Unzureichende Qualität der Antworten AKW-Stresstest in der Kritik
15.05.2011, 13:15 Uhr
Die Gefahr gezielter Terroranschläge wird im deutschen AKW-Stresstest nur marginal berücksichtigt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Reaktor-Sicherheitskommission überprüft deutsche Atomkraftwerke zurzeit mithilfe eines Stresstest. Die Qualität der bisherigen Aussagen durch die Betreiber der Anlangen lässt aber zu wünschen übrig - findet die schleswig-holsteinische Atomaufsicht. Für den ebenfalls umstrittenen AKW-Stresstest auf Europa-Ebene wurde unterdessen ein Kompromiss gefunden.
Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat einem Pressebericht zufolge heftige Kritik an der laufenden Überprüfung deutscher Kernkraftwerke durch die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) geübt. Viele Fragen der Kommission seien von den Betreibern der Anlagen "nicht mit der für eine atomaufsichtliche Bewertung erforderlichen Qualität beantwortet" worden, zitierte der "Spiegel" aus einem Brief an die Reaktor-Sicherheitskommission und das Umweltministerium. Auch dürfte die Überprüfung der Aussagen "problematisch" werden.
"Steht mehr drauf als drin ist"
Zudem werde die Gefahr gezielter Flugzeugabstürze durch Terroristen bei dem Stresstest "nicht oder - wenn überhaupt - nur rudimentär" behandelt, kritisierte die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein dem Bericht zufolge. Dabei befinde sich bei den Siedewasserreaktoren Brunsbüttel und Krümmel das Brennelemente-Lagerbecken außerhalb des Sicherheitsbehälters, was "für die politisch angestrebte umfassende Risikobewertung" von großer Bedeutung sein müsse. Auch die atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, übte laut "Spiegel" Kritik: "Auf dem Stresstest steht mehr drauf, als tatsächlich drin ist."
Menschengemachte Szenarien im Europa-Test
Auch die auf Europa-Ebene geplanten Stresstests für Atomkraftwerke sind umstritten, doch wurde hier inzwischen ein Kompromiss erzielt. Diese Tests sollen nach Informationen aus EU-Diplomatenkreisen in zwei Teilen vorgenommen werden, wobei sowohl Risiken wie Naturkatastrophen als auch menschengemachte Szenarien wie Terroranschlägegeprüft werden sollen. Deutschland, Österreich und die EU-Kommission müssen dem Plan noch zustimmen.
Zu den von Menschen ausgehenden Risiken zählen demnach auch Sabotageakte wie Cyberangriffe auf Anlagen. Energiekommissar Günther Oettinger hatte sich für strikte und umfassende Stresstests ausgesprochen und bislang stets erklärt, einen abgeschwächten Stresstest für die rund 140 europäischen Atomreaktoren werde er nicht unterzeichnen. Vor allem Vertreter der Atomindustrie in Frankreich und Großbritannien lehnten umfassende Stresstests, die auch Risiken wie Terroranschläge und Flugzeugabstürze berücksichtigen, bisher ab.
Ab Juni Stresstests in Europa
Am Donnerstag hatte Oettinger die Verhandlungen über die Stresstests für gescheitert erklärt, sie wurden am Freitag dann aber unter seiner Aufsicht fortgesetzt. Die nun gefundene Lösung wurde den Kreisen zufolge von Vertretern nationaler Atomaufsichtsbehörden ausgehandelt. Demnach ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vorgesehen, die aus Experten der Mitgliedsländer sowie der EU-Kommission bestehen soll. Deren genaue Aufgaben und Arbeitsmethoden sollen noch definiert werden.
Deutschland, Österreich und die EU-Kommission wollen sich nun bis Mittwoch Zeit für eine Entscheidung geben. Oettinger äußerte sich am Freitag zunächst nicht zu dem Kompromiss. Seine Sprecherin sprach jedoch von einem "großen Fortschritt". Sollten die Vorschläge angenommen werden, könnte es bereits ab Juni erste AKW-Stresstests in Europa geben, wie aus Diplomatenkreisen verlautete.
Aus der Katastrophe gelernt
Die geplanten Stresstests gelten als Lehre aus der Atomkatastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima. Dort hatte sich in Folge des schweren Erdbebens und des anschließenden Tsunamis Mitte März eine Reihe von Atomunfällen ereignet, gegen deren Auswirkungen das Land bis heute kämpft. Die Katastrophe wurde auf der international gültigen INES-Skala mittlerweile mit der höchsten Stufe 7 bewertet - sie steht damit auf demselben Niveau wie der Atomunfall von Tschernobyl im Jahr 1986.
Quelle: ntv.de, AFP