Panorama

"Wie im Vietnam-Krieg" Tornados bringen Not und Verzweiflung

Am Tag danach spannt sich blauer Himmel über Alabama, als sei nichts passiert. Doch inmitten der chaotischen Trümmerlandschaft herrscht nach der Tornado-Katastrophe Verzweiflung, der Schock sitzt tief. Und allmählich stirbt die Hoffnung, noch Überlebende zu finden.

Als Dr. Brian Wilhite nach Vergleichen für das Unfassbare sucht, kommen ihm nur die dunkelsten Kapitel amerikanischer Geschichte in den Sinn. "Es sieht eher nach Vietnam-Krieg aus als nach Krankenhaus", sagt der Internist, als er von den Zuständen im Druid City Hospital in Tuscaloosa berichtet - dort, wo die Tornados besonders erbarmungslos zuschlugen. Hunderte Verletzte überrennen seine Klinik nach der Katastrophe. "Es scheint, als sei eine Atombombe entlang einer geraden Linie explodiert", sagt Wilhite dem "New York Magazine"."Ich weiß von einem Arzt, der Menschen direkt vor ihm sterben sah. Er konnte nichts tun."

Der Süden der USA, vor allem Alabama, steht nach dem Zerstörungszug unter Schock, von der Existenz zigtausender Menschen sind nur noch Reste übrig. Wer mit dem Leben davonkommt, sorgt sich um Freunde und Angehörige. Noch spricht es keiner allzu deutlich aus, doch die Hoffnung auf Überlebende sinkt nun stündlich. "Die Geschichte lehrt uns, dass das Schätzen von Opferzahlen ein schweres Geschäft ist", sagt der Chef der US-Katastrophenschutzbehörde FEMA, W. Craig Fugate, bitter. Und jeder weiß, was er meint.

Beschädigte Seele

Den materiellen Schaden beziffern Versicherungsexperten bereits auf Milliardensummen, doch das Ausmaß der Wunden in den Seelen kennt keiner. Ein zäher Menschenschlag lebt im Süden der USA, gewohnt, anzupacken und wieder aufzubauen. Aber nach so einer Katastrophe? "Wir haben alles verloren", sagt Jerry Mays, Bürgermeister von Phil Campbell, einem Ort mit 1000 Einwohnern im Nordwesten Alabamas, wo alleine 26 Menschen starben. Den Tornado, der das Städtchen traf, hatte seiner Schätzung nach einen Durchmesser von einem knappen Kilometer, über 30 Kilometer zerfetzte er alles in seinem Weg. "Ich fürchte, es wird zu Selbstmorden kommen", sagt Mays.

Auch Alabamas Gouverneur Robert Bentley, republikanischer Politik-Veteran, schnürt es die Kehle zu angesichts dessen, was die Stürme aus seinem Staat machten. "Das Leben der Menschen ist völlig umgekrempelt", sagt er bei einem Besuch in Tuscaloosa. "Es trifft mich emotional."

Zusammenhalt im Alptraum

Die Menschen packen gemeinsam an.

Die Menschen packen gemeinsam an.

(Foto: dpa)

Apokalyptische Bilder von Trümmerbergen, zerquetschten Autos, niedergemähten Bäumen und Hausrat überall, beinahe wie nach einem Tsunami, haben die 90.000-Einwohner-Stadt in der Mitte Alabamas zum Sinnbild des Dramas gemacht. Den Begriff "Katastrophe" hält Bürgermeister Walt Maddox für unangemessen. "Ich würde es als Alptraum bezeichnen." Das Ausmaß der Schäden nennt er "massiv". "Wir haben es mit einer schweren Krise zu tun."

Inmitten des Chaos' entdeckt Maddox Zeichen der Hoffnung, der Menschlichkeit. "Ich habe gesehen, wie Weiße, Schwarze, Junge, Alte gestern zusammen angepackt haben an einem Haus, um ein kleines Mädchen zu retten." Aber was in den nächsten Tagen wird, weiß niemand, mancherorts hat die Nationalgarde schon Posten bezogen. In Tuscaloosa gilt für zwei Nächte eine Ausgangssperre.

Quelle: ntv.de, Frank Brandmaier, dpa

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