Truppenstärke von Armee und Polizei Afghanen nähern sich Zielmarke
17.10.2012, 09:58 Uhr
Dass US-Soldaten afghanischen Sicherheitskräften zeigen, wie man Verdächtigen Handschellen anlegt, soll in einem guten Jahr nicht mehr nötig sein.
(Foto: REUTERS)
Ende 2014 sollen afghanische Kräfte die Verantwortung über die Sicherheit in ihrem Land übernehmen. Zumindest auf dem Papier sind die Einheimischen dazu schon bald bereit. Der Preis, den sie dafür zahlen, ist hoch.
Schon Ende 2013 sind afghanische Armee und Polizei nach Angaben der Internationalen Schutztruppe Isaf voll einsatzbereit – ein Jahr bevor sie die volle Verantwortung über die Sicherheit in ihrem Land übernehmen sollen.
Mit 337.187 Soldaten und Polizisten haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Zielstärke von 352.000 Mann danach schon jetzt zu 96 Prozent erreicht. Überdies erfolgt 85 Prozent der Ausbildung der Kräfte inzwischen durch Afghanen. Bei der Armee sind laut einem Isaf-Bericht 100 Prozent der 2709 Ausbilder im Dienst, bei der Polizei 74 Prozent der 1497 Ausbilder. Die Isaf erwartet, dass das Land bis 2017 auch eine Luftwaffe mit 8000 Soldaten stellen kann.
Afghanen schätzen ihre Armee
Auch das Ansehen der Institutionen ist laut der Isaf hoch: Die Armee ist danach die am meisten respektierte nationale Institution Afghanistans. Die Polizei stehe im Ansehen "ebenfalls an hoher Stelle".

Verteidigungsminister de Maizière hält einen verfrühten Abzug deutscher Soldaten für gefährlich.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Preis, den die Afghanen für ihre Eigenverantwortung zahlen müssen, ist indes hoch. Seit Jahresbeginn sind in dem kriegsgeschundenen Land im Durchschnitt 537 einheimische Polizisten und Soldaten pro Monat getötet oder verletzt worden. Bei der Polizei (ANP) waren es durchschnittlich 292 Tote und Verwundete, bei der Armee (ANA) inklusive der jungen Luftwaffe 245.
Nach Angaben des Internetdienstes icasualties.org hat der Einsatz in Afghanistan dieses Jahr knapp 360 ausländische Soldaten das Leben gekostet. Zahlen zu Verwundeten unter den ausländischen Truppen liegen nicht vor.
Angesichts der Fortschritte bei der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte vor allem im Norden des Landes hatte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold hatte am Dienstag verlangt, mindestens 1000 deutsche Soldaten schon im kommenden Jahr aus Afghanistan zurückzuholen. Dass die Afghanen die Sicherheit in ihrer Heimat zur geplanten Übernahme der Verantwortung von der Nato - geschweige denn davor - übernehmen können, ist allerdings umstritten.
Anschläge, Korruption und Vetternwirtschaft
Laut einem internen Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND), über den "Der Spiegel" im September berichtete, wird das Land auch nach dem offiziellen Abzug internationaler Truppen auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen sein. In dem Bericht "Afghanistan bis zum Jahr 2014 – eine Prognose" ist von 35.000 Mann für die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte, den Schutz der Ausbilder und den Kampf gegen den Terrorismus die Rede – rund ein Drittel der heutigen Truppenstärke.
Als Grund für den zusätzlichen Bedarf nannte der Bericht eine steigende Zahl von Anschlägen, Korruption und Vetternwirtschaft in der afghanischen Regierung. Zuletzt wurden am frühen Vormittag rund 50 Afghanen und darunter 45 Armeeangehörige bei einem Selbstmordattentat in der Provinz Paktia verletzt.
Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière von der CDU warnte vor einem überstürzten Abzug. "Wenn wir jetzt kopflos aus Afghanistan herausgehen würden, wäre alles vergeblich, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben", sagte de Maizière der "Passauer Neuen Presse." Zwar sei der Aufbau der afghanischen Armee "auf einem guten Weg", doch gebe es hier noch "keine Erfolgsgarantie". Es wäre falsch, wenn die internationalen Truppen abziehen würden, ohne sicher zu sein, dass das Land selbst für seine Sicherheit sorgen kann.
"Es bleibt bei unserem Zeitplan", versicherte de Maizière zugleich. Bis Ende 2014 sollten die in Afghanistan eingesetzten Bundeswehr-Soldaten wieder zurück in Deutschland sein. Zwar würden auch danach noch deutsche Soldaten in dem zentralasiatischen Land stationiert sein, jedoch nur noch unter einem "reinen Ausbildungs- und Trainingsmandat". Dieses werde allerdings auch eine Schutzkomponente umfassen müssen, "das gehört zum Einmaleins des Militärischen".
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP