Rekordkälte in Russland Schützende Mützen
18.01.2008, 18:38 UhrRusslands Osten zittert: Minus 20 Grad in Wladiwostok, minus 38 Grad am Baikalsee, sogar minus 46 Grad in Jakutsk zeigen die Thermometer in diesen Tagen. Doch bedarf es nicht erst klirrender Kälte, dass die Menschen beiderseits des Ural ihre mächtigen Pelzmützen und dichten Wollkappen aus dem Schrank holen. Schon ab den ersten kühlen Tagen des Winters gilt eine Kopfbedeckung als Muss. Schließlich lernen russische Kinder bereits früh, dass der Körper rund zwei Drittel seiner Wärmeenergie über Gesicht und Hals verliert. Ausländern ohne Hut oder Kapuze wird daher mit Unverständnis begegnet: Nehmen die den Winter nicht ernst?
Doch auch unter der russischen Bevölkerung nimmt der Leichtsinn zu, berichtet die Zeitung "The Moscow Times". Ärzte beklagen zunehmend Mittelohrentzündungen bei Jugendlichen, die sich ihre schicken Frisuren nicht mit einer Mütze zerstören wollen. Die Folge: Der Körper verliert Wärme, die Abwehrkräfte werden geschwächt. "Im russischen Winter sind Kopfbedeckungen allerdings keine Geschmackssache mehr, sondern notwendig", ärgert sich der Moskauer Rentner Igor. Weite Wollmützen werden in Russland immer beliebter, der Klassiker aber bleibt die Pelzmütze.
Überwältigende Vielfalt
Ob Kopftuch, Baseballcap oder Skimütze, ob Pelz, Wolle oder Filz: Die Vielfalt auf russischen Köpfen ist überwältigend. Und längst geht es über das bloße Warmhalten hinaus. So feiert der Moskauer Modedesigner Denis Simachev international Erfolge, indem er feine Stoffe mit Symbolen seiner Heimat bedruckt. Für seine Kollektion 2007/08 verwendet der Mittdreißiger Hammer und Sichel sowie kyrillische Buchstaben. Zudem setzt er Models auf dem Laufsteg ein unübersehbares Accessoire auf: eine Pelzmütze. Populärster Träger des Kopfwärmers in Deutschland dürfte der in Berlin geborene Künstler Ivan Rebroff sein. Der Sänger ("Kalinka") betonte schon vor Jahren: "Ohne Pelzmütze betrete ich keine Bühne."
Die Bekleidung mit Ohrenklappen, "Uschanka" oder "Schapka" genannt, ist vor allem in diesen Kältetagen ein echter Hingucker im russischen Winterpanorama. Und das nicht nur auf Köpfen: In Moskau etwa hängen in Geschäften und an Straßenständen die Mützen aus Bären, Fuchs- oder Zobelfell in dichten Trauben, und manche Schapka leuchtet keck gefärbt in rot oder blau statt in naturbraun. Für Tierschützer hat Moskaus Modeindustrie längst elegante Kreationen aus Kunstpelz entworfen. Und auch außerhalb Russlands wird die Pelzmütze immer beliebter. Manchen Fernsehzuschauer in Deutschland wird sie vielleicht an Klassiker wie "Anna Karenina" mit Greta Garbo erinnern.
Längst haben aber auch umgekehrt deutsche Hut- und Mützenhersteller den russischen Markt entdeckt. Eine von ihnen ist R & M Wegener. "Derzeit machen wir in Russland 400.000 Euro Umsatz im Jahr. Angesichts der dort niedrigen Temperaturen könnte das deutlich mehr werden", erzählt Chef Hans Theodor Wegener. Das Unternehmen aus Lauterbach (Hessen) ist seit 1990 in Russland tätig. "Hier braucht man Geduld", unterstreicht der 58-Jährige. "Westliche Hast ist nicht sehr willkommen." Die Pelzmütze ist vielen in Russland übrigens nicht nur lieb, sondern auch teuer: Ein gutes Exemplar kostet bis zu 8000 Rubel (rund 225 Euro).
Von Wolfgang Jung, dpa
Quelle: ntv.de