Panorama

Mehr System als Einzelfall Team Wallraff zeigt: Bei Burger King bleibt es eklig

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Zum vierten Mal ist "Team Wallraff" in unterschiedlichen Burger-King-Filialen undercover unterwegs, zum vierten Mal dokumentieren die Reporter bei verschiedenen Franchisepartnern alte, aber auch neue gravierende Missstände: abgelaufene Burger, zu lange Arbeitszeiten und die skrupellose Ausnutzung von Notlagen der Mitarbeitenden.

Seit zehn Jahren recherchieren Günter Wallraff und sein Team immer wieder zu Missständen beim Fast-Food-Konzern Burger King. Seitdem waren die Reporterinnen und Reporter in über 20 Filialen undercover und stießen dabei immer wieder auf schockierende Hygiene- und Qualitätsmängel. Erst im September 2022 dokumentierte "Team Wallraff" in vier Filialen, wie unter anderem bei den Haltezeiten von Lebensmitteln und der Zubereitung vegetarischer Burger getäuscht wurde.

Burger King selbst rechtfertigte die Vorwürfe als Einzelfälle, kündigte eine systematische Überprüfung aller deutschen Filialen an und versprach Besserung. Doch wie ist die Lage heute? Zahlreiche Kundenbeschwerden im Internet und Hinweise von Informanten und Informantinnen lösen erneut Recherchen bei dem Fast-Food-Riesen und seinen Franchisepartnern aus - mit einem ernüchternden Ergebnis: Auch heute noch werden die Haltezeiten von Lebensmitteln gefälscht, vegetarische Burger-Patties mit tierischen verwechselt und die Lebensmittelsicherheit vielfach missachtet. RTL zeigt die neue Folge "Team Wallraff - Jetzt erst recht! Undercover bei Burger King - Das fragwürdige System des Fast-Food-Giganten" heute um 20:15 Uhr und nach der Sendung bei RTL+.

Keine Sicherheit für Veganer und Vegetarier

Ein Reporter, der schon an früheren Sendungen beteiligt war, geht darin als Aushilfe in eine Berliner Filiale des Franchisenehmers "Schlossburger". Im September 2022 konnte das Team in einem Münchner Restaurant des Betreibers beobachten, wie aufgrund von ungekennzeichneten Behältern vegane Burger mit Fleisch-Patties belegt wurden. Daraufhin wurde Burger King das sogenannte "V-Label" entzogen. Um derartige Verwechslungen künftig zu vermeiden, führte das Fast-Food-Unternehmen unter anderem ein Farb-System ein: Aufbewahrungsbehälter von "plant based" Produkten sind nun grün gekennzeichnet.

Trotzdem kann der Undercover-Reporter mehrfach beobachten, wie vegetarische Patties im Fleisch-Behälter liegen, voll tierischem Sud. Obwohl er seine Kolleginnen und Kollegen auf den Fehler aufmerksam macht, werden diese später als "plant based"-Burger verkauft. Die "Schlossburger GmbH" nimmt zu diesem Vorwurf wie folgt Stellung: "Das in Ihren Fragen beschriebene Verhalten ist - wenn es tatsächlich so vorgekommen sein sollte - nicht zu tolerieren. Für den Umgang mit Plant-based Produkten gibt es ganz klare Vorgaben: Die Pans (Warmhaltebehälter), in denen die Produkte warmgehalten werden, sind jeweils nur mit einem Produkttyp bestückt. Fleischprodukte und Plant-based Produkte sind demnach in unterschiedlichen Pans aufzubewahren."

Erneut werden auch zahlreiche Verstöße gegen Vorgaben zur Lebensmittelsicherheit dokumentiert. In der Berliner Burger-King-Filiale werden Lebensmittel nicht wie auf den Behältern angegeben entsorgt, sondern stattdessen mit neuen Haltezeiten-Etiketten versehen. Schließlich wird der Reporter sogar von einer Kollegin dazu aufgefordert, unverkaufte Burger auszupacken, in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen und die noch "essbar" aussehenden Zutaten wiederzuverwenden. So landen zum Beispiel mit Sauce beschmierte Patties wieder im Wärmebehälter - und anschließend auf einem "neuen" Burger. Dazu äußert sich die "Schlossburger GmbH" wie folgt: "Wir verlangen von unseren Restaurant-Teams die Einhaltung der hohen Burger King Standards, die deutlich über gesetzliche Anforderungen hinausgehen. Eine Umetikettierung, Umverpackung oder eine Haltezeitverlängerung verstößt ganz klar gegen die Standards und ist nicht tolerierbar. So müssen die Haltezeiten der Lebensmittel regelmäßig überprüft und bei Überschreiten die Lebensmittel ordnungsgemäß entsorgt werden."

Systematische Rechtsverstöße?

Während der Recherchen bekommt das Team Kontakt mit einer ehemaligen Führungskraft der Burger King Deutschland GmbH, der deutschen Dachgesellschaft des US-Konzerns. Der Mann berichtet, dass er teils bis zu 300 Stunden im Monat gearbeitet habe. Seine zahlreichen Überstunden seien in einem System vermerkt und somit auch der Geschäftsführung bekannt. Wie er im Interview erklärt, arbeitet die Burger King Deutschland GmbH mit einem Personalmanagementtool, welches die Dienstpläne aller Mitarbeitenden erfasst. So ließen sich auch Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz kontrollieren.

"Team Wallraff" gelingt es über einen anderen Informanten, Einblick in das Planungssystem zu erhalten und wertet die Daten aus: Innerhalb von sieben Monaten zeigt das System der Burger King Deutschland GmbH über 70.000 Rechtsverletzungen an, darunter Verstöße gegen den Jugendschutz, den Mindestlohn sowie Ruhezeiten. Sollten die ausgewerteten Daten tatsächlich fehlerfrei sein, könnte dieses Ausmaß laut Rechtsanwalt Dr. Sven Jürgens schwere Konsequenzen für das Unternehmen haben, denn hier sei man "im Bereich des Vorsatzes. Und das führt dazu, dass es nicht nur eine Straftat wird, sondern auch noch, dass die Geschäftsführung persönlich haftet."

In einem Schreiben an RTL erklärt die Burger King Deutschland GmbH, dass sie die Vorwürfe ernst nehme und diese durch ein unabhängiges Unternehmen systematisch prüfen lasse. "Zum jetzigen Stand können wir jedoch die von Ihnen erhobenen Vorwürfe zu 'Rechtsverstößen' nicht nachvollziehen und weisen diese entschieden zurück." Das System dokumentiere zwar minutengenau die Arbeits- und Pausenzeiten der Mitarbeitenden. "Rückschlüsse auf Rechtsverletzungen sind aus den Software-Angaben jedoch nicht möglich. Die Software prüft nicht den tatsächlichen Sachverhalt, sondern speichert lediglich die von den Mitarbeitenden 'gestempelte' Zeit." Dabei könne es durchaus zu Fehlern kommen.

Notlagen ausgenutzt?

Selbst das regelmäßige Händewaschen ist nicht selbstverständlich, beobachten die Reporter.

Selbst das regelmäßige Händewaschen ist nicht selbstverständlich, beobachten die Reporter.

(Foto: RTL)

Außerdem entsteht der Verdacht, dass Burger King die unsichere Aufenthaltssituation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund ausnutzt. In einer Filiale des Franchisenehmers R.O.I. Burger King GmbH & Co. KG in Dachau sollen überwiegend junge Mitarbeitende aus Osteuropa und Nordafrika arbeiten. Einer Informantin zufolge hat das Unternehmen einige von ihnen angeblich in einem Hotel in der Nähe der Filiale eingebucht. In vertraulichen Gesprächen mit Kolleginnen erfährt die RTL-Reporterin, dass in der Filiale ein rauer Umgangston gepflegt werde. Kündigen, so wirkt es auf sie, sei aber keine Option, da sie noch keine festen Aufenthaltsgenehmigungen haben. Zudem erfährt die Reporterin, dass mindestens vier Mitarbeitende von Burger King in einem nahegelegenen Hotel einquartiert wurden.

Die Reporterin besucht eine junge Kollegin nach Schichtende auf deren etwa 15-Quadratmeter großem Zimmer. Hier wohnt diese zurzeit mit einer weiteren Frau zusammen, das dritte Bett könnte jederzeit belegt werden. Privatsphäre scheint es kaum zu geben. Die Hotelkosten zieht Burger King den Mitarbeitenden vom Gehalt ab. Bei einem Vollzeit-Bruttogehalt von etwa 1000 Euro sollen einigen Angestellten bei sechs Arbeitstagen pro Woche rund 600 Euro brutto im Monat zum Leben bleiben. Ist das zumutbar? Und wird das Abhängigkeitsverhältnis zu Burger King dadurch nicht noch größer? Die R.O.I. Burger King Dachau GmbH & Co. KG erklärt hierzu, dass man lediglich bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft unterstützen würde. "Insoweit hat meine Mandantin in der Region mit diversen Vermietern, darunter auch mit dem Hotel, Sonderkonditionen aushandeln können. Da die Miete in der Regel im Voraus an den Vermieter zu zahlen ist, gewährt meine Mandantin im Bedarfsfall, einen individuellen Lohnvorschuss für die fällige Miete. Dieser Lohnvorschuss wird anschließend im Rahmen der Lohnabrechnung berücksichtigt und mit dem Gehalt verrechnet."

Die "Team Wallraff"-Reporter und -Reporterinnen haben die Vermutung, dass viele von den erst kürzlich in Deutschland lebenden Mitarbeitenden gar nicht wissen, was ihnen rechtlich zusteht und aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse auch Verträge teils nicht richtig verstehen. So erfahren sie auch in Gesprächen mit Mitarbeitenden anderer Filialen, dass Urlaubsanträge ohne ersichtlichen Grund abgewiesen oder Krankmeldungen nicht akzeptiert wurden.

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Eine weitere ehemalige Burger-King-Mitarbeiterin erzählt von ihrem fragwürdigen Arbeitsverhältnis mit dem Franchisepartner SME Berlin GmbH & Co. KG. 2022 war sie drei Monate lang in einer Berliner Filiale als "geringfügig Beschäftigte" angestellt und durfte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als 450 Euro steuerfrei verdienen. Sie befand sich zu dieser Zeit in einer finanziellen Notlage und der Burger-King-Franchisepartner machte ihr daraufhin ein unmoralisches Angebot: Sie sollte sich jemanden suchen, der auf dem Papier ebenfalls einen 450-Euro-Job ausübe - die tatsächliche Arbeit verrichte aber sie selbst und bekäme so eine doppelte Vergütung. Ausgezahlt wurde das Gehalt bar. SME Berlin GmbH & Co. KG rechtfertigt sich zu den Vorwürfen wie folgt: "Die von Ihnen behauptete Praxis wird von uns weder betrieben, noch geduldet. Nach unserer gründlichen Überprüfung können wir ausschließen, dass Ihre Vorwürfe zutreffend sind. Insbesondere können wir ausschließen, dass eine Person in unserem Unternehmen unter verschiedenen Identitäten arbeitet oder gearbeitet hat."

Für Günter Wallraff ist die Sache nach den erneuten Recherchen klar: "Burger King ist ein international agierender Fast-Food-Riese, der Kunden täuscht. Politik und Behörden sind gefordert: Es braucht mehr Kontrollen, um einerseits die Kunden zu schützen, andererseits aber auch die Arbeitnehmer vor eklatanter Ausbeutung am Arbeitsplatz."

Quelle: ntv.de, sba

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