Politik

Streit um Atomenergie "Ampel-Koalition" gefährdet

Neuer heftiger Streit von SPD, Grünen und FDP in der Atomenergie-Politik könnte eine denkbare "Ampel"-Koalition nach der Bundestagswahl am 27. September erschweren. Aber auch eine Große Koalition wäre in der Frage des Atomausstiegs wegen der von der Union geforderten Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten vorbelastet. Das zeigte die Bundestagsdebatte zur Atomenergie und Entsorgung des Nuklearmülls in Deutschland. Die SPD baut bisher auf eine "Ampel"-Koalition mit Grünen und FDP.

Grüne und Union hielten Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) einen "Schlingerkurs" vor, weil er zunächst eine Mitfinanzierung der Sanierung des maroden Salzbergwerks Asse bei Wolfsburg durch die Stromkonzerne abgelehnt habe, ihnen inzwischen aber eine Atomsteuer abverlangen wolle. Mit Union und FDP stimmte die SPD gegen mehrere Vorhaben der Grünen: Danach dürfen alte Atomkraftwerke wie Biblis in Hessen oder Krümmel in Schleswig-Holstein trotz wiederholter technischer Pannen weiter am Netz bleiben. Zurückgewiesen wurde auch der Antrag, das wegen ständiger Laugenzuflüsse durchlöcherte Salzbergwerk Asse sofort zu stabilisieren und Atommüll herauszuholen.

"Irreführung des Parlaments"

Für die CDU forderte Maria Flachsbarth, bei der Sicherung der Asse müsse im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung mehr Tempo an den Tag gelegt werden. Bisher seien immer neue Gutachten angefordert worden. "Das muss es dann aber auch sein. Wir müssen jetzt dringend handeln." Gabriels Schwenk von der Ablehnung einer Mitfinanzierung bei der Sanierung des Bergwerks hin zur Kernbrennstoff-Steuer von 1,6 Milliarden Euro, die Gabriel im ersten Jahr bei den Konzernen locker machen will, sei eine "Irreführung des Parlaments". Wahlkampf rechtfertige keine Verunsicherung der Bürger. Die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl sprach von erheblichen Versäumnissen bei der Asse.

"Sorgfalt vor Schnelligkeit"

Gabriel erwiderte, eine rückwirkende Mitwirkung der Unternehmen an der Finanzierung der Asse wäre verfassungsrechtlich nicht haltbar gewesen. Möglich sei dagegen eine Brennstoffsteuer, die nach jüngsten Angaben keine Strompreiserhöhungen rechtfertigen soll. Vorhaltungen der Grünen über ein zu spätes Eingreifen in dem Salzbergwerk wehrte der Minister ab. "Warum haben Sie sich eigentlich in sieben (Regierungs-)Jahren nicht um die Asse gekümmert", erinnerte Gabriel an die rot-grüne Koalition von 1998 bis 2005. Es gebe Unterlagen, wonach der damalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin es für richtig erklärt habe, die 126 000 in der Asse lagernden Fässer dort zu belassen. Jetzt rangiere "Sorgfalt vor Schnelligkeit". Bis zum Jahresende soll über die Schließung der Asse entschieden sein.

Nicht am Ausstieg rütteln

Während Union und FDP die Verlängerung der Atommeiler-Laufzeiten propagierten, verteidigte Gabriel den 2001 beschlossenen Ausstieg bis 2021/2022. Dabei warnte er auch vor weltweiten atomaren Sicherheits- Risiken und widersprach der Behauptung der Union, dass weltweit die Atomenergie ausgebaut werde. So gebe es global nur 40 Anträge für Neubauten, von denen die meisten wegen der hohen Kosten - gerade auch in der Wirtschaftskrise - nicht gebaut werden könnten. Für den Ausbau von Kombi-Kraftwerken zum flexiblen Einsatz von Wind, Sonne und Bioenergie wird in der Koalition eine Förderung erwogen, teilte der umweltpolitische SPD-Sprecher Marco Bülow (SPD) mit.

Die Grünen kritisierten den Minister auch wegen seiner Kohlepolitik. Für die Grünen erklärte Bärbel Höhn, der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion könnte bis 2020 nach Angaben der Branche von jetzt 15 auf rund 50 Prozent ausgebaut werden. Die Union und der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch verlangten ein Nebeneinander von Öko-Energien und Atomkraft.

Quelle: ntv.de, Von Wolfgang Bunse, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen