Alkohol, Drogen, Schizophrenie Taten von Jan G. setzen Justiz unter Druck
02.03.2017, 16:16 Uhr
		                      Brandenburg trauert um die beiden Beamten und die 79-Jährige, die in diesem Haus getötet wurde.
(Foto: dpa)
Der Tod dreier Menschen hätte wohl verhindert werden können. Denn obwohl die Staatsanwaltschaft Jan G. als tickende Bombe einstufte, landete der 24-Jährige nicht in der Psychiatrie - auch nicht, nachdem er gegen seine Bewährungsauflagen verstieß.
Jan G. tötet seine Großmutter – ausgerechnet an ihrem 79. Geburtstag. Auf der Flucht rast der 24-Jährige mit Tempo 150 auf den breiten Radwegen der Straße und überrollt zwei Polizisten. Die beiden Familienväter sind sofort tot.
Zwei Tage nach der Bluttat müssen sich die Brandenburger Justizbehörden schwere Versäumnisse vorwerfen lassen - denn eigentlich hätte sich der junge Mann längst in der Psychiatrie befinden müssen. Doch ein Richter entschied: G. darf nach Hause. Eine tödliche Entscheidung, wie sich wenige Monate später herausstellen wird.
Dabei war G. bei den Behörden schon längere Zeit kein Unbekannter. Er galt als Gewalttäter und Drogenkonsument. Sechs Eintragungen finden sich im Bundeszentralregister, mehrfach stand der 24-Jährige vor Gericht. Seine kriminelle Karriere reichte über Drogendelikte, Diebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis bis zu Raub und versuchter Nötigung. Von Februar 2013 bis Juli 2014 saß G. wegen gefährlicher Körperverletzung und Drogenbesitzes im Gefängnis, weil er trotz Bewährung erneut straffällig wurde.
Tickende Zeitbombe
Zuletzt musste er sich im vergangenen November 2016 vor dem Landgericht Frankfurt/Oder wegen mehrerer Straftaten verantworten. Der Staatsanwaltschaft wollte gegen den 24-Jährigen eine Maßregel verhängen lassen. Doch ein Gutachter befand, dass G., der wegen einer schweren psychischen Erkrankung (undifferenzierte Schizophrenie) nicht schuldfähig war, auch in Freiheit behandelt werden könnte.
Obwohl die Staatsanwaltschaft G. als tickende Zeitbombe einstufte, wurde seine Unterbringung in einer Psychiatrie auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt - unter mehreren Bedingungen: weder Drogen noch Alkohol zu konsumieren. Er sollte sich regelmäßig Drogentests unterziehen und eine ambulante Therapie besuchen.
Selbst als G. nach seinem Freispruch im November wiederholt ohne Führerschein Auto fuhr und Drogen nahm, schritt das Landgericht nicht ein. G. kam nicht in die Psychiatrie und blieb auf freiem Fuß.
Warum griffen die Behörden nicht ein?
Die Befürchtungen der Staatsanwaltschaft haben sich bitter bestätigt. In Freiheit tötete G. drei Menschen. Die Taten hat er bei seiner Vernehmung bereits gestanden. Als Motiv für den Mord an seiner Großmutter nannte G. einen Streit. Er habe Geld von der alten Dame gefordert, "was sie ihm jedoch verwehrt habe", sagte Staatsanwältin Ricarda Böhme. Die Frau sei in ihrem Wohnort in Müllrose verblutet, nachdem der Enkel ihr einen Schnitt am Hals zugefügt hatte. Danach gestand G. auch, die beiden Polizisten an einer Kontrollstelle im Beeskower Ortsteil Oegeln überfahren zu haben. Er habe Angst gehabt, selbst erschossen zu werden, so Böhme.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, was nach dem Urteil vom November 2016 schiefgelaufen sein könnte. Vor allem die Frage, warum die staatlichen Institutionen nicht eingegriffen, obwohl G. wiederholt gegen seine Bewährungsauflagen verstieß, steht im Raum.
"Die Feststellung zur Schuldunfähigkeit kann für seine jetzigen Taten nicht übernommen werden. Wir müssen wissen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, ob er nicht möglicherweise teilschuldfähig war", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), Ingo Kechichian. G. sei in die forensische Klinik nach Brandenburg/Havel gebracht worden.
Quelle: ntv.de, dsi