Orkantief zieht nach Osten ab "Zeynep" hinterlässt Trümmerfeld in Deutschland
19.02.2022, 11:46 Uhr
Vor allem im Norden von Deutschland arbeitet die Feuerwehr im Akkord. Orkantief "Zeynep" zerstört Dächer und reißt Kräne um. Hamburg erlebt erstmals seit Jahren wieder eine schwere Sturmflut, Wangerooge verliert seinen Badestrand. Das Schlimmste scheint damit allerdings überstanden.
Orkantief "Zeynep" hat über Deutschland getobt und für eine schwere Sturmflut an der Nordseeküste gesorgt. In Niedersachsen starb der Polizei zufolge ein Mensch wegen des Unwetters, für Nordrhein-Westfalen bestätigte Innenminister Herbert Reul zwei Tote. Bei einem weiteren Unfalltoten in NRW ist die Unglücksursache noch unklar. Im europäischen Ausland sind sieben sturmbedingte Todesfälle bekannt.
Mit dieser Bilanz scheint das Schlimmste in Mitteleuropa überstanden. Das Tiefdruckgebiet werde in den kommen Stunden über das Baltikum nach Russland weiterziehen, erklärt der Deutsche Wetterdienst (DWD). Er hob alle Warnungen vor Orkanböen auf - es soll aber stürmisch bleiben. Vor allem im Süden und in Mitteldeutschland werden bis Sonntag noch einmal stärkere Böen erwartet.

In Berlin-Friedrichshain hat "Zeynep" diesen Baum in die Knie gezwungen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Alle Einzelheiten zu Orkantief "Zeynep" finden Sie in unserem Sturm-Liveticker.
Am Freitagabend war in Büsum an der Nordsee eine Orkanböe mit 143,3 Kilometern pro Stunde gemessen worden. Auf dem Brocken im Harz stürmte es mit bis zu 145,8 Kilometern pro Stunde.
Männer in Auto eingeschlossen
An der Nordseeküste türmte sich zusätzlich eine Sturmflut auf. In Hamburg erreichte die Elbe auf St. Pauli gegen 5.30 Uhr einen Pegel von 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mitteilte. Damit gab es in der Hansestadt erstmals seit 2013 wieder eine sehr schwere Sturmflut mit mehr als 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser.
In der überfluteten Speicherstadt musste die Feuerwehr am frühen Morgen zwei Männer retten, die mit ihrem Auto im stehenden Elbwasser eingeschlossen waren. Laut Polizei waren sie stark unterkühlt und wurden vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht.
In der niedersächsischen Gemeinde Wurster Nordseeküste war zuvor ein Mann während des Sturms von einem Dach gestürzt und gestorben. Der 68-Jährige hatte in der Nacht versucht, das beschädigte Dach eines Stalls zu reparieren. Dabei war er durchgebrochen und rund zehn Meter in die Tiefe gestürzt.
Drei tödliche Autounfälle
Ein Autofahrer starb am Freitagabend bei Altenberge in Nordrhein-Westfalen, als er mit dem Auto gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum prallte. Der eingeklemmte 56-Jährige starb noch am Unfallort. Innenminister Reul nannte als zweites Sturmopfer einen 17-Jährigen, der als Beifahrer mit zwei Gleichaltrigen in Hopsten im Kreis Steinfurt unterwegs war. Nach Polizei-Angaben kam das Auto von der Fahrbahn ab, als der Fahrer einem Ast ausweichen wollte.
Etwa zur selben Zeit überschlug sich ein Mann im nahen Saerbeck mit seinem Fahrzeug. Der 33-Jährige starb ebenfalls am Unfallort. Es wird noch untersucht, ob es sich um einen wetterbedingten Unfall handelt. In Lehrte in der Region Hannover wurde ein Mann schwer von einem umstürzenden Baum verletzt.
Baukran in Bremen eingestürzt
Feuerwehren und Polizei meldeten am Morgen zahlreiche Einsätze in der Nacht, in der Regel blieb es aber bei umgestürzten Bäume, umherfliegenden Gegenständen und beschädigten Gebäuden. In Bremen stürzte ein 55 Meter großer Baukran in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude. Auch ein vorbeifahrender Lkw sei getroffen worden. Der Fahrer wurde nicht verletzt.
In Gronau bei Hildesheim (Niedersachsen) wehte der Sturm eine rund 80 Kilogramm schwere Kupferplatte von einem Kirchturm. Sie schlug etwa 80 Meter weiter in ein Haus ein. Einige Kilometer entfernt, auf der A7 bei Hildesheim, fiel am Abend eine Verkehrstafel auf die Fahrbahn. Ein Sattelzugfahrer konnte nicht mehr ausweichen und fuhr über die Hindernisse. Dabei riss der Tank, 400 Liter Diesel-Kraftstoff ergossen sich über die Fahrbahn.
In Hamburg stürzten bei einem viergeschossigen Wohnhaus im Stadtteil Eilbek am Abend Teile der Fassade ein. Insgesamt fielen im Giebelbereich rund 25 Quadratmeter Mauerwerk ab. In den Häfen in Emden und Wilhelmshaven mussten mehrere Schlepper die größeren Schiffe sichern.
Der Bahnverkehr im Norden Deutschlands und in den nördlichen Teilen Nordrhein-Westfalens ist nach wie vor stark eingeschränkt. Nördlich von Dortmund, Hannover und Berlin sowie zwischen Berlin und Halle (Saale)/Leipzig fahren keine Fernverkehrszüge. Nur auf der Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt sind einzelne Züge unterwegs. Auch der Regionalverkehr fällt flächendeckend aus.
Badestrand fast verschwunden
In Nordrhein-Westfalen ist die Rheinbrücke Emmerich bis auf Weiteres gesperrt. Grund dafür sind umgestürzte Gerüstteile, die in die Fahrbahn ragen. Im Norden wurde die Fehmarnsundbrücke gesperrt, die die Insel Fehmarn in der Ostsee mit dem Festland verbindet. Zuvor waren in der Nacht zwei Lkw umgekippt. Ein Fahrer wurde dabei verletzt.
Die Nordseeinsel Wangerooge büßte im Sturm etwa 90 Prozent ihres Badestrandes ein. "Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand", sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr. Die Schutzdünen vor dem Trinkwasserschutzgebiet hätten kein Deckwerk mehr, dies müsse wie der Strand neu aufgeschüttet werden. Dennoch sei der Sturm glimpflich ausgegangen.
Viele Tote in Europa
Auch in anderen europäischen Ländern sorgte "Zeynep" für Schäden, teils schon am Freitag. In den Niederlanden kamen drei Menschen durch umstürzende Bäume ums Leben, darunter war auch ein Radfahrer. Großbritannien meldete ebenfalls drei Todesopfer. In Irland starb ein Mann infolge des Orkantiefs. Im Norden Frankreichs waren am Abend rund 130.000 Haushalte ohne Strom. Schäden und Stromausfälle gab es auch in Polen und Tschechien. So waren allein in Polen wegen beschädigter Leitungen Zehntausende Haushalte vor allem in Westpommern ohne Strom. Vom Nationalmuseum Stettin (Szczecin) wurde ein großes Blech gerissen.
"Zeynep" war das zweite Orkantief innerhalb weniger Tage. Zuvor waren bei "Ylenia" in Deutschland mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.
Quelle: ntv.de, chr/dpa