Ölpest schlimmer als befürchtet "Top Kill" läuft nach Plan
27.05.2010, 20:04 Uhr
BP zeigt das Geschehen am Meeresgrund per Webcam.
(Foto: Reuters)
Die US-Regierung korrigiert die Schätzungen über die Menge des sprudelnden Öls im Golf von Mexiko dramatisch nach oben. Wissenschaftler gehen von einer fünffach größeren Menge aus als von BP angegeben. Der Öl-Multi bemüht sich weiter, das Leck zu verschließen. Von einem Erfolg spricht BP noch nicht, nur von Fortschritten. US-Präsident Obama kündigt eine härtere Gangart gegen die Ölindustrie an.
Bei der Ölpest im Golf von Mexiko ist nach Berechnungen der US-Regierung deutlich mehr Öl ins Meer geflossen als bislang vermutet. Bis zu 25.000 Barrel pro Tag (knapp vier Millionen Liter) seien seit Beginn der Katastrophe vor fünf Wochen ausgetreten, teilte die Leiterin einer Expertenkommission mit. Das wären fünf Mal so viel wie bislang von BP geschätzt und die schlimmste Ölpest in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Der Energiekonzern bemühte sich weiter, das Leck durch die sogenannte "Top Kill"-Methode zu verschließen.
Die Direktorin des Nationalen Geologischen Instituts der USA (USGS), Marcia McNutt, gab als Ergebnis einer Expertenkommission eine Spanne von 12.000 bis 25.000 Barrel pro Tag für die austretende Ölmenge bekannt. BP hatte von 5000 Barrel gesprochen. Der Konzern nahm zu McNutts Angaben zunächst nicht Stellung. Im März 1989 war der Tanker "Exxon Valdez" vor Alaska verunglückt. Dabei flossen insgesamt etwa 260.000 Barrel Öl ins Meer, die bislang schlimmste Ölpest. McNutt sagte nicht ausdrücklich, dass die "Deepwater Horizon" die "Exxon Valdez" abgelöst habe. "Mit den von mir vorgelegten Zahlen können Sie selbst rechnen, glaube ich", erklärte sie jedoch.
Hoffnung nach gut fünf Wochen Ölpest
Derweil verlief das Verstopfen der sprudelnden Quelle am Donnerstag nach Plan. Der massive Beschuss des Bohrlochs mit riesigen Schlamm-Mengen konnte das Öl nach Angaben der US-Küstenwache schon zeitweise stoppen. Eine Erfolgsmeldung sei das aber noch nicht, sagte der Einsatzleiter der US-Regierung, Admiral Thad Allen. Der Prozess gehe wie vorgesehen weiter.
Ein Teil der "Schlammkanone".
(Foto: AP)
Am Mittwoch hatte BP mit den Versuch begonnen, das Bohrloch in 1,6 Kilometern Tiefe mit Dichtungsschlamm und Zement zu verschließen. Der Manager Robert Dudley sagte im US-Fernsehen, das Verfahren "läuft so, wie wir es wollen". Es sei jedoch zu früh, von einem Erfolg zu sprechen. Amerikanische Medien hatten bereits von einem erfolgreichen Verschluss berichtet. Das Unternehmen dagegen sprach nur von Fortschritten.
BP selbst wollte die Berichte über einen Erfolg nicht bestätigte, sprach jedoch von Fortschritten. Ursprünglich hatte das Unternehmen erklärt, es werde zwei Tage dauern, bis der Ausgang abzusehen sei.
"Erfolg erst, wenn nichts mehr fließt"
BP-Einsatzleiter Doug Suttles sagte, auf den Videobildern sehe es so aus, als ob nur noch Bohrschlamm und kein Öl mehr aus dem beschädigten Bohrloch ausströme. "Wir wissen erst, dass wir erfolgreich waren, wenn nichts mehr fließt", sagte der BP-Manager rund sechs Stunden nach Beginn des jüngsten Versuchs, das Öl-Leck zu schließen.
Moratorium über neue Bohrungen verlängert
Als Konsequenz aus der Umweltkatastrophe drosselt Präsident Barack Obama die Entwicklung von Ölfeldern. Der wegen seines Krisenmanagements unter Druck geratene Obama will in den kommenden sechs Monaten keine neuen Tiefsee-Bohrungen zulassen: Er verlängerte das Moratorium über neue Bohrungen im Meer, das nach dem Unglück verhängt wurde, um ein halbes Jahr. In dieser Zeit soll eine Kommission die Hintergründe der Ölpest untersuchen.
Zudem setzt die Regierung zwei geplante Probebohrungen vor Alaska aus und stoppt Verpachtungen im Golf vom Mexiko und vor der Küste des Bundesstaates Virginia. In 33 Fällen sollen laufende Bohrungen im Golf von Mexiko gestoppt werden.
Die Maßnahmen seien nur erste Schritte eines Prozesses, der zu strengeren Regeln und Sicherheitsstandards für die Ölindustrie führen soll. Obama hatte in der vergangenen Woche eine spezielle Kommission eingesetzt, die die Ursachen für das Sinken der BP-Bohrinsel "Deepwater Horizon" ermitteln und Konsequenzen aus dem Unglück vorschlagen soll. Der Präsident sagte in Washington, er wolle die "behagliche und manchmal korrupte Beziehung" zwischen den Behörden und der Ölindustrie beenden.
Genehmigungen für Bohrungen in tiefen Küstengewässern sollen künftig erst nach einer wesentlich strengeren Prüfung als bisher erteilt werden. "Diese Ölpest hat gezeigt, wie sehr Reformen nötig sind."
Die Katastrophe führte inzwischen zu ersten politischen Konsequenzen. US-Innenminister Ken Salazar gab den Rücktritt der Chefin der Bundesbehörde Minerals Management Service (MMS), Liz Birnbaum, bekannt. Der Behörde war vorgeworfen worden, die Ölindustrie nicht streng genug überwacht zu haben.
Quelle: ntv.de, rts/dpa