Pflüger sieht die USA vor Bruch "Amerika wird grüner"
21.01.2008, 11:53 UhrDer Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger sieht die USA vor einer 180-Grad-Wende bei der Klimapolitik. "Ganz egal, wer im Weißen Haus regieren wird, Amerika wird grüner werden", erklärt der Transantlantiker im Gespräch mit n-tv.de. Alle Kandidaten hätten erkannt, wie wichtig eine Korrektur der USA-Position in dieser Frage sei, so Pflüger. Nur die amtierende Regierung bagatellisiere die Probleme, zahlreiche Gouverneure und Mitglieder des Senats seien allerdings bereit zu einer aktiven Welt-Klimapolitik durch die USA.
Pflüger zeigte sich überzeugt davon, dass ab dem kommenden Jahr auch das Thema regenerative Energien in Amerika einen Boom erleben wird. Gerade angesichts der steigenden Preise für Öl und Gas werde die Energiesicherheit auch für die USA zu einem wichtigen Kriterium der Politik. Dies, so der 52-Jährige, werde zu einer Hinwendung zu alternativen Energieträgern führen. Hiervon würden mit Sicherheit auch deutsche Firmen profitieren.
Dass dagegen die Atomkraft noch einmal eine Schlüssel-Rolle in der US-Energieversorgung spielen wird, glaubt Pflüger nicht. "Die Atomkraft ist eine Brückentechnologie. Jedes Land muss selbst entscheiden, wie weit diese Brücke noch in die Zukunft reichen soll. Die Zukunft ist die Kernenergie aber nicht, sondern die Regenerativen", so Pflüger. Keiner der Präsidentschafts-Kandidaten sehe das anders.
n-tv.de Interview
n-tv.de: Herr Pflüger, Sie sind überzeugter Transatlantiker, zugleich aber auch umweltpolitisch aktiv – eine Verbindung, die man nicht allzu häufig antrifft. Was erwarten Sie sich vom nächsten US-Präsidenten?
Friedbert Pflüger: Ich glaube, wir werden in Amerika nach den Wahlen eine drastische Veränderung erleben. Dort ist jenseits der Bush-Administration in den letzten Jahren generell eine neue Stimmung gewachsen. Die USA haben erkannt: 'Wir müssen mehr für das Klima tun, wir haben eine große Verantwortung, gerade als das mächtigste Land der Welt mit den höchsten CO2-Emissionen weltweit.' Das ist inzwischen überall in Amerika eine Binsenweisheit, nur in der republikanischen Administration ist dies noch nicht angekommen. Hier wird sich etwas ändern.
Ist diese Erkenntnis wirklich schon in der breiten Gesellschaft verankert? Wo ist dieser Stimmungswandel konkret zu sehen?
Bei Arnold Schwarzenegger in Kalifornien zum Beispiel. Er ist heute einer der Vorreiter beim Klimaschutz. Es gibt eine Initiative von Gouverneuren im Osten der USA, die ganz eindeutig auf Klimaschutz setzt. Aber auch viele Städte in Amerika sind Vorreiter, denken Sie nur an New York, wo man Phantastisches leistet. Hier wird sich nach den Wahlen ein echter Wandel abzeichnen. Und das ist gut für das Klima.
Gilt also, was Al Gore einmal gesagt hat: "Fünfzehn Minuten, nachdem Bush sein Büro verlassen hat, wird Amerika eine andere Klimapolitik betreiben"?
Ja, aber es kommt dennoch darauf an, wer gewählt wird. Es gibt ja doch erhebliche Unterschiede zwischen den Kandidaten
obwohl es doch erstaunlich ist, dass im aktuellen Wahlkampf bei allen Kandidaten Klimapolitik eher eine untergeordnete Rolle spielt.
Nein, das ist nicht so. Nicht bei Hillary Clinton, die ganz deutlich auf Klimawandel setzt und im Übrigen Deutschland und die Politik Angela Merkels als Vorbild gepriesen hat. Der Klimawandel spielt schon eine Rolle, aber die USA fürchten natürlich im Moment eine Rezession. Darum wird das dominierende Wahlkampfthema die Wirtschaftspolitik sein. Dann gibt es nach wie vor den Irakkrieg. Wir dürfen nicht glauben, dass Klimaschutz das dominierende Wahlkampfthema sein wird. Aber offenkundig ist, dass wir in den USA eine Hinwendung zu diesem Thema haben, dass man inzwischen auch die volkswirtschaftlichen Kosten erkennt, die der Klimawandel mit sich bringt – mit vermehrten Naturkatastrophen wie die enorme Flutkatastrophe von New Orleans. Ganz egal, wer im Weißen Haus regieren wird, Amerika wird grüner werden.
Welcher Partei würden Sie denn aus klimapolitischer Perspektive im US-amerikanischen Wahlkampf den Vorzug geben?
Ich werde keine Wahlempfehlung aussprechen, das ist, glaube ich, nicht unsere Aufgabe. Aber dass Hillary Clinton bisher am deutlichsten gemacht hat, dass der Klimaschutz für sie eine bedeutende Rolle spielt, ist ganz offenkundig. Wenn man allein aus dieser Perspektive entscheiden müsste, dann scheint das Thema bei den Demokraten wichtiger gehandelt zu werden als bei den Republikanern.
Sie würden also Hillary Clinton den Vorzug geben vor Barack Obama? Beide haben ja gesagt, sie wollten bis 2050 den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 80 Prozent reduzieren. Clinton will sofort nach Amtsantritt das Kyoto-Nachfolgeprotokoll anschieben, Obama ein neues "Global Energy Forum" initiieren. Die beiden sind sich, so scheint es, in Bezug auf klimapolitische Ziele relativ ähnlich.
Nun gut, generell muss man sagen, dass unter dem Klimaaspekt es ganz offenkundig ist, dass die demokratische Partei, der ja auch Gore angehört, deutlicher und entschiedener in diese Richtung marschiert. Ich muss allerdings betonen, dass es auch unter den republikanischen Spitzenpolitikern Leute gibt, die in der Praxis manchmal sehr viel mehr leisten als all die Klimabefürworter mit ihrer Rhetorik. Was im Bereich der Technologie heute an vorbildlichen Maßnahmen gefördert und umgesetzt wird, das hat oft in Kalifornien seinen Ursprung – hier sind wir wieder beim Republikaner Schwarzenegger.
Andererseits sind es aber besonders die Republikaner, die davor warnen, dass sich die USA von Energielieferungen aus dem Nahen Osten abhängig machen. Mitt Romney hat explizit darauf hingewiesen, man müsse energieunabhängig bleiben und die Energieressourcen der Welt kontrollieren und beherrschen, Zitat: "Unsere Entscheidungen und unser Schicksal darf nicht mit den Launen von Öl produzierenden Staaten verbunden sein." Das klingt weniger nach Klimaschutz durch erneuerbare Energien, sondern mehr nach dem Primat von Öl und Gas. Und ein wenig schwingt da auch der Slogan "Krieg um Öl" mit.
Im Gegenteil: Wenn sich in Amerika erst herumspricht, dass Energiesicherheit eines der entscheidenden Themen der Zukunft sein wird, dann spricht alles für die regenerativen Energien. Amerika hat unendlich viel Sonne, viel Wasser, hervorragende Technologien und Wissenschaftler. Wenn man dem Land einen Ratschlag geben könnte, müsste man sagen: Aufgrund seiner natürlichen Ressourcen und technischen Fähigkeiten ist gerade Amerika prädestiniert dafür, die erneuerbaren Energien voranzubringen und Technologieschübe zu ermöglichen. Damit kann Amerika, können wir alle, letztendlich Energiesicherheit gegenüber den fossilen Energieträgern und den Ländern, aus denen sie kommen, garantieren.
Denken Sie also, dass das Öl in den nächsten acht bis zwölf Jahren, egal wer künftig in den USA regiert, seine Vorrangstellung verlieren wird?
Absolut. Öl und Gas werden immer teurer. Insbesondere, da vor allem in den aufstrebenden Ländern dieser Welt wie Indien und China mit vielen hundert Millionen Menschen, die jetzt immer stärker am Wohlstand teilhaben, auch immer mehr Hunger nach diesen Energieträgern deutlich wird. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns davon lösen und die gewaltigen Ressourcen Wind und Sonne endlich richtig und auf höchstem technischen Niveau nutzen.
Dann könnte wohl auch Deutschland profitieren, wenn es in den USA zu einem Boom der erneuerbaren Energien kommt – beispielsweise im Bereich der Windkraft, die ja in Deutschland mitentwickelt wurde?
Meine Hoffnung ist, dass man in Deutschland der Bundeskanzlerin folgt und versteht, dass der Ruf nach regenerativen Energien nicht nur der Ruf irgendwelcher grünen Idealisten und Ökologen ist, sondern dass diese Technologien auch in unserem politischen Interesse sind. Einmal, weil die Kosten des Klimawandels ungeheuer hoch sind. Zum anderen aber, weil Deutschland auf den Gebieten der regenerativen Energien und auch beim Energiesparen so hervorragend aufgestellt ist, dass dies auch einen Schub für unsere Exportwirtschaft bedeuten kann. Nach einer Führungsrolle der deutschen Wirtschaft sehnen wir uns seit vielen Jahren. Wir haben sie nur noch in wenigen Bereichen. Bei den regenerativen Energien haben wir sie noch in weiten Teilen und die müssen wir ausbauen und nicht nur in Nischenbereichen am Rande. Hier liegt die Zukunft unseres Landes.
Glauben Sie, dass Amerika die Atomkraft noch im Blick hat? Oder spielen die Kernenergie und ihr Ausbau dort mittelfristig keine Rolle mehr?
Die Atomkraft ist eine Brückentechnologie. Jedes Land muss selbst entscheiden, wie weit diese Brücke noch in die Zukunft reichen soll. Die Zukunft ist die Kernenergie aber nicht, sondern die Regenerativen. Je schneller wir das verstehen und nicht mehr auf Brücken setzen, sondern die Zukunft umarmen, dort weiterarbeiten und unseren Forschen alle Möglichkeiten geben, desto besser für uns und desto besser für das Klima.
Noch einmal zurück zum US-Wahlkampf: Unter den Kandidaten, die jetzt noch im Rennen sind, haben Sie da einen Favoriten? Und wird sich ihr Favorit wohl am Ende durchsetzen?
Ich habe in der Tat meinen Favoriten, möchte Ihnen den aber nicht nennen. Ich finde, das gehört sich nicht. Das ist eine demokratische Wahl. Die Wähler in Amerika haben zu entscheiden und nicht wir im Ausland kluge Ratschläge zu geben. Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Prognose abgeben. Ich kenne einige der Kandidaten auch persönlich aus meiner langjährigen Tätigkeit im außenpolitischen Bereich und finde, da sind spannende Köpfe dabei. Denken Sie an jemanden wie Senator McCain, den wir in Deutschland schon seit Jahren kennen durch seine Besuche bei der Münchner Sicherheitskonferenz – ein großartiger Politiker. Hillary Clinton, mit all ihrer Erfahrung. Das sind gute Leute – auch die anderen Kandidaten, die zum Teil noch nicht so viel außenpolitische Erfahrung haben, können sich sehen lassen mit großen Erfolgen an der innenpolitischen Front. Bei einem Punkt bin ich mir aber ganz sicher: Ich glaube, dass wir einen spannenden Wahlkampf erleben werden, der auch über Themen geführt wird.
Mit Friedbert Pflüger sprach Tilman Aretz
Quelle: ntv.de