die Methode, mit der die BP-Experten das austretende Öl auffangen wollen, gilt als extrem schwierig. "Die Prozedur ist noch niemals zuvor in einer solchen Tiefe versucht worden...", hieß es. Um in der eisigen Kälte der Tiefe Kristallbildung zu verhindern, müsse Methanol in das Absaugrohr geleitet werden. Zugleich warnen die Experten vor allzu hohen Erwartungen: Die Methode könne nicht das gesamte austretende Öl aufsaugen. "Diese Methode ist aber ein wichtiger Schritt, die Menge des austretenden Öls zu verringern."
Im Golf von Mexiko fließen seit der Explosion auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" am 20. April Unmengen von Öl ins Meer. Der US-Golfküste droht infolgedessen eine Umweltkatastrophe. BP war bereits mit mehreren Versuchen gescheitert, das in 1,6 Kilometern Tiefe austretende Öl zu stoppen. So schlug das Absenken einer Stahlglocke über dem schadhaften Bohrloch vergangene Woche fehl.
Obama macht Druck
Der Ölteppich sei in Relation zur Größe des Golf von Mexiko relativ winzig, sagte BP-Chef Hayward der britischen Zeitung "The Guardian". Man dürfe die Verhältnisse nicht aus den Augen verlieren. "Ich glaube, der spinnt", sagte Kenneth Theriot, Krabbenfischer im Bundesstaat Louisiana, und sprach damit vielen Menschen an der bedrohten US-Südküste aus der Seele. Ihm sei es egal, wie groß der Golf sei, betonte der 56-Jährige. Das gesamte Öl lande schließlich an seiner Küste.
Auch Präsident Barack Obama verliert allmählich die Geduld. In ungewöhnlich scharfer Form griff er die Ölindustrie wegen ihrer gegenseitigen Schuldzuweisungen an. "Was jetzt wirklich zählt: Hier fließt Öl ins Meer. Und das müssen wir so schnell wie möglich stoppen", sagte Obama am Freitag. Er versprach, die Ölkonzerne künftig schärfer zu kontrollieren. Es habe viel zu lange ein "behagliches Verhältnis" zwischen staatlicher Aufsicht und Ölindustrie gegeben.
Insider in Washington meinen, Obama müsse nun Kritik aus den eigenen Reihen fürchten. Manche Demokraten lehnen Off-Shore-Bohrungen ab. Dies könne vor den Kongresswahlen im Herbst zu einem Risiko werden. Bisher hätten die Demokraten direkte Angriffe auf ihren Präsidenten vermieden, meinte die "New York Times". Allzu starke Kritik an den Ölkonzernen wiederum könnte andere Industriezweige verschrecken - die ihre Wahlspenden dann eher den Republikanern zukommen lassen. Die Wahlen im November sind entscheidend, es geht um die Parlamentsmehrheit des Präsidenten.
Quelle: ntv.de, tis/AFP/rts/dpa