Politik

Morden und reich werden Amon Göth, der Schlächter von Plaszow

Amon Göth 1945.

Amon Göth 1945.

(Foto: Wikipedia)

Am liebsten tötete Amon Göth morgens, dann zielte er mit seinem Gewehr vom Balkon der Lagervilla in Plaszow und erschoss willkürlich Lagerinsassen. Im Februar 1943 übernahm der Österreicher das Zwangsarbeitslagers Krakau und gebärdete sich 500 Tage lang als ebenso sadistischer wie unersättlicher Mörder.

Ein Mann steht im Unterhemd und bequemen Sporthosen auf einem Balkon, er nimmt offenbar gerade einen tiefen Zug aus einer Zigarette, über die Schulter hat er locker ein Gewehr gelegt. Sein Blick ist nach unten gerichtet, doch auf welche Szenerie er schaut, das sieht man auf dem Foto nicht.

Der Mann ist SS-Hauptsturmführer Amon Göth. Er steht auf der Veranda seines Hauses, zu seinen Füßen liegt das Zwangsarbeiterlager Plaszow bei Krakau. Göth, der "Schlächter von Plaszow" ist bis heute das Sinnbild des sadistischen KZ-Kommandanten, jemand der aus Lust tötete und sich an den Häftlingen hemmungslos bereicherte.

Der Historiker Johannes Sachslehner erzählt in "Der Henker" die Lebensgeschichte von Göth, jenes charmanten Wiener Gentleman, der so großen Gefallen am profitablen Judenmord fand. Akribisch hat Sachslehner nicht nur biographische Details zusammengetragen, sondern auch die Zeugnisse vieler Plaszow-Häftlinge über Göth. Der Autor nennt Göths Leben "eine exemplarische Geschichte eines jungen Österreichers, der vom idealistisch gesinnten braunen 'Revolutionär' zum gewissenlosen Akteur des Massenmordes wurde".

Nicht als Mörder geboren

Das Buch ist bei Styria erschienen und kostet 18 Euro.

Das Buch ist bei Styria erschienen und kostet 18 Euro.

Amon Leopold Göth wurde am 11. Dezember 1908 in die gutbürgerlichen Verhältnisse einer Wiener Verlegerfamilie hineingeboren. Mony, wie er als Kind gerufen wird und wie ihn später auch seine Frauen nennen werden, ist ein eher schlechter Schüler, dafür interessiert er sich schon früh für Sport und rechtsnationale Ideen. In der Firma seiner Eltern, die überwiegend religiöse und militärische Bücher herausgeben, lernt der junge Göth Verlagsbuchhändler. In den kommenden Jahren wird er in Buchhandelsgeschäften ebenso unterwegs sein, wie für die nationalsozialistische Sache.

Im Mai 1931 tritt er in die NSDAP ein, kurz darauf wird er Mitglied der SS. Mit seinem nahezu bedingungslosen Gehorsam und der ihm eigenen Skrupellosigkeit steigt er in der Hierarchie des nationalsozialistischen Machtapparats schnell auf. 1940 lässt er sich nach Polen abkommandieren und zieht damit in den inneren Kreis der Mörder ein. Ehrgeizig bis zur Selbstaufgabe, aggressiv und bereit zu töten, wirkt Göth als "Auserkorener in der schwarzen Uniform mit dem Totenkopf", so beschreibt es Sachslehner.

Sein eigener Kommandeur

Im Generalgouvernement wird der ambitionierte SS-Mann Göth mit dem Ausbau des seit 1940 bestehenden Arbeitslager Budzyn betraut. Damit verbunden ist die Zerschlagung zahlreicher kleiner Ghettos. Es werden blutige Menschenjagden, bei denen sich Göth mit Pelzen, Juwelen und anderen Wertgegenständen dafür bezahlen lässt, dass er die Juden nicht gleich in den sicheren Tod schickt. Spätestens jetzt erkennt Göth, welche "Geschäftsmöglichkeiten der Judenmord in sich birgt".

Im März 1943 verantwortet Göth die Liquidierung des Krakauer Ghettos, zu dieser Zeit ist er bereits Kommandant des Zwangsarbeiterlagers Plaszow. Voller Stolz berichtet Göth seinem Vater: "Jetzt bin ich endlich mein eigener Kommandeur." Sachslehner berichtet anhand zahlreicher Zeugnisse überlebender Juden vom täglichen Grauen, das Göth verbreitete. Aus nichtigen Anlässen heraus, oft unter dem Einfluss von Alkohol, konnte sich Göth innerhalb von Sekunden in eine Bestie verwandeln.

Am liebsten tötete er morgens, zielte mit seinem Gewehr vom Balkon der Lagervilla und erschoss willkürlich Lagerinsassen. Fünfhundert Menschen soll Amon Göth eigenhändig ermordet haben, Männer, Frauen und Kinder. "Er genießt es, den Übergang von der Normalität zur Todesangst in den Augen seiner Opfer zu sehen, diesen Sekundenbruchteil des ungläubigen, verzweifelten Staunens", beschreibt Sachslehner die furchtbaren Tötungsszenen. Tauchte Göth mit Tirolerhut, weißen Handschuhen und Schal im Lager auf, wusste jeder, der Kommandant war in Mord-Laune.

Von den eigenen Leuten abgeholt

Im September 1944 hat Göths Gewaltherrschaft ein Ende. Seine Gier ist ihm selbst im rechtsfreien Raum der Konzentrationslager zum Verhängnis geworden. Wegen der "Aneignung von Wertgegenständen und Geld jüdischer Häftlinge mit dem Ziel persönlicher Bereicherung" wird er verhaftet, dem SS-Hauptsturmführer soll der Prozess gemacht werden. Bis zum April 1945 sitzt er in Untersuchungshaft, dann soll er in einem Flak-Ersatz-Regiment für den Endsieg kämpfen.

Schon Anfang Mai wird Göth offenbar nach einer Denunziation in Bad Tölz von den Amerikanern festgenommen. Deren Ermittlungen machen den Lügengeschichten, die sich Göth über den Alltag in Plaszow ausgedacht hat, bald ein Ende. Zahlreiche überlebende Juden sagen gegen das "Monster von Plaszow" aus. Daraufhin wird Göth an Polen ausgeliefert. Wegen der Ermordung von mehr als 8000 Menschen allein in Plaszow, der Mitschuld am Tod weiterer 2000 Menschen bei der Liquidierung des Krakauer Ghettos im März 1943 sowie Hunderten weiteren Morden wird Göth zum Tod durch Erhängen verurteilt und nach der Ablehnung eines Gnadengesuchs gehängt. Seine letzten Worte sind "Heil Hitler".

Sachslehner hat nicht nur die gesamten Prozessakten und Zeugenaussagen für sein Buch ausgewertet, er hat auch in verschiedenen Archiven geforscht  und mit Zeitzeugen gesprochen. Dennoch bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet. Warum fand Amon Göth so großen Gefallen am Töten? War es die Gier nach fremdem Besitz oder doch die ideologische Verblendung? Vielleicht lässt sich die Frage gar nicht beantworten.

Es ist jedoch Sachslehners großes Verdienst, dass er in seinem Buch weit über die Zeichnung des psychopathisch mordenden Sadisten Göth hinausgeht. Denn er stellt dem "Schlächter von Plaszow" immer wieder die Schicksale der Opfer gegenüber. Zum Teil sind die Schilderungen so bedrückend, dass man kaum weiterlesen kann. Und mit ihren Familiengeschichten errichtet er den von Göth ermordeten Juden ein Denkmal.

"Der Henker" bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen