"Bis wir siegen" 80-jähriger Kiewer spielt jeden Morgen Nationalhymne
10.04.2023, 13:26 Uhr Artikel anhören
Jeden Morgen hallen Posaunentöne über einen kleinen Hinterhof in Kiew.
(Foto: picture alliance/dpa/Ukrinform)
Ob in der Sonne, im Regen oder Schnee: Jeden Tag steht Walentyn Dudkin auf seinem Hinterhof in Kiew mit seiner Posaune. Und das seit dem Kriegsbeginn vor mehr als einem Jahr. Der pensionierte Orchesterleiter und seine Zuhörer wollen so ihren Teil zu den Anstrengungen der Ukraine an der Front beitragen.
Jahrzehntelang hat Walentyn Dudkin seine Posaune nicht mehr angerührt, doch nach der russischen Invasion im Februar 2022 holte er sie wieder aus der Mottenkiste. Seitdem steht der 80-jährige frühere Orchesterleiter aus der Region Donezk jeden Morgen um 9.00 Uhr im Hinterhof seines Wohnblocks in Kiew und spielt die Nationalhymne "Noch ist die Ukraine nicht gestorben" sowie das Volkslied "Tscherwona Kalyna", die inoffizielle Hymne des Widerstands.
Es regnet an diesem Morgen, doch weder Dudkin und seine 83-jährige Frau, noch ihr Grüppchen Zuhörer lassen sich davon aus der Ruhe bringen. Zwei Frauen entrollen die blau-gelbe Flagge der Ukraine mit dem Slogan "Ruhm für die Ukraine! Ruhm den Helden!", ein paar Chihuahuas in gelb-blauem Regenschutz schmiegen sich aneinander. Nach einer Schweigeminute legt die Posaune los, die Hündchen fangen an zu kläffen, der Rest der Gruppe stimmt nach und nach in das Lied ein.
"Beitrag zu den Kriegsanstrengungen"
"30 Jahre lang habe ich nicht mehr gespielt", sagt Dudkin. "Jetzt sehen meine Frau und ich es als unsere Pflicht an, als unseren Beitrag zu den Kriegsanstrengungen." Ähnlich sieht es Switlana Nowikowa, eine regelmäßige Teilnehmerin am patriotischen Hinterhofkonzert. "Er sagte uns: Wir werden singen, bis wir siegen", erzählt sie. Und das tun nun alle. Sie freuen sich über die musikalische Ablenkung - und es schweißt sie zusammen.
Selbst die Nachbarn, die sich zuerst über die frühen Töne in dem hallenden Hof beschwerten, seien inzwischen mit seiner Mission im Reinen, sagt Dudkin. Dafür, dass er mit mindestens zwei Zuhörern rechnen kann, sorgt unterdessen Andrjuscha: Jeden Morgen weckt der Zweijährige seine Großmutter, um sicherzugehen, dass sie das "Du Du" nicht verpassen, wie er die allmorgendliche Musikdarbietung nennt.
Quelle: ntv.de, hny/AFP