Politik

Polonium in der Unterhose Arafat wird exhumiert

Arafats Mausoleum in Ramallah.

Arafats Mausoleum in Ramallah.

(Foto: dpa)

Seit Jahren halten sich Gerüchte, Palästinenserpräsident Arafat sei ermordet worden. Bei vielen Palästinensern gilt dies sogar als so gut wie sicher. Nun wird Arafat exhumiert. Seine Leiche soll auf das Strahlengift Polonium-210 untersucht werden. Denn Spuren davon fanden Schweizer Experten in Arafats Wäsche.

Nach zweiwöchigen Vorbereitungen sollen die sterblichen Überreste des früheren Palästinenserführers Jassir Arafat an diesem Dienstag exhumiert werden. Das sagte ein Mitglied der palästinensischen Kommission zur Aufklärung der Todesursache des Volkshelden.

Grund für die Aktion ist ein Verdacht, Arafat sei vor acht Jahren vergiftet worden. Internationale Experten sollen nun Proben von der in einem Mausoleum bestatteten Leiche entnehmen, um diese zu untersuchen.

Arafat ist in den Palästinensergebieten noch immer allgegenwärtig.

Arafat ist in den Palästinensergebieten noch immer allgegenwärtig.

(Foto: AP)

Französische Fachleute trafen bereits in Ramallah im Westjordanland ein. An diesem Sonntag würden auch Experten aus der Schweiz und Russland erwartet, sagte der Palästinenser-Funktionär, der anonym bleiben wollte.

Arafat war am 11. November 2004 in einem Militärkrankenhaus bei Paris im Alter von 75 Jahren gestorben. Seither hält sich bei vielen Palästinensern der Verdacht, Israel habe den Widersacher vergiftet.

"Das macht nur bis November Sinn"

Angestoßen wurde die Exhumierung durch Untersuchungen in der Schweiz. Experten vom "Institut de radiophysique" der Universitätsklinik in Lausanne fanden im Juli erhöhte Werte des radioaktiven Stoffes Polonium-210 an Arafats Unterhose. Mit derselben Substanz war der frühere KGB-Agent Alexander Litwinenko 2006 in London vergiftet worden. Allerdings eilt es mit der Untersuchung, denn Polonium-210 zerfällt schnell. "Das macht nur bis Oktober oder November Sinn", sagte der Sprecher der Universitätsklinik, Darcy Christen. Später wären mögliche radioaktive Spuren im Knochengewebe Arafats nicht mehr nachweisbar.

Dass die Zeit nun langsam knapp wird, lag vor allem an der Brisanz der Exhumierung. Arafat ist in der Erinnerung vieler Palästinenser inzwischen fast so etwas wie ein Volksheiliger und auch die mögliche Verletzung religiöser Gefühle verzögerte die Erlaubnis zur Graböffnung immer wieder. Die Strafanzeige der Arafat-Witwe Suha in Frankreich wegen Giftmordes machte die Entscheidung auch nicht einfacher, weil die Exhumierung nun auch noch mit den französischen Ermittlungsbehörden abgestimmt werden musste.

Am schwersten aber wog wohl, dass viele Palästinenser die Aufregung ohnehin für überflüssig halten. Für sie steht schlicht fest, dass Erzfeind Israel ihren "Führer" vergiftet hat. Daran würde sich wohl auch nichts ändern, wenn die Experten aus der Schweiz und aus Russland gar kein Polonium-210 finden sollten.

"Das hätte kein Arzt übersehen können"

Der französische Strahlenmediziner Roland Masse hält die Suche nach der radioaktiven Substanz aus anderen Gründen für vergeblich. Es sei "absolut unmöglich", dass Arafat mit Polonium-210 vergiftet wurde, sagte er kürzlich. Das hätte kein Arzt damals übersehen können, ist sich der Mitarbeiter des Krankenhauses bei Paris sicher, in dem Arafat starb.

Der prominenteste Anhänger der Giftmordtheorie ist Arafats Neffe, Nasser Kudwa. Kudwa, Mitglied der Fatah-Führung und Leiter des Arafat-Instituts in Ramallah, ist überzeugt, dass es auch ohne die neue Untersuchung schon erdrückende Beweise für die Vergiftung seines Onkels durch Israel gebe. Deshalb müsse niemand Arafats Grab antasten. Viel wichtiger findet er, Israel für Arafats Ableben zur Rechenschaft zu ziehen. Die Israelis haben jedoch stets dementiert, irgendetwas mit dem Tod ihres langjährigen Gegners zu tun zu haben.

Gründe, den alternden Patriarchen und Palästinenserpräsidenten ins Jenseits zu befördern, könnten indes auch andere gehabt haben. Die Intrigen innerhalb der Palästinenser lassen viel Raum für Verschwörungstheorien. Mit seinem autoritären Führungsstil aus der Guerilla-Zeit hat sich Arafat, der auch mal einen Minister ohrfeigte und einen Sicherheitschef mit vorgehaltener Pistole entließ, wohl nicht nur Freunde gemacht. Zudem wucherte unter seiner Führung die Korruption und Hilfsmillionen wurden nicht nur in Aufbauprojekte, sondern auch auf Konten in fernen Steuerparadiesen gelenkt.

Quelle: ntv.de, dpa

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