Sorge um chinesischen Künstler Ai Weiwei bleibt verschwunden
04.04.2011, 12:28 UhrDer chinesische Künstler Ai Weiwei scheint nach seiner Festnahme wie vom Erdboden verschwunden. Außenminister Westerwelle und viele Kulturinstitutionen in Deutschland äußern ihre Sorge un fordern die Freilassung Ais. Laut Menschenrechtlern befinden sich mehr als 200 chinesische Aktivisten derzeit unter "einer Art Hausarrest".
Die Festnahme des regierungskritischen chinesischen Künstlers Ai Weiwei hat international Empörung ausgelöst. Einen Tag nach seiner Festnahme auf dem Pekinger Flughafen gab es kein Lebenszeichen von dem 53-Jährigen, sein Mobiltelefon blieb abgeschaltet. Die Polizei in der chinesischen Hauptstadt wollte sich nicht zu Ais Festnahme äußern, auch die chinesischen Medien bewahrten Stillschweigen. Über den Kurzmitteilungsdienst Twitter riefen Freunde des regimekritischen Künstlers zu seiner Freilassung auf.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte kurz nach seiner Rückkehr von einem Besuch in China, er habe sich in Peking "mit aller gebotenen Deutlichkeit für Meinungsfreiheit und Menschenwürde eingesetzt". Er appellierte an die chinesische Regierung, "dringend für Aufklärung zu sorgen", und äußerte die Erwartung auf Ais umgehende Freilassung. Dieselbe Hoffnung äußerte auch das französische Außenministerium, das "tiefe Sorge" um Ais Schicksal zum Ausdruck brachte.
"Andere Sachen" zu erledigen
Ai war am Sonntag von der Polizei am Flughafen von Peking festgenommen worden, als er ein Flugzeug nach Hongkong besteigen wollte. Die Polizisten hätten ihm erklärt, er habe "andere Sachen" zu erledigen und könne seinen Flug nicht antreten, sagte eine Mitarbeiterin des Künstlers. Nach Angaben seiner Assistenten und Ehefrau durchsuchte die Polizei sein Atelier.
"Sie haben den Computer und andere Dinge mitgenommen", sagte Ais Frau, Lu Qing. Angaben zum Grund der Durchsuchung oder der Festnahme ihres Mannes habe die Polizei nicht gemacht. Mehrere Assistenten des Künstlers waren am Sonntag verhört worden und anschließend wieder frei gekommen. Lu Qing selbst stellte klar, entgegen anderslautender Meldungen nicht unter Hausarrest zu stehen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte, Ais Festnahme zeige, dass "die Zeit für offenen Dissens in China zu Ende" sei. Die Festnahme sei Teil von "sich ausweitenden Razzien" gegen Vertreter abweichender Meinungen in der Volksrepublik. Wenn die chinesischen Behörden jetzt schon so "dreist" seien, am helllichten Tag einen weltbekannten Künstler festzunehmen, dann sei die Vorstellung erschreckend, was sie erst gegen weniger bekannte Dissidenten unternehmen würden.
Hunderte Aktivisten unter Hausarrest
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation China Human Rights Defenders in Hongkong stehen mehr als 200 Aktivisten unter "einer Art Hausarrest", seit Mitte Februar in China zu "Jasmin"-Kundgebungen aufgerufen wurde. Damit hatten sie auf die "Jasmin-Revolution" in diesem Jahr in Tunesien angespielt.
Der internationale Schriftsteller- und Dichterverband P.E.N. appellierte an die Bundesregierung, "sich mit unmissverständlicher Deutlichkeit für die Wahrung der Menschenrechte in China einzusetzen". Die chinesische Regierung habe erneut bewiesen, "dass sie die Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Freiheit der Meinung, nicht achtet und sich nicht scheut, diese Rechte in grober und grausamer Weise zu verletzen".
Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, forderte die für die Festnahme Verantwortlichen auf, Ai "umgehend freizulassen", damit er weiter seiner wichtigen künstlerischen Arbeit nachgehen könne. Sollte er nicht sofort freigelassen werden, werde die in Peking gerade eröffnete deutsche Ausstellung "Kultur der Aufklärung" eine Farce, so Staeck. Ai, der Deutschland in der Vergangenheit mehrfach besuchte, wollte Ende April in Berlin eine Ausstellung eröffnen. Derzeit sind Werke von ihm bis Anfang Mai in der Londoner Tate Modern Gallery ausgestellt.
Olympiastadion und Repressalien
Mit "großer Bestürzung" reagierte die documenta-Stadt Kassel. Oberbürgermeister Bertram Hilgen sagte, er sei "sehr in Sorge um das Wohlergehen" des Künstlers. Dessen Holz-Konstruktion aus Türen und Rahmen zerstörter chinesischer Häuser war eine der Haupt-Attraktionen auf der documenta im Jahr 2007. Goethe-Institutspräsident Klaus-Dieter Lehmann wies darauf hin, dass China für 2012 ein Kulturjahr in Deutschland vorbereite. Er sei der Auffassung, dass eine Verhaftung oder gar Verurteilung Ais für eine solche Veranstaltung in Deutschland katastrophale Folgen haben werde.
Ai genießt wegen seiner Kunstwerke und Installationen international hohes Ansehen. Als künstlerischer Berater war er auch an der Gestaltung des Olympiastadions in Peking beteiligt. Jedoch sieht er sich wegen seiner Kritik an der kommunistischen Führung der Volksrepublik regelmäßig Repressalien ausgesetzt. Wegen eines Streits mit den Behörden wurde im Januar sein Atelier in Shanghai abgerissen. Im Februar kam seine erste in China geplante Einzelausstellung nicht zustande. Der Künstler hatte vor wenigen Tagen angekündigt, dass er ein Studio in Berlin eröffnen wolle, nachdem er in China immer wieder an der Ausstellung seiner Kunst gehindert werde.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP