Einsatz in Afghanistan 1000 Soldaten mehr
16.10.2008, 17:40 UhrDer Bundestag hat mit großer Mehrheit die Fortsetzung und Aufstockung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan beschlossen. 442 der 570 Abgeordneten stimmten für das weitere Engagement am Hindukusch. Die Bundesregierung hatte zuvor eindringlich für die Verlängerung geworben. "Die Konsequenz des Rückzuges wäre der Bürgerkrieg, das Massakrieren von Frauen", warnte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Derzeit sind rund 3300 deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz, künftig können bis zu 4500 Soldaten entsandt werden.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung begrüßte die Entscheidung. Afghanistan dürfe nicht wieder zum Ausbildungscamp für Terroristen werden. Nun müssten weitere Fortschritte im zivilen Wiederaufbau sowie im Kampf gegen Korruption und Drogenhandel erzielt werden. Im Norden, für den die Deutschen zuständig sind, seien bereits 830 Projekte zur Wasser- und Energieversorgung sowie im Bau von Straßen, Schulen und Krankenhäusern umgesetzt worden. Hier sei die große Mehrheit der Menschen auf der Seite der Nato-Soldaten. Dies gelte aber noch nicht für das ganze Land.
Ablehnung leicht gestiegen
Die FDP-Verteidigungsexpertin Birgit Homburger warnte davor, die bisherigen Erfolge durch einen Rückzug aufs Spiel zu setzen. "Es gibt Fortschritt in Afghanistan und die Chance auf ein besseres Leben", sagte sie. Ohne militärische Absicherung sei ein Wiederaufbau jedoch Illusion. Der Linken-Abgeordnete Paul Schäfer bezeichnete den Nato-Einsatz dagegen als gescheitert. Trotz aller Aufstockung der Truppen nehme die Gewalt am Hindukusch nicht ab, sondern steige dramatisch an, kritisierte er. Die Linke lehnt den Einsatz als einzige Fraktion komplett ab. Insgesamt gab es 96 Nein-Stimmen, etwas mehr als bei der letzten Abstimmung.
Grüne distanzieren sich von Bundespolitik
Etliche Grüne, die mehr zivilen Wiederaufbau fordern, enthielten sich der Stimme. "Was sollen wir denn tun?", fragte ihr Afghanistan-Experte Winfried Nachtwei mit Verweis auf eine seit Jahren folgenlose Kritik der Partei am Regierungskurs. "Wir bleiben mit dem Aufbau aus vielerlei Gründen ganz, ganz schlimm zurück". Daher stellten die Grünen die Ampel nun mit ihrem Abstimmungsverhalten auf Gelb. So wollten sie sich zugleich von der halbherzigen Politik der Bundesregierung distanzieren, aber auch von Forderungen nach einem Sofortabzug.
1000 Soldaten mehr
Die Mandatsobergrenze hob der Bundestag um 1000 auf 4500 Soldaten an. Er reagiert damit auf die immer schlechtere Sicherheitslage und zusätzliche Aufgaben, die die Bundeswehr am Hindukusch übernommen hat. Außerdem wurde der Einsatz gleich 14 Monate verlängert, um das Thema aus dem Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr herauszuhalten. Die ursprünglich geplante Entsendung von Awacs-Aufklärungsflugzeugen dagegen ist noch nicht enthalten, da Frankreich sie bisher blockiert.
Zweifel am Erfolg des Westens
Die Sicherheitslage in Afghanistan hatte sich zuletzt stetig verschlechtert. Nie seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban 2001 gab es nach Angaben der Vereinten Nationen so viele Angriffe und Anschläge. Immer häufiger werden auch Zweifel laut, ob der Westen den Krieg gegen die Aufständischen überhaupt gewinnen kann. In Deutschland spricht sich seit langem eine Mehrheit der Bevölkerung in Umfragen gegen den Einsatz aus. Vergangene Woche gestattete die Nato ihren Mitgliedern erstmals den direkten Einsatz gegen die Drogenbarone im Land, um eine der wichtigsten Finanzquellen der Taliban auszutrocknen.
Quelle: ntv.de