Chile: Rosenkränze vom Papst Wiedersehen per Video
03.09.2010, 10:34 Uhr
Andacht der Angehörigen übertage für die Verschütteten.
(Foto: AP)
Jeden Tag ein wenig mehr Hoffnung im Überlebenskampf der verschütteten chilenischen Bergleute: Nach dem ersten warmen Essen soll es nun auch Videoübertragungen zu den Angehörigen geben. Von Papst Benedikt XVI. gesegnete Rosenkränze sollen den Glauben an die Rettung stärken.
Wenigstens per Videoübertragung sollen die in Chile unter Tage eingeschlossenen 33 Bergarbeiter ihre Familien bald schon wiedersehen können. Über einen Bildschirm könnten sie dann mit ihren Liebsten plaudern, sagte Gesundheitsminister Jaime Mañalich. Die Kumpel erhielten unterdessen ein besonders Geschenk: Zu ihnen wurden von Papst Benedikt XVI. gesegnete Rosenkränze heruntergelassen.
Über ein Glasfaserkabel soll die Videoverbindung zur Außenwelt eingerichtet werden. Ganz "unzensiert" dürfen die an der Gold- und Kupfermine am Rande von Copiapo im Norden Chiles ausharrenden Angehörigen nicht mit den Bergarbeitern reden: Sie wurden darum gebeten, keine Äußerungen zu machen, die falsche Hoffnungen wecken könnten. Daraufhin werden laut Mañalich auch die Briefe durchgesehen, bevor sie in die Grube gelassen werden.
Die gesegneten Rosenkränze wurden unter den Augen des Erzbischofs von Santiago de Chile, Kardinal Francisco Javier Errazuriz, zu den Kumpel heruntergelassen. Er bezeichnete es als "Geschenk", dass die Arbeiter fast drei Wochen nach dem Einsturz ihrer Mine lebend entdeckt worden seien. Ihr Wille zum Überleben sei von Zusammenhalt und Glauben geprägt, sagte Errazuriz. "Das lässt uns hoffen, dass sie durchhalten, bis sie gerettet sind."
In einer in 700 Meter Tiefe gelegenen Rettungskammer harren die Kumpel seit dem Einsturz ihrer Mine am 5. August aus. Solange wie sie war bisher noch niemand unter Tage eingeschlossen. Die Bergarbeiter sollen über einen Rettungsschacht zurück ans Tageslicht geholt werden, der seit Montag gebaut wird. Die auf mehrere Monate angelegten Arbeiten stocken hin und wieder, weil die Schachtwände aufgrund von Gesteinsspalten mit Zement stabilisiert werden müssen.
Plan B mit Versorgungsschacht
Die Helfer bereiten aber auch einen Plan B für die Rettung der Bergarbeiter vor. Ab Sonntag soll eines der bisher drei Versorgungslöcher, über die auch die Gegensprechanlage mit den Angehörigen läuft, vergrößert werden. Sollte es größere Schwierigkeiten beim Bau des Rettungsschachts geben, könnten die Verschütteten alternativ über ein ausgeweitetes Versorgungsloch ans Tageslicht geholt werden.
Damit die Männer bis zur Rettung nicht verzweifeln und körperlich fit bleiben, leben sie nach einem strikten Zeitplan, der sich in Arbeiten, Freizeit und Schlafen unterteilt. Auf einem neuen Video waren die von Anfang an sehr gut organisierten und disziplinierten Bergleute trotz ihrer schwierigen Lage bei guter Gesundheit und bester Laune zu sehen. Warmes Essen gibt es unterdessen auch.
Psyche wird stark belastet
Nach Ansicht eines Experten wachsen die Männer psychisch über sich hinaus. "Der Mensch ist sehr anpassungsfähig. Unter grausamen Bedingungen entwickelt er immer wieder ungeahnte Stärken, solche schwierigen Situationen zu überstehen", sagt der Traumaexperte Georg Pieper aus dem hessischen Gladenbach. Die Extrembedingungen in Hitze, Enge und Dunkelheit werden die Bergarbeiter nach Piepers Einschätzung aber für ihr restliches Leben prägen. Der Psychotherapeut hat die Überlebenden des Grubenunglücks im hessischen Borken 1988 betreut.
Bei den Betroffenen treten nach solchen Erlebnissen oft posttraumatische Störungen auf, sagte Pieper. Sie neigten zu Angststörungen, Depressionen oder auch Suchterkrankungen wie Alkoholismus oder Drogenmissbrauch. Grundsätzlich sind diese Menschen nach den Erfahrungen Piepers in ihrem restlichen Leben "psychisch labiler. Die Widerstandkräfte bei späteren Lebensbelastungen sind einfach nicht mehr so stark". "Aber nicht jeder wird nach der Rettung traumatisiert sein", betont Pieper. "Gerade die Menschen, die dort selber in der Extremsituation zu Helfern werden, Führungspositionen übernehmen, haben gute Chancen, ohne große Traumafolgeerscheinungen zu bleiben."
Quelle: ntv.de, AFP/dpa