Keine Gefahr durch Bulgaren und Rumänen Arbeitsministerium widerspricht CSU-These
30.12.2013, 07:35 Uhr
"Gute Beschäftigungsaussichten": Das Arbeitsministerium sieht die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien eher positiv.
(Foto: dpa)
Wenn Bulgaren und Rumänen einen leichteren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen, drohe eine Welle der Armutszuwanderung, Sozialbetrügern müsse Einhalt geboten werden. So sieht es die CSU. Das Arbeitsministerium ist anderer Meinung.
Das Bundesarbeitsministerium sieht keine besonderen Risiken durch die Öffnung des Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen im Januar. Nach den Erfahrungen der Öffnung für Polen und weitere mittel- und osteuropäische EU-Bürger 2011 seien keine erheblichen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten, heißt es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete.
Unter anderem heißt es in der Einschätzung des Bundesarbeitsministeriums, in den vergangenen Jahren sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bulgaren und Rumänen in Deutschland stärker gestiegen als die Zahl der Zuwanderer aus beiden Ländern. "Diese Entwicklung deutet auf weiterhin gute Beschäftigungsaussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin", zitiert die Zeitung das Ministerium.
Auch die Zahl der bulgarischen und rumänischen Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe sei zwischen 2010 und 2013 deutlich weniger gestiegen als die Zahl der Migranten aus beiden Ländern. Insgesamt gehe es um eine kleine Gruppe, nämlich um 0,4 Prozent aller Leistungsberechtigten. Allerdings trage ein Teil der Zuziehenden in besonders betroffenen Kommunen zu einer Verschärfung der Probleme bei und belaste Hilfseinrichtungen wie etwa Obdachlosenheime.
CSU verlangt härtere Gangart
Der zuständige EU-Sozialkommissar Laszlo Andor erwartet von der Öffnung mehr Wohlstand für Deutschland. "Die Aufhebung der bisherigen Beschränkungen für Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien wird nicht zu ernsthaften Störungen oder gar Schocks in der deutschen Wirtschaft oder sonst wo in Europa führen", sagte er der "Welt". "Der Zuzug von rumänischen und bulgarischen Arbeitnehmern wird im Gegenteil bemerkenswert positive wirtschaftliche Auswirkungen haben und zu Wohlfahrtsgewinnen in Deutschland führen." Als Grund nannte Andor, die neuen Migranten würden dazu beitragen, den Arbeitskräftemangel in einigen Branchen zu beseitigen.
Die CSU hatte am Wochenende eine heftige Debatte über das Thema ausgelöst, weil bekanntgeworden war, dass sie auf ihrer Klausur Anfang Januar einen schärferen Kurs gegen sogenannte Armutszuwanderer aus EU-Staaten beschließen will. Die Haltung der Partei kommt in der Formel "Wer betrügt, der fliegt" zum Ausdruck. Anlass sind Befürchtungen, die von Januar an geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren könnte zu einem verstärkten Zuzug aus diesen Ländern führen. Die CSU will ihnen der Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren, wie aus der Beschlussvorlage für ihre Klausur hervorgeht. Die Christsozialen fordern eine Wiedereinreisesperre bei Sozialbetrug und erwägen eine Aussetzung aller Sozialleistungen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts.
SPD über CSU-Forderung empört
Aus der CSU kamen mehrere Stimmen, die die kritisierte Haltung verteidigten. Der Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, sagte "Spiegel Online": "Laut europäischem Recht dürfen Mitgliedsstaaten jenen EU-Bürgern, die Sozialmissbrauch betrieben haben, die Einreise verweigern. Dass man diesen Sachverhalt pointiert formuliert, daran kann ich nichts Schäbiges finden." Auch andere EU-Länder setzten dies konsequent um. "Ich kriege E-Mails von Senioren, die sich in Mallorca niederlassen wollten und Probleme hatten, rechtzeitig ihre Rentenbescheide zusammenzukriegen. Die wurden nach 90 Tagen ohne Pardon wieder nach Hause geschickt. Warum sollten wir hierzulande freigiebiger sein?", sagte Ferber.
Die Debatte wird derweil zum ersten Prüfstein für die noch junge Große Koalition im Bund. Die SPD-Vizevorsitzende und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özuguz, warf der CSU vor, durch "falsche Pauschalurteile" die Stimmung gegen Arme aufzuheizen. Die Angst vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu schüren sei "eindimensional und unsachlich", sagte Özoğuz.
Auch aus der Wissenschaft kam scharfe Kritik. Der Arbeitsmarktforscher Klaus Zimmermann sprach von einer "unverantwortlichen Stimmungsmache". Zugleich müsse allerdings ein "Sozialtourismus" durch klare Regeln verhindert werden.
Quelle: ntv.de, jog/dpa