SPD prescht vor 6,50 Euro Mindestlohn
26.04.2007, 17:04 UhrIm Streit über Niedriglöhne hat die SPD einen Mindestlohn von etwa 6,50 Euro als Untergrenze zur Sittenwidrigkeit ins Gespräch gebracht. Arbeitsminister Franz Müntefering sprach sich am Donnerstag für einen entsprechenden "Auffang-Mindestlohn" aus, ohne sich auf eine konkrete Höhe festzulegen.
Die Union lehnte dies entschieden ab. Die Koalitionsarbeitsgruppe zum Arbeitsmarkt beendete ihre mehr als sechsmonatigen Beratungen ohne Einigung in den Knackpunkten Mindestlohn, Entsendegesetz und Zuverdienste von Hartz-IV-Beziehern. Eine Lösung sollen nun die Koalitionsspitzen am 14. Mai versuchen.
Den Widerstand der Union gegen einen Mindestlohn will die SPD nun auf dem Weg über die Sittenwidrigkeit überwinden. In dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe unter Müntefering hielt die Union fest, dass sie per Gesetz Löhne als sittenwidrig bestimmen wolle, die mehr als ein Drittel unter der ortsüblichen Bezahlung oder dem Tariflohn liegen. Zudem soll eine absolute Untergrenze festgelegt werden, von der keine Abzüge mehr erlaubt sein sollen. Dazu werde "eine noch zu findende Regelung vorgeschlagen, bei der ein Abschlag von einem Drittel nicht mehr vorgenommen wird", heißt es in der Unions-Position. Es mache einen Unterschied, "ob ich ein Drittel weniger zulasse von einem Tariflohn von zwölf Euro oder von 3,18 Euro", sagte CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe.
"Das ist natürlich ein Mindestlohn, was ich da vorschlage", sagte Müntefering. Als Untergrenze soll nach SPD-Vorstellungen das Einkommen eines allein stehenden Beziehers von Arbeitslosengeld II plus etwa 25 Prozent gelten. "Ich mache das nicht fest an einem bestimmen Stundenlohn", sagte Müntefering. Grundlage seien 345 Euro Arbeitslosengeld II, Unterkunftskosten von etwa 300 Euro, 20 Prozent Sozialbeiträge und ein Aufschlag von etwa 25 Prozent. Nach Angaben aus der Koalition liefe dies auf einen Stundenlohn von etwa 6,50 Euro hinaus. Dieser soll laut Müntefering bundesweit einheitlich sein, aber regionale Unterschiede bei den Wohnkosten berücksichtigen.
Auch tariflich vereinbarte Löhne unterhalb dieser Grenze sollen als sittenwidrig gelten. "Tarifverträge, die niedriger sind als der Auffangmindestlohn, müssen weg", sagte Müntefering, der zugleich von Übergangsfristen sprach. Die Union lehnte dies entschieden ab. Die etwa 6,50 Euro der SPD bedeuteten für manche Branchen eine Verdoppelung. "Der Staat überhebt sich, wenn er Tarifverträge einfach mal verdoppeln will", sagte Brauksiepe.
Keine Einigung über Zuverdienste
Den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe will Müntefering am 9. Mai dem Kabinett vorlegen. Fünf Tage später wollen sich die Koalitionsspitzen unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Streitpunkten befassen. Mit Blick auf das Entsendegesetz, mit dem Tariflöhne für eine gesamte Branche verbindlich gemacht werden, will die Koalition allen Branchen eine Aufnahme anbieten. Etwa bis Jahresende müssten die Wirtschaftszweige, die dies wünschen, durch einen Mindestlohn-Tarifvertrag dafür die Tarifvoraussetzungen schaffen. "Alle haben eine Chance, da reinzukommen", sagte Müntefering. Brauksiepe betonte: "Die Tarifparteien in der Branche müssen das aber wollen."
Im Hauptstreitpunkt, wie solche Tarif-Mindestlöhne für alle verbindlich erklärt würden, gab es keine Annäherung. Die Union macht dies von der Zustimmung des von Gewerkschaften und Arbeitgebern besetzten Tarifausschusses abhängig, während die SPD eine Verordnung der Bundesregierung für ausreichend hält.
Brauksiepe äußerte sich "sehr enttäuscht", dass wieder keine Entscheidung über neue Regeln für die Zuverdienste der Bezieher von Arbeitslosengeld II getroffen wurde. Die Union will einen Zuerwerb von 400 Euro bis auf einen Sockelbetrag von 40 Euro voll auf das Arbeitslosengeld II anrechnen, dafür aber höhere Zuverdienste stärker begünstigen. Müntefering sieht dort zwar auch Änderungsbedarf, will vorher aber die Zustimmung der Union zu einem "Erwerbstätigenzuschuss" für Einkommen über 800 Euro. Mit dem Zuschuss von etwa 20 Prozent will die SPD ein Abrutschen in den Bezug von Arbeitslosengeld II verhindern.
Quelle: ntv.de