Panorama

US-Autoren haben Nachsehen Juroren lieben Deutsch

Herta Müller, Elfriede Jelinek, Günter Grass: Drei Nobelpreise für deutschsprachige Autoren in den letzten zehn Jahren sind eine fast sagenhafte Quote.

Im Blitzlicht: Peter Englund vor der Verkündung der Entscheidung der Schwedischen Akademie.

Im Blitzlicht: Peter Englund vor der Verkündung der Entscheidung der Schwedischen Akademie.

(Foto: dpa)

Für die Schwedische Akademie in Stockholm scheint Literatur in der Sprache früherer Preisträger wie Thomas Mann, Heinrich Böll und Hermann Hesse wieder "in" zu sein. Auch wenn bei der Verkündung des Preises für die in Rumänien geborene Berlinerin wie immer und ausschließlich die individuelle Leistung ganz in Vordergrund gestellt wurde. "Herta Müller schreibt mit unglaublicher Intensität. Als ich ihre Bücher gelesen habe, hat mich das innerlich erschüttert", sagte der neue Akademie-Chef Peter Englund in der alten Stockholmer Börse.

 

Aber es lassen sich doch Trends aus der nicht unbedingt überraschenden Entscheidung für Müller ablesen. "Hohe literarische Qualität, politisch unangreifbar, engagiert und nicht zuletzt europäisch" sieht die Stockholmer Kulturjournalistin MarieLouise rpt MarieLouise Samuelsson als die vielleicht ausschlaggebenden Attribute für die diesjährige Entscheidung. Tatsächlich ging der Super-Preis unter allen Literaturpreisen seit 1994 nur noch ganze dreimal an nicht-europäische Preisträger. "Die Jury muss aufpassen, dass die Sache nicht zu einer europäischen Regionalveranstaltung wird", meint Samuelsson.

US-Schriftsteller gingen wieder leer aus.

US-Schriftsteller gingen wieder leer aus.

(Foto: dpa)

 

Der US-amerikanischen Literatur hatte Englunds Vorgänger als Akademie-Chef, Horace Engdahl, im letzten Jahr ausdrücklich und pauschal attestiert, sie sei "abgeschottet" von der globalen literarischen Entwicklung. Sie sei unengagiert, und sie trete auf der Stelle.

"Alles andere als ein Mega-Star"

Herta Müller entspricht mit ihren Büchern in deutscher Sprache einerseits und ihrer rumänischen Herkunft mit der dazugehörenden Geschichte andererseits wohl eher dem Ideal der Akademie. Vielleicht, so meint die Journalistin Samuelsson, ist der Preis auch eine "diskrete Verbeugung der Akademie vor Literatur, die 20 Jahre Fall der Mauer und Ende des Kalten Krieges als Thema aufgenommen hat."

Preisträger mit ähnlichem Profil waren vorher auch schon 2006 Orhan Pamuk, der sich mit der europäischen Identität seines Heimatlandes Türkei auseinandergesetzt hat. Und wohl auch zwei Jahre vorher die Wienerin Elfriede Jelinek, bei der ausdrücklich in der Begründung ihre kritische und kompromisslose Auseinandersetzung mit Österreichs Beteiligung an Nazi-Verbrechen und deren anschließender Verdrängung herausgehoben wurden.

 

Ähnlich engagiert und auch "ohne jeden Selbstschutz", wenngleich mit völlig anderen literarischen Mitteln bearbeitet Müller die jüngste Geschichte Rumäniens. "Sie passt auch genau in das Autoren- Profil, das die Akademie mag. Sie ist alles andere als ein Mega-Star wie die ewigen US-Anwärter Philip Roth oder Thomas Pynchon", meint der schwedische Verleger Peter Luthersson.

USA gehen leer aus

Tatsächlich hatten etliche der Stockholmer "Nobel-Orakel" darauf getippt, dass die Akademie nach der international kritisierten pauschalen USA-Schelte von Ex-Sekretär Engdahl vielleicht doch mal wieder einen Preis über den Atlantik reichen würde. "Am Ende hat die Akademie damit überrascht, dass sie nicht überrascht hat", witzelt MarieLouise Samuelsson. Denn Herta Müller gehörte kurz vor der Bekanntgabe tatsächlich zum engsten Favoritenkreis.

Der mit zehn Millionen Kronen dotierte Preis ist zuletzt vor 16 Jahren in die USA gegangen: 1993 bekam ihn die schwarze Schriftstellerin Toni Morrison.

Quelle: ntv.de, Thomas Borchert, dpa

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