Politik

Wende im KoreakriegAm Cheongcheon feierte China seinen ersten Sieg über die USA

25.11.2025, 08:31 Uhr WZ-Reporter-Janis-peitsch-am-18-Oktober-2017Janis Peitsch
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US-Soldaten am Cheongcheon, wenige Tage vor Beginn der Schlacht. (Foto: picture alliance / akg-images)

Im November 1950 wähnen sich die UN-Truppen im Koreakrieg kurz vor dem Sieg. Eine letzte Offensive soll noch vor Weihnachten die Entscheidung bringen. Doch dann überrascht eine chinesische Übermacht die 8. US-Armee.

Eisiger Wind fegt am Abend des 25. November 1950 über die verschneiten Hügel am Fluss Cheongcheon in Nordkorea. Plötzlich zerreißt ein ohrenbetäubender Lärm aus Trompeten, Pfeifen und Zimbeln die Stille. Dann stürmen unzählige Gestalten aus der Dunkelheit auf die Stellungen der 8. US-Armee im Flusstal zu. Je näher sie kommen, desto lauter ertönt ihr furchteinflößender Schlachtruf. "Sha! Sha!", immer wieder "Sha! Sha!".

Sekunden später explodieren die ersten Artilleriegranaten in der angreifenden Masse und erhellen kurzzeitig die gespenstische Szenerie. Die amerikanischen Soldaten in den vordersten Schützenlöchern eröffnen das Feuer, bis der Feind mitten unter ihnen ist. In dieser Nacht beginnt ein achttägiges Inferno, das die UN-Streitmacht in Nordkorea an den Rand einer Katastrophe bringt und den längsten Rückzug in der US-Militärgeschichte einleitet.

"Die Schlacht am Cheongcheon ist einer der zentralen Wendepunkte des Koreakrieges", sagt der Historiker Oliver Heyn im Gespräch mit ntv.de. "Die Niederlage der 8. Armee markiert das Ende der UN-Offensive und zugleich den faktischen Eintritt Chinas in den Konflikt. Insgesamt kämpften bis Kriegsende fast drei Millionen chinesische Soldaten auf der koreanischen Halbinsel."

Mao entscheidet sich für eine Intervention

Dabei wähnen sich die USA nach einem dramatischen Kriegsbeginn noch kurz vor der Schlacht auf der Siegerstraße. Als Nordkorea im Juni 1950 den Süden überfällt, überrennen Pjöngjangs Streitkräfte innerhalb kurzer Zeit große Teile des Landes. Der Angriff löst in der westlichen Welt Schockwellen aus, zumal China und die Sowjetunion Nordkorea unterstützen. In Washington wächst die Furcht vor einem weltweiten Vormarsch des Kommunismus. Mit einem Mandat der Vereinten Nationen schicken die USA und 14 weitere Staaten Truppen, um Seoul zu unterstützen. An der Spitze der internationalen Allianz steht ein US-Nationalheld: Fünf-Sterne-General Douglas MacArthur, der Bezwinger Japans im Zweiten Weltkrieg.

Mit der Landung der UN-Truppen bei Incheon wendet sich das Blatt. Pjöngjangs Armeen erleiden schwere Niederlagen und treten die Flucht an. Ende September überschreitet die 8. US-Armee den 38. Breitengrad und marschiert in den Norden ein. Doch MacArthur hat die Rechnung ohne Mao Zedong gemacht. Der chinesische Diktator will ein geeintes Korea unter US-Einfluss unbedingt verhindern und schickt heimlich Truppen über den Grenzfluss Yalu ins Nachbarland. Um einen offiziellen Kriegseintritt zu vermeiden, spricht Peking offiziell von "Freiwilligen". In Wahrheit handelt es sich um reguläre Soldaten.

Um nicht entdeckt zu werden, bewegen sich Pekings Kämpfer zu Fuß und überwiegend nachts. MacArthur unterschätzt sowohl Maos Entschlossenheit als auch Größe und Kampfkraft des chinesischen Kontingents. Der Amerikaner ist überzeugt, dass sein Sieg unmittelbar bevorsteht. An Weihnachten werde der Krieg beendet sein, verspricht er. Am 24. November beginnt MacArthur mit 120.000 Mann seine "Home-by-Christmas-Offensive", um die letzten nordkoreanischen Verbände zu vernichten. Zu diesem Zeitpunkt befinden seit bereits 350.000 Chinesen im Land.

"Befanden uns in einem beständigen Feuerkampf"

Zunächst läuft für MacArthur alles nach Plan. Die Offiziere der 8. Armee glauben, innerhalb von 72 Stunden den Yalu zu erreichen. Doch nur einen Tag nach Beginn der Offensive schlagen die Chinesen bei Anbruch der Dunkelheit mit voller Wucht zu. "Der Angriff überraschte die UN-Truppen und sorgte für Chaos und Verunsicherung", sagt Heyn. "Vielen war zunächst nicht einmal klar, gegen wen sie kämpften."

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Nach der Schlacht verschärften sich die Spannungen zwischen US-Präsident Harry Truman und General Douglas MacArthur. (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Die Mehrheit der 230.000 chinesischen Soldaten, die an der Schlacht beteiligt sind, ist schlecht ausgerüstet und unterernährt, nur jeder Zweite trägt ein Gewehr. Doch was ihnen an moderner Ausstattung fehlt, machen sie durch Masse und Erfahrung im Gebirgskampf wett. Im Schutze der Dunkelheit attackieren Maos Kämpfer exponierte Stellungen von mehreren Seiten. Wird ein Angriffstrupp aufgerieben, folgt der nächste, bis ein Durchbruch gelingt.

Das scheinbar todesmutige Verhalten der Chinesen hinterlässt bei den Verteidigern Eindruck. "Wir befanden uns in einem beständigen Feuerkampf", erinnert sich ein US-Offizier später. "Wir mähten die Chinesen nieder und sie griffen dennoch weiter an. Ich bin nicht sicher, ob es Furcht, Zwang oder Verwirrung ist, was sie antreibt. Vielleicht ein wenig von allem."

MacArthurs Ansehen ist beschädigt

Während vier chinesische Armeen MacArthurs Streitmacht frontal angreifen, rollen zwei weitere seine rechte Flanke auf, die von südkoreanischen und türkischen Soldaten gehalten wird. In dem zerklüfteten Gelände kann die 8. Armee ihre Materialüberlegenheit nicht ausspielen. Gleichzeitig fallen die Temperaturen auf minus 30 Grad Celsius, Winterkleidung ist Mangelware.

Erst am 28. November erkennt MacArthur in seinem Hauptquartier im fernen Tokio den Ernst der Lage und befiehlt den Rückzug. Nur mit Mühe lösen sich seine Verbände vom Feind. Immer wieder versuchen chinesische Stoßtrupps, den UN-Soldaten den Rückweg abzuschneiden. Erst im Januar 1951 stabilisiert sich die Front in der Nähe des 38. Breitengrades - dort, wo der Krieg begonnen hatte.

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Für China markiert die Schlacht den ersten militärischen Erfolg über die Supermacht USA. Für MacArthur hingegen wird sie zur bitteren Demütigung. Statt den Sieg zu feiern, haben seine Truppen einen chaotischen Rückzug von mehr als 100 Kilometern hinter sich und stehen wieder in Südkorea. Die 8. Armee zählt 11.000 Tote, Verletzte und Vermisste. Die chinesischen Verluste werden auf 45.000 geschätzt.

"MacArthurs Fehleinschätzungen und sein Hochmut trugen maßgeblich zur Niederlage am Cheongcheon bei", sagt Heyn. "Das beschädigte sein Ansehen und verschärfte die Spannungen mit US-Präsident Truman, der den General wenig später entließ. Die Öffentlichkeit erkannte erstmals, dass der Koreakrieg kein schneller Sieg, sondern ein langer und verlustreicher Konflikt werden würde."

In den folgenden zwei Jahren tobt rund um den 38. Breitengrad ein mörderischer Stellungskrieg. Erst am 27. Juli 1953 unterzeichnen die Kriegsparteien einen Waffenstillstand, der bis heute gilt. Formell befinden sich Nord- und Südkorea weiterhin im Kriegszustand.

Quelle: ntv.de

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