Flucht des "Porno-Killers" ist zu Ende "Seine Haare rochen nicht gut"
05.06.2012, 11:38 Uhr
		                      Der Moment, in dem Ladenbesitzer Anlayisli begreift, mit einem mutmaßlichen Mörder in einem Raum zu sein.
(Foto: AP)
Tagelang hält der "Porno-Killer" Kanada, Frankreich und Deutschland in Atem. Von Montreal aus reist der Mann, der vor laufender Kamera seinen Ex-Lover abgemetzelt haben soll, über Paris nach Berlin. Dort endet seine Flucht. Doch schon unterwegs fällt er vielen auf. Augenzeugen zeichnen das Bild eines Mannes, der nicht wie ein kaltblütiger Killer erscheint.
Der junge Mann fällt sofort auf. Auf einem Langstreckenflug von Kanada nach Paris gelingt es dem 29-Jährigen nicht, sich unauffällig zu verhalten. Mehrere Passagiere hegen in den sechs Stunden, die die Reise dauert, Argwohn gegenüber dem dunkelhaarigen Schlacks. Auch wenn niemand etwas unternimmt: Der Instinkt der Mitreisenden trügt sie nicht. Der Mann heißt Luka Rocco Magnotta. In den Medien ist er in den vergangenen Tagen bekannt geworden als der "Porno-Killer".
Erst gestern endet die tagelange Odyssee des kanadischen Ex-Pornodarstellers in Berlin. Von Montreal aus ist Magnotta, der als Eric Clinton Newman in Ontario geboren wird, am 26. Mai nach Paris gekommen, per Linienbus erreicht er Berlin und versucht, in der pulsierenden Metropole unterzutauchen. Das gelingt nur wenige Tage. In einem Internetcafé in der Karl-Marx-Straße im Bezirk Neukölln greifen Beamte zu und setzen ihn fest. "OK, you got me", sind seine letzten Worte, ehe die Handschellen klicken. Magnotta sitzt jetzt in einer Zelle des Landeskriminalamts. Kanada bemüht sich um seine Auslieferung.
Mitreisende befürchten Bombe
Doch was ist geschehen? Warum fahndet Interpol nach dem Mann, der schüchtern den Besitzer des Internetcafés mit französischem Akzent anspricht? Ihm wird vorgeworfen, ein grausamer Mörder zu sein. Ein Internetvideo soll zeigen, wie er einen chinesischen Studenten, seinen ehemaligen Liebhaber, umbringt und zerstückelt. Einzelne Körperteile verspeist er, andere verschickt er in Paketen. Die Zentrale der kanadischen Konservativen, der Partei von Regierungschef Stephen Harper, erhält die gruselige Post, auch die Liberalen sind Empfänger eines solchen Päckchens.
Als Magnotta erfährt, dass nach ihm gesucht wird, besteigt er das Flugzeug der Air Transat. Ziel: Frankreichs Hauptstadt Paris. "Ich habe gedacht, dass er eine Bombe auf dem Klo versteckt", sagt ein Mann, der in Maschine neben ihm sitzt, dem Radiosender Europe 1. Magnotta sei unruhig gewesen und dann vorübergehend verschwunden. Die Stewardess kann den beunruhigten Mitreisenden beschwichtigen. Später sieht der Mann, dass Magnotta weint, als er von der Toilette zurückkehrt. Schon zuvor ist Magnotta als unliebsamer Sitznachbar aufgefallen. "Er war etwas schmutzig, die Haare rochen nicht gut", sagt der Franzose über den mutmaßlichen Killer.
Erste Streife fährt einfach weiter
Ein zweiter Passagier sagt, ebenfalls bei Europe 1, als er erfahren habe, wer da mit ihm in einem Flugzeug gesessen habe, sei er entsetzt gewesen. Schließlich sei der ja dann in Paris gewesen, seinem Wohnort. Der mutmaßliche Mörder hätte leicht seine Adresse auf dem Handgepäck ausfindig machen können. "Ich hätte das nächste Opfer sein können."
Diese Sorge besteht jetzt nicht mehr. Zwischenzeitlich wird Magnotta zwar in der französischen Hauptstadt noch einmal gesichtet. Doch seine Flucht endete nun in Berlin-Neukölln. Der aufmerksame Besitzer des Internetcafés erkennt Magnotta wieder. Seit Tagen beherrscht der "Porno-Killer" schließlich die Schlagzeilen der Boulevardpresse. Der Berliner "B.Z." sagt der 42-jährige Kadir Anlayisli: "Er trug zwar eine Sonnenbrille, aber ich war mir sicher, dass er der gesuchte Mann war." Eine Überwachungskamera filmt Magnotta, wie er den Laden betritt.
Anlayisli handelt umsichtig. Er telefoniert nicht von seinem Geschäft aus mit der Polizei, weil er fürchtet, der gewarnte Mörder könnte flüchten. Stattdessen versucht er auf der belebten Karl-Marx-Straße, einer der Hauptverkehrsadern Neuköllns, eine Streife zu stoppen. Das erste Polizeiauto fuhr einfach weiter. Beim zweiten Anlauf klappt es. Ein Mannschaftsbus voller Polizeianwärter hält an, sie hören Anlayisli an, und begleiten ihn zurück in sein Internetcafé. Magnotta weiß sofort, was die Stunde geschlagen hat. "OK, you got me". Die Handschellen klicken.
Quelle: ntv.de, tes/AFP