Politik

Kabinett beschließt Dioxin-Aktionsplan Aigner geht von Vorsatz aus

Zum Protest gegen die Futterindustrie wurden sogar Schweine vor das Kanzleramt gebracht.

Zum Protest gegen die Futterindustrie wurden sogar Schweine vor das Kanzleramt gebracht.

(Foto: REUTERS)

Agrarministerin Aigner sieht in der Ursache des Dioxin-Skandals vorsätzliches Handeln. "Die Täter waren und sind skrupellos", sagt sie. Niedersachsen spricht von Panscherei mit System. Mit einem Aktionsplan sollen derweil Konsumenten besser geschützt und Betriebe besser kontrolliert werden. Die Opposition wirft Aigner vor, sie müsse zum Jagen getragen werden.

Ilse Aigner ist nach Ansicht der Opposition zu zögerlich.

Ilse Aigner ist nach Ansicht der Opposition zu zögerlich.

(Foto: REUTERS)

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner geht im Dioxin-Skandal von einem vorsätzlichen Panschen mit belastetem Fett aus. "Die Täter waren und sind skrupellos", sagte die CSU-Politikerin in einer Regierungserklärung im Bundestag. Die Beimischung belasteter Zutaten verstoße gegen Gesetze. "Dioxin gehört nicht ins Futtermittel. Und Dioxin gehört schon gar nicht in die Lebensmittel", sagte Aigner. Die Opposition warf der Ministerin dagegen schwere Fehler vor. Der niedersächsische Agrarminister Gerd Lindemann sieht keine Alternative zur Massentierhaltung.

Zuvor hatte das Kabinett einen Aktionsplan von Aigner beschlossen, mit dem die Verbraucher besser vor Gift im Essen geschützt werden sollen. Für die Futtermittelbranche sollen schärfere Auflagen gelten. Dazu zählen eine Zulassungspflicht für Hersteller, eine zwingende Haftpflichtversicherung zum Schutz der Bauern, eine Meldepflicht für Schadstoffe sowie eine Internetseite für Lebensmittelwarnungen. Die Futtermittelkontrollen der Länder sollen verbessert werden, der Bund soll an der Qualitätsüberprüfung der Kontrollen mitwirken. Geplant sind auch härtere Strafen für Futtermittelhersteller.

Illegal und systematisch?

Nach Vermutung des niedersächsischen Agrarministeriums läuft die Panscherei schon weitaus länger als seit März 2010. Der Dioxin-Skandal sei letztlich wohl eine Panne beim illegalen und systematischen Vermischen technischer Fette mit Futterfetten, sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne. Die Praxis sei aufgeflogen, weil zu viel belastetes Fett untergemischt worden sei. Im Kieler Agrarministerium hieß es, man habe dazu keine Erkenntnisse.

Die Opposition warf Aigner schwere Fehler im Dioxin-Skandal vor. "Sie müssen zum Jagen getragen werden. Sie haben erst zögerlich agiert. Dann verfallen sie in Aktionismus", sagte der Fraktionsvize der Linken, Dietmar Bartsch. Auch Aigners Agieren habe das Vertrauen in sichere Lebensmittel erschüttert. Der SPD-Agrarpolitiker Wilhelm Priesmeier hielt der CSU-Politikerin vor, die Lage falsch beurteilt zu haben. Auch ihre Kommunikation nach außen sei mangelhaft gewesen.

Aigner wies Kritik zurück. Von Anfang an habe sie die Lage ernst genommen und dabei Sicherheit und Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten lassen, sagte die Bundesministerin. So habe sie einen Krisenstab und ein Bürgertelefon eingerichtet, sich mit der EU abgestimmt und sich um die internationalen Märkte gekümmert. Parallel habe sie an Konsequenzen gearbeitet, damit sich ein solcher Fall nicht wiederhole. "Das ist ein solides Vorgehen und das Gegenteil von blindem Aktionismus", sagt Aigner.

Kritik aus der Öko-Branche

SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber zeigte sich dennoch skeptisch, ob Aigners Pläne umgesetzt werden. "Die Gefahr bleibt, dass von ihren Ankündigungen am Ende wieder nur Überschriften bleiben", sagte er. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Noch bleibt sie den Nachweis schuldig, auch gegen Lobbyinteressen wirklich strengere Kontrollen und Regelungen durchzusetzen." Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn verlangte: "Die Behörden müssen jetzt auch bei anderen Betrieben schauen, ob das Untermischen von Dioxin-Futter Methode hatte."

Kritik am Aktionsplan kam auch aus der Öko-Branche. Momentan setze man nur darauf, dass Grenzwerte eingehalten werden. Doch beim Schutz vor Schadstoffen müsse viel früher angesetzt werden, sagte der Präsident des Öko-Anbauverbandes Bioland Deutschland, Thomas Dosch, im rbb. Die im Biobereich geltenden Kontrollen gingen bereits weit über das hinaus, was in diesem 14-Punkte-Plan vorgesehen sei.

Keine Argumente für umfassenden Strukturwandel

Niedersachsens Minister Lindemann will an der Massentierhaltung festhalten.

Niedersachsens Minister Lindemann will an der Massentierhaltung festhalten.

(Foto: dapd)

Niedersachsens neuer Agrarminister Gert Lindemann schließt derweil trotz des Dioxin-Skandals eine Änderung landwirtschaftlicher Produktionsweisen wie etwa bei der Massentierhaltung aus. "Das aktuelle Geschehen eignet sich absolut nicht dazu, Argumente für die Notwendigkeit eines umfassenden Strukturwandels in der Landwirtschaft zu liefern", sagte der CDU-Politiker in einer Regierungserklärung vor dem Niedersächsischen Landtag. "Eine nostalgische Verklärung traditioneller Produktionsweisen dient weder der Landwirtschaft noch dem Verbraucher." Lindemann war kurz zuvor vereidigt worden.

Lindemann kündigte auch verstärkte Kontrollen der Futtermittellieferanten, eine verbindliche Positivliste sowie eine räumliche Trennung bei der Produktion von Futter- und Industriefetten an. Auch Haftstrafen für Futtermittelpanscher regte er an. Bei derartig immensen Schäden durch kriminelles Handeln dürfe man die Schuldigen nicht mit einer Geldstrafe davonkommen lassen. Auch Aigner kündigte Konsequenzen an: "Vieles wird noch in diesem Jahr geschehen."

Bauernverband fordert Rettungsschirm

Aigner sagte in ihrer Erklärung weiter, sie sehe keine akute Gesundheitsgefahr für Verbraucher. "Die bisher ermittelten Dioxingehalte für Eier und Fleisch liegen bei einigen wenigen Proben über dem Grenzwert." Dies stelle nach Einschätzung ihrer Experten keine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung dar. "Trotzdem gilt: Dioxine sind ein Umweltgift." 100-prozentige Sicherheit für die Verbraucher könne es allerdings nicht geben. Aigner kündigte auch an, die regionale Vermarktung der Bauern zu stärken. Noch immer seien 931 Höfe bundesweit gesperrt.

Der Deutsche Bauernverband forderte eine Entschädigungsregelung für künftige Fälle verseuchter Futtermittel. "Wir wollen einen Rettungsschirm für die gesamte Branche", sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner in Berlin. In den Fonds sollten die Futtermittelhersteller einzahlen. Die deutsche Ernährungsindustrie kündigte derweil höhere Preise für Lebensmittel an. "Die Preise für Rohstoffe sind extrem gestiegen", sagte der Chef des Branchenverbands BVE, Jürgen Abraham.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts

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