Blutige Eskalation in Ost-Ghuta Assad bereitet neues "Massaker" vor
21.02.2018, 18:40 Uhr
Helfer bergen eine Leiche in den Trümmern von Ost-Ghuta.
(Foto: REUTERS)
Bereits seit sieben Jahren tobt der blutige Bürgerkrieg in Syrien. Jetzt droht der Konflikt gleich an zwei Fronten vollkommen außer Kontrolle zu geraten: Ost-Ghuta und Afrin. Weltweit ist die Sorge groß, dass es noch schlimmer kommen könnte.
Die massiven Angriffe auf das syrische Rebellengebiet Ost-Ghuta haben weltweit die Sorge vor einer weiteren Eskalation des Konflikts verschärft. Die Bundesregierung verurteilte die Offensive der syrischen Armee als "Feldzug gegen die eigene Bevölkerung". Syriens Machthaber Baschar al-Assad müsse das "Massaker" in der Region beenden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, das "Grauen von Aleppo" drohe sich wenige Kilometer von Damaskus entfernt zu wiederholen.
Bei den Angriffen auf Ost-Ghuta wurden in den vergangenen Tagen Aktivsten zufolge fast 300 Zivilisten getötet. Allein am Mittwoch kamen bei Luftangriffen und Artilleriebeschuss auf die Region nahe Damaskus mindestens 27 Zivilisten ums Leben, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete.
"Leichenhäuser sind voll"
Das eingeschlossene Gebiet in der Nähe der Hauptstadt Damaskus erlebt eine der schlimmsten Angriffswellen seit Beginn des Bürgerkriegs vor fast sieben Jahren. Syrische Eliteeinheiten hatten eine Bodenoffensive auf Ost-Ghuta angekündigt. Unter den fast 300 getöteten Zivilisten seien mehr als 70 Kinder, erklärte die Beobachtungsstelle. Mehr als 1500 Menschen seien verletzt worden. Aktivisten meldeten rund 3000 Angriffen seit Sonntag.
"Unsere Leichenhäuser sind voll, unsere Gräber können keine weiteren Körper aufnehmen", sagte der Aktivist Abu Ahid. Ärzte ohne Grenzen (MSF) berichtete, seit Sonntag seien 13 Kliniken, die von der Hilfsorganisation in der Region unterstützt werden, angegriffen und zerstört oder beschädigt worden. Insgesamt zählte MSF alleine in den unterstützten Krankenhäusern 237 Tote und knapp 1300 Verletzte.
2016 hatte die syrische Armee den Osten der nordsyrischen Stadt Aleppo über Monate mit heftigen Luftangriffen bombardiert. Dabei wurde vor allem der Osten Aleppos massiv zerstört.
Appell an Russland und Iran
Angesichts der Eskalation in Ost-Ghuta zeigte sich UN-Generalsekretär António Guterres "zutiefst beunruhigt". Besonders die Folgen für die Zivilbevölkerung machten ihm Sorgen, sagte sein Sprecher Stephane Dujarric in New York. Regierungssprecher Seibert appellierte an Syriens Verbündete Iran und Russland, auf Machthaber Assad einzuwirken. "Ohne die Unterstützung dieser beiden Verbündeten wäre das Assad-Regime militärisch nicht da, wo es heute ist", sagte er.
Regierungstreue syrische Medien meldeten, auch russische Flugzeuge flögen Luftangriffe auf Ost-Ghuta. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies jedoch den Vorwurf zurück, Russland sei am Tod von Hunderten Zivilisten in dem Gebiet beteiligt. "Das ist haltlos, völlig unklar, auf was die Vorwürfe basieren", sagte Peskow.
Ost-Ghuta gehört zu den letzten Gebieten des Bürgerkriegslandes, die noch unter Kontrolle von Rebellen stehen. Dominiert wird die Region von islamistischen Milizen. Sie ist seit Monaten von Regierungstruppen eingeschlossen. Rund 400.000 Menschen sind dort wegen der Blockade fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Helfer berichten von einer dramatischen humanitären Lage.
Türkei droht Unterstützern
Für Beunruhigung sorgt weiterhin auch die Lage im Nordwesten des Landes, wo seit dieser Woche syrische Regierungstruppen die Kurden im Kampf gegen die Türkei unterstützen. Ein Kurdensprecher berichtete erneut von heftigen Zusammenstößen. Bei türkischem Artilleriebeschuss auf die Stadt Afrin seien sechs Menschen verletzt worden, darunter vier Kinder, hieß es. Die Türkei hatte vor rund einem Monat eine Offensive auf Afrin begonnen.
Das Gebiet wird von der Kurdenmiliz YPG kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und bekämpft sie. Zur Unterstützung der Kurden waren am Dienstag syrische Regierungstruppen in das Gebiet eingerückt. Am Mittwoch soll weitere Unterstützung das Gebiet erreicht haben. Insgesamt sollen jetzt bis zu 500 Regierungsanhänger in Afrin sein, bei denen es sich offiziell ums "Volkskräfte" handelt.
Die Türkei reagierte mit einer Drohung auf die syrischen Truppen. Wer die YPG unterstütze, stehe auf der Seite der "Terrororganisation" und werde "für uns zu einem legitimen Ziel", sagte ein Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Russland rief als Verbündeter Syriens alle ausländischen Mächte zu Friedensgesprächen mit der Regierung von Machthaber Baschar al-Assad auf. Die territoriale Einheit und Souveränität Syriens müsse gewahrt bleiben.
Quelle: ntv.de, chr/rts/dpa