Politik

Votum für die Große Koalition "Alte Tante SPD hat Standards gesetzt"

Große Freude: Sigmar Gabriels Plan ist aufgegangen.

Große Freude: Sigmar Gabriels Plan ist aufgegangen.

(Foto: imago stock&people)

Mit Blick auf die Große Koalition ist der SPD-Linke Ralf Stegner noch immer "Skeptiker". Dennoch freut er sich über das Ergebnis des Mitgliedervotums: "Das bringt enorm viel Rückenwind".

n-tv.de: Die SPD-Basis hat mit 76 Prozent für die Große Koalition gestimmt. Hätten Sie so ein klares Ergebnis erwartet?

Ralf Stegner ist Vorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein und als neuer SPD-Generalsekretär im Gespräch.

Ralf Stegner ist Vorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein und als neuer SPD-Generalsekretär im Gespräch.

(Foto: dpa)

Ralf Stegner: Nein, das hat mich schon überrascht. Das war wirklich eine großartige Beteiligung mit dieser hohen Quote und so einer klaren Zustimmung. Die ganze Partei hat wochenlang diskutiert, wir haben alle beteiligt und das hat offenbar gut funktioniert. Ein Großteil der Mitglieder hat sich den Koalitionsvertrag angeschaut und gemerkt: Das wurde gut verhandelt, da sind mehr als die 25 Prozent drin, die wir bei der Wahl erreicht haben. So erkläre ich mir das tolle Ergebnis.

Wie wichtig ist es für die SPD, mit so einem Ergebnis in die Regierungsarbeit zu starten?

Das bringt enorm viel Rückenwind für diejenigen in der Partei, die jetzt umsetzen müssen, was wir unseren Mitgliedern und Wählern versprochen haben. Wir haben im Koalitionsvertrag ja eine Menge durchgesetzt, was Arbeit, Rente, Kommunen, Bildung, Miete und Pflege betrifft. Es macht jedoch einen Riesenunterschied, ob man die Zustimmung von einem Parteitag mit 200 Leuten bekommt oder ob da 475.000 Mitglieder gefragt wurden. Auch Sigmar Gabriel bestärkt das Ergebnis in dem Kurs, den er als Parteivorsitzender in den letzten Jahren verfolgt hat.

Wie erklären Sie sich, dass viele Skeptiker offenbar umgestimmt werden konnten?

Ob es ein Umschwung ist, weiß ich gar nicht. Ich bin ja selbst Skeptiker. Viele teilen die Meinung, dass es schwierig ist, mit dem Hauptkonkurrenten eine Regierung zu bilden. Aber anders als die FDP haben wir nicht für ein paar Ministerposten unsere Glaubwürdigkeit drangegeben. Unsere Mitglieder sind dadurch überzeugt worden, dass wir die Kriterien, die wir beim Parteikonvent an uns gestellt haben, durchsetzen konnten. Auch die mit Nein gestimmt haben, haben einen guten Beitrag geleistet. Denn dadurch wird deutlich, dass es keine 90-Prozent-Entscheidung ist. Insofern war das Votum rundum eine gute Sache. Wir haben bewiesen, dass wir nicht nur die älteste demokratische Partei in Deutschland sind, sondern vielleicht auch die modernste.

Kann die SPD die Basis-Beteiligung vielleicht sogar zum neuen Markenkern machen, wenn sie in Zukunft zum Beispiel über ihren Kanzlerkandidaten abstimmt?

Vorstellen kann ich mir das durchaus, wobei man so etwas natürlich nicht dauernd machen kann. Das kostet ja auch sehr viel Geld. Aber das Prinzip, die Mitglieder mitreden zu lassen, das setzt auch für andere Parteien Standards. So konnte im 100. Geburtsjahr Willy Brandts dessen Slogan "Mehr Demokratie wagen" von der alten Tante SPD umgesetzt werden.

Inzwischen ist der Ressortzuschnitt der Großen Koalition veröffentlicht worden. Die SPD erhält die Ministerien für Äußeres, Wirtschaft und Energie, Arbeit und Soziales, Justiz, Familie und Umwelt. Warum diese Ressorts?

Beim Thema Arbeit haben wir im Koalitionsvertrag sehr viel durchgesetzt. Wir kümmern uns um eine moderne Familienpolitik und die Energiewende ist praktisch komplett in unseren Händen. Sinnvoll ist auch eine liberale Justizpolitik, die ein Gegengewicht zum Innenministerium darstellt. Dazu ist es gut, das Außenministerium wieder in den Händen von jemandem zu wissen, der dem Amt Gewicht gibt.

Frau Nahles wird Ministerin für Arbeit und Soziales. Sie werden als neuer Generalsekretär gehandelt.

Natürlich ist es erfreulich, wenn Menschen einem Dinge zutrauen. Das gehört zu den offenen Fragen, die noch zu klären sind. Da drängelt sich allerdings keiner vor, auch ich nicht.

Sigmar Gabriel ist Parteichef, Thomas Oppermann soll den Fraktionsvorsitz unternehmen. Als Generalsekretär wären Sie der dritte Mann in einem Spitzenamt. Wie wichtig ist Ihnen die Geschlechterparität der Partei?

Insgesamt muss alles austariert sein in der Führung. Es gibt künftig drei männliche und drei weibliche Minister, die Staatsministerin soll auch eine Frau sein. In der Fraktionsführung, also im Vorsitz und im Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers, kommen nach zwei Männern nun eine Mann und eine Frau. Also insofern hat die SPD das im Moment schon ganz gut gemacht.

Mit Ralf Stegner sprach Christian Rothenberg

Update: Kurz nach Veröffentlichung dieses Interviews teilte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit, dass Stegner nicht Generalsekretär, sondern Parteivize werden soll. Zur Begründung sagte Gabriel, die SPD wolle mit ihren drei "Alltagsgesichtern" - dem Parteichef, dem Fraktionschef und dem Generalsekretär - nicht ausschließlich von Männern repräsentiert werden.

Quelle: ntv.de

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