Steigt Vattenfall aus? Ärger in den Branche
14.07.2007, 08:32 UhrNach der Pannenserie in deutschen Atomkraftwerken wird über einen Ausstieg von Vattenfall diskutiert. "Der Spiegel" hatte berichtet, bei Vattenfall gebe es Überlegungen, die Betreiberlizenz für die Atommeiler Krümmel und Brunsbüttel abzugeben. In der abgelaufenen Woche habe es schon erste Gespräche mit E.ON gegeben. E.ON ist zu 50 Prozent an Krümmel beteiligt, an Brunsbüttel hält der Düsseldorfer Konzern ein Drittel.
Am Samstagnachmittag wiesen die beteiligten Stromkonzerne den "Spiegel"-Bericht zurück. Bei E.ON hieß es: "Von Vattenfall liegt uns überhaupt keine Anfrage zur Änderung des Vertrages über die Kernkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel vor, demzufolge auch keine Anfrage zur Änderung der Betriebsführung", sagte die Sprecherin von E.ON Kernkraft, Petra Uhlmann.
Zuverlässigkeit verspielt
Nach den Zwischenfällen in den beiden Atommeilern hatte das für die Atomaufsicht zuständige schleswig-holsteinische Sozialministerium eine Prüfung eingeleitet, ob Vattenfall die Betriebserlaubnis entzogen wird. Begründet wurde dies damit, dass Vattenfall der Öffentlichkeit durch Bagatellisieren und Weglassen die wirklichen Ereignisse nur Stück für Stück und auf Druck mitgeteilt habe. Durch seine Informationspolitik habe der Konzern das Vertrauen der Menschen in seine Zuverlässigkeit öffentlich und politisch verspielt, hatte Ministerin Gitta Trauernicht erklärt.
Weiße Weste für deutsche AKW
Da E.ON einen besseren Ruf als Vattenfall beim Betreiben von Atomkraftwerken genießt, könnte damit eine drohende Schließung abgewendet werden. Im "Spiegel" heißt es dazu, E.ON wolle aber vor einer Entscheidung die Aufarbeitung der Vorfälle in Krümmel abwarten. Mehrere Medien hatten zudem von einer Verstimmung in der Branche berichtet: Angesichts der Debatte über die Atom-Sicherheit gebe man der beantragten Laufzeit-Verlängerung für die Meiler Biblis A, Brunsbüttel und Neckarwestheim 1 nun kaum noch Chancen.
Vattenfall räumt Fehler ein
Zwei Wochen nach den Pannen im Meiler Krümmel bei Hamburg hatte Vattenfall Kommunikationsprobleme beim Kraftwerkspersonal eingeräumt. In der Dokumentation für die Atomaufsicht ist von einem "Missverständnis zwischen dem Schichtleiter und dem Reaktorfahrer" die Rede. Es geht ums Bedienen der Ventile, um den Druck im Reaktorbehälter zu senken. Der Reaktorfahrer habe zwei Ventile geöffnet und minutenlang offen gelassen, statt sie abwechselnd zu öffnen und zu schließen, wie dies der Schichtleiter gewollt habe.
Am 28. Juni war Krümmel vom Netz gegangen und steht seither still. Am Freitag hatten sich Polizisten mit einem Durchsuchungsbeschluss Zutritt zu Leitstand und Büros der Anlage verschafft. Die Ermittler befragten den Reaktorfahrer des Unglückstags. Vattenfall hatte dessen Personalien zuvor noch mit Verweis auf Schutz der Person verweigert.
FDP auf dem Trittbrett
Angesichts der Zwischenfälle im AKW Krümmel befürwortet die FDP die Stilllegung des Reaktors. "Wir haben immer gesagt: Unsichere Kraftwerke gehören abgeschaltet", sagte Generalsekretär Dirk Niebel der "Berliner Zeitung". Nur mit dieser Klarheit könne gewährleistet werden, dass sichere Kernkraftwerke Bestandteil eines vernünftigen Energiemixes der Zukunft seien, betonte Niebel.
Auf Grund des "blamablen Krisenmanagements" fordert Niebel indirekt den Rücktritt von Konzern-Verantwortlichen. Auch der für die Atomaufsicht zuständigen Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) legte er den Rücktritt nahe. "Selbstverständlich müssen festgestellte Fehler bei politisch Verantwortlichen wie bei Betreibern Konsequenzen haben", sagte Niebel.
Auszug aus der Dokumentation
Vattenfall dokumentiert im Zwischenbericht das Geschehen vom Kurzschluss in einem Trafo bis zur Aufarbeitung der Zwischenfälle. Wegen Ausfalls der Eigenstromversorgung schaltete sich der Reaktor ab. Eine der Wasserpumpen des Reaktors fiel aus. Den Schilderungen zufolge fiel der Pegel im Reaktor-Druckbehälter in zehn Minuten deutlich. Dieses Wasser kühlt unter anderem die Brennstäbe. Der Pegel stand zwischenzeitlich bei weniger als 12 Metern und musste wieder auf etwa knapp 14 Meter angehoben werden. Die kritische langfristige Versorgung sei aber gesichert gewesen. Ventile wurden geöffnet, erst automatisch, dann von Hand. Dieses Öffnen führte zu einem Druckabfall im Reaktorbehälter um über zwei Drittel von 65 Bar auf 20 Bar.
Unterdessen waren am Trafo außerhalb des Reaktorkomplexes Löscharbeiten im Gange. Die Luftzufuhr des Kontrollgebäudes mit der Leitwarte filterte nun zwar den Rauch heraus, zog aber giftiges Brandgas an. Die Brandmelder sprangen an, gingen von einem Feuer im Inneren aus und lösten den "Entqualmungsbetrieb" aus, der noch mehr Brandgas in das Schaltanlagengebäude und zur Schaltwarte pumpte. Die Beschäftigten mussten in die Steuerung der Entlüftung eingreifen. Der Reaktorfahrer setzte Atemschutz auf. Verletzt worden sei niemand.
Quelle: ntv.de