DGB kritisiert DIW-Studie Armutsrisiko geht zurück
16.09.2008, 17:30 UhrDie Zahl der von Armut bedrohten Menschen in Deutschland hat sich nach Erkenntnissen von Wirtschaftsforschern erstmals seit zehn Jahren verringert. Zudem seien die Einkommen weniger ungleich verteilt, und die Schere zwischen niedrigen und hohen Löhnen habe sich nicht weiter geöffnet, heißt es in zwei Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf dem DIW vor, das Armutsproblem herunterzuspielen. Die Nationale Armutskonferenz in Hannover forderte höhere staatliche Zuwendungen für bedürftige Kinder.
Zahlen von 2006
Als Hauptursache für die Entwicklung nannte das DIW den Rückgang der Arbeitslosigkeit. "Damit ist zumindest ein Teil der Aussage, dass die Menschen nicht vom Aufschwung profitiert hätten, widerlegt", sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann in Berlin. Offen bleibe allerdings, ob die Trends von Dauer seien. Den beiden Studien liegen Zahlen aus dem Jahr 2006 zugrunde. Befragt wurden mehr als 10.000 Haushalte.
Dem DIW zufolge hat sich der Anteil deutscher Haushalte mit Armutsrisiko im Vergleich zum Jahr zuvor von 18 auf 16,5 Prozent reduziert. Das entspricht mehr als einer Million Betroffener. Ein Haushalt gilt dann als armutsgefährdet, wenn er über weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens verfügt.
Für einen Alleinlebenden sind das derzeit rund 890 Euro im Monat. Allerdings handele es sich bei den Entwicklungen nur um eine "leichte Korrektur eines langfristigen Trends", sagte Joachim Frick vom DIW. Das Armutsrisiko liege nach wie vor weit über dem Niveau von zu Beginn der 1990er Jahre (13 Prozent). Der Anteil derjenigen, die dauerhaft in Armut lebten, sei stabil hoch.
Kritik an Studie
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte den Tenor der Studie. "Das DIW versucht offensichtlich, das Armutsproblem in Deutschland kleinzureden, um Stimmung gegen Mindestlöhne zu machen", hieß es in einer Mitteilung. Ein Arbeitsplatz sei kein Garant mehr gegen Armut. Deutschland sei weiterhin das Land mit dem größten Niedriglohnsektor in Kontinentaleuropa.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt wertete die DIW-Studie dagegen als Beleg dafür, dass der wirtschaftliche Aufschwung in allen Bereichen des Arbeitsmarktes angekommen sei. Die Voraussetzungen dafür hätten "ein funktionsfähiger Niedriglohnbereich und eine moderate Lohnentwicklung" geschaffen. Hundt warnte erneut vor gesetzlichen Mindestlöhnen, "weil sie Arbeitsplätze vernichten und neue verhindern".
Die Nationale Armutskonferenz in Hannover forderte unterdessen ein Sofortprogramm gegen Kinderarmut. Der sogenannte Kinderregelsatz von derzeit 208 Euro - das festgelegte Existenzminimum von Kindern - müsse sofort um 20 Prozent erhöht werden. Streitigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über Zuständigkeiten dürften dem nicht entgegenstehen. Die Armutskonferenz ist ein Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, bundesweit tätiger Fachverbände und Selbsthilfeorganisationen sowie des DGB.
Quelle: ntv.de