Erdrutsch in Nachterstedt Ursache weiterhin unbekannt
26.07.2009, 10:33 UhrDie Suche nach den Ursachen des Erdrutsches in Nachterstedt läuft weiter. Noch sind die Experten zu keinem Ergebnis gekommen. Während die Landesregierung von Sachen-Anhalt Untersuchungen an anderen Tagebauseen vornehmen lassen will, warnen die sächsische und brandenburgische Regierung vor Panikmache.

Eine Luftaufnahme zeigt das Ausmaß des Erdrutsches vom 18. Juli am Concordia-See in Nachterstedt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Gut eine Woche nach dem verheerenden Erdrutsch in Nachterstedt herrscht weiter Ratlosigkeit: Warum rutschte der Hang in dem kleinen Dorf im Harzvorland 100 Meter in die Tiefe? Drei Menschen starben, 41 Nachterstedter verloren ihr Zuhause. "Wir kennen die Ursache nicht", sagen die Mitglieder des Krisenstabs immer wieder. Ratlosigkeit herrscht auch bei der Frage, ob der Boden in anderen Tagebau-Gebieten ebenfalls abrutschen könnte. Sachsen-Anhalts Regierung und das Bergbauamt wollen bei allen Halden in Ostdeutschland die Risiken prüfen. Doch wonach soll man suchen, wenn man nicht weiß, warum am 18. Juli zwei Millionen Kubikmeter Erde in den See rutschten?
Vom 28. Juli an werden sich Geologen und Experten der Bergbehörden aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg in Halle treffen. Am Konferenztisch wollen sie Luftaufnahmen und Karten aller aufgegebenen Halden in den drei Ländern studieren. "Wir werden Gebiete mit ähnlichen Verhältnissen zu Nachterstedt suchen", sagte der Sprecher der Bergbaubehörde Sachsen-Anhalt, Bodo-Carlo Ehling, in Halle. "Es gibt umfangreiches Aktenmaterial. Es muss schnell gehen, besonders gefährdete Gebiete herauszusuchen."
Untersuchungen an anderen Tagebau-Seen
Dort, wo die Experten in ihren Karten Siedlungen an gefluteten Halden mit hohen, sandigen Böschungen finden, werden wohl Geologen die Standfestigkeit des Bodens mit viel Technik und aufwendigen Verfahren testen. Zum Einsatz könnten seismischen Sonden kommen, die in Erdbebenregionen Bewegungen im Untergrund aufspüren, sagte Ehling.
Seit dem Mittelalter wurden in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg Gruben und Schächte zum Abbau von Braunkohle gegraben. Einst war hier das größte Abbaugebiet der Welt. Und nirgendwo sonst bekommen heute so viele alte Halden ein neues Aussehen. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) allein hat 50 Gruben geflutet, darunter den Concordia-See in Nachterstedt. Boote sollten dort über das Wasser segeln und Touristen angelockt werden. Bauland am Ufer war gefragt und teuer.
Brandenburg und Sachsen warnt vor Aktionismus
Anders als in Sachsen-Anhalt halten die Behörden in Sachsen und Brandenburg Untersuchungen ihrer Tagebau-Seen für überflüssig: Die Seen in Sachsen müssten nicht überprüft werden, sagte der Sprecher des Sächsischen Oberbergamtes, Peter Horler. Es gebe "an keinem einzigen See im Freistaat" Verhältnisse wie am Concordia-See. Vor Aktionismus warnte auch der Präsident des Brandenburger Bergamtes, Klaus Freytag. Er sehe derzeit keinen Grund, Konzepte zur Sanierung von Böschungen zu verändern. Beide nehmen dennoch an dem Treffen in Halle teil.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) weist energisch zurück, "Panikmache" zu betreiben: "Es wäre politisch verantwortungslos, wenn man nicht unverzüglich nach so einem Vorfall versuchen würde, Konsequenzen zu ziehen." Die LMBV hat von der Landesregierung in Magdeburg Anweisung erhalten, alle weiteren 49 Seen zu überprüfen. "Wir müssen bereits beginnen, uns mit dem Ereignis auseinanderzusetzen, auch wenn wir die Ursache noch nicht kennen", sagte LMBV-Chef Mahmut Kuyumcu. "Hoffentlich kennen wir sie in einigen wenigen Wochen."
Quelle: ntv.de, Simone Andrea Mayer, dpa