Bin Salman trifft Trump Atomare Pokerrunde im Weißen Haus
19.03.2018, 14:08 Uhr
Techniker in der Urananreicherungsanlage im iranischen Isfahan im Jahr 2007. Platzt der Atom-Deal, wird das Land sein Atomprogramm höchstwahrscheinlich wieder aufnehmen.
(Foto: AP)
Der Ton gegenüber dem Iran verschärft sich in Washington - und in Riad. Nun treffen sich US-Präsident Trump und der saudische Kronprinz. Der Atom-Deal steht auf dem Spiel. Das könnte eine gefährliche Kettenreaktion auslösen.
Was passiert, wenn die USA den Atom-Deal mit dem Iran kündigen? Das Land wird höchstwahrscheinlich sein Nuklearprogramm wieder aufnehmen - mit allen Konsequenzen für die Region. Morgen treffen sich in Washington zwei mächtige erklärte Feinde des Landes und Gegner des Abkommens. Beide wollen den Deal nicht mehr. Setzen sie sich durch, könnten sie ein gefährliches Dominospiel auslösen.
Morgen besucht der 32-jährige saudische Kronprinz US-Präsident Donald Trump. Viel deutet darauf hin, dass es mehr wird als ein Anstandsbesuch des Thronfolgers beim mächtigen Verbündeten. Bin Salman will neben dem Weißen Haus in Washington auch potenzielle Investoren der New Yorker Finanzbranche besuchen. Im texanischen Houston will er sich mit Vertretern der Ölindustrie unterhalten, in Hollywood mit Größen der Filmbranche dinieren und im Silicon Valley Internet-Unternehmer treffen. Für seinen wirtschaftlichen und innenpolitischen Reform-Rundumschlag – "Vision 2030" genannt – braucht er mächtige und finanzstarke Partner.
Bei einem Thema kann sich MbS, wie Bin Salman gerne genannt werden möchte, der Unterstützung der USA jedoch schon fast sicher sein: dem Iran. Es scheint fast so, als hätte man in Washington und in Riad schon in den Tagen vor dem Treffen versucht, die politischen Weichen gemeinsam zu stellen - in Richtung einer harten Position gegenüber Teheran.
Iran-Hardliner im US-Außenministerium
Trump ist ohnehin ein großer Kritiker des Nuklearabkommens mit dem Iran, einem Symbol der Entspannung im Atomstreit. Den Vertrag, der über einen Zeitraum von 13 Jahren ausgehandelt wurde, bezeichnete er einst als den "schlechtesten Deal aller Zeiten". Auch sein Ex-Außenminister Rex Tillerson gilt als Skeptiker bezüglich der Vereinbarung, verstand es jedoch, sich dabei durchaus defensiver auszudrücken. Er pochte in der Vergangenheit darauf, beim Abkommen nachzubessern. Er bezeichnete das Abkommen als gescheitert – allerdings in dem Sinne, dass es die Region nicht nachhaltig stabilisiert habe. Diese Einstellung ging seinem Chef nicht weit genug. "Wir hatten einige Widersprüche. Ich halte den Iran-Deal für schrecklich, er hielt ihn wohl für okay", sagte Trump, nachdem er sich vergangene Woche von Tillerson getrennt hatte.
Bezüglich des Iran dürfte im State Department künftig ein anderer Wind wehen. Mit Mike Pompeo übernimmt ein echter Hardliner das Amt des Außenministers. Als er noch CIA-Chef war, schrieb er bei Twitter, er freue sich darauf, "den desaströsen Deal mit dem weltgrößten staatlichen Terrorsponsor" zu widerrufen. Wiederholt hat er den Iran in aller Härte kritisiert, das Land unter anderem als "despotische Theokratie" oder "verbrecherischen Polizeistaat" bezeichnet.
Und so rechnet auch in Teheran niemand mehr so recht damit, dass der Vertrag noch lange Bestand hat. "Die USA sind entschlossen, aus dem Atomabkommen auszusteigen", sagte der iranische Vize-Außenminister Abbas Araghchi kürzlich. Washington habe die "Veränderungen im Außenministerium" genau mit diesem Ziel im Hinterkopf vorgenommen.
Atomare Kettenreaktion in Nahost?
Vor dem Treffen zwischen Bin Salman und Trump haben sich jedoch auch in Saudi-Arabien, Teherans Erzfeind in der Region, die feindlichen Spitzen gehäuft. Der Kronprinz verglich die territorialen Ambitionen des Iran in der Region in einem Interview mit dem Sender CBS mit der Expansionspolitik Adolf Hitlers. Das geistige Oberhaupt des Iran, Ayatollah Chamenei wolle "sein eigenes Projekt im Nahen Osten verfolgen, genau wie Hitler sich in der damaligen Zeit ausbreiten wollte", sagte er. Viele Länder hätten damals die von Hitler ausgehende Gefahr unterschätzt. "Ich möchte nicht, dass im Nahen Osten dasselbe passiert."
Es ist davon auszugehen, dass Bin Salman bei seinem Besuch in Washington alles dafür tun wird, Trump zu überzeugen, den Deal mit dem Iran aufzugeben und das Land wieder stärker in die von Sanktionen geprägte Isolation zu drängen. Und es ist davon auszugehen, dass diese Überzeugungsarbeit angesichts der Veränderungen im US-Außenministerium derzeit nicht besonders schwierig sein wird.
Sollte Washington das Abkommen einseitig aufkündigen, droht jedoch eine gefährliche Kettenreaktion. Teheran hat bereits klargemacht, man werde "hart zurückschlagen". Das würde vermutlich bedeuten, dass der Iran sein Atomprogramm wieder aufnimmt. Sollte es dazu kommen, droht aus Saudi-Arabien bereits eine entsprechende Gegenreaktion. "Saudi-Arabien will keine Atombombe besitzen, aber kein Zweifel, wenn der Iran eine Atombombe baut, werden wir so schnell wie möglich nachziehen", kündigte Bin Salman im Interview mit CBS bereits an.
Die zivile Komponente der Atomenergie hat das Land schon für sich entdeckt. Vor knapp einer Woche kündigte Riad an, in den kommenden 20 Jahren bis zu 16 Atomkraftwerke bauen zu wollen. Sollten der Iran und Saudi-Arabien jedoch beschließen, Atomenergie auch militärisch zu nutzen, würden sie im Konfliktherd des Nahen und Mittleren Osten ein völlig neues Kapitel aufschlagen. Drei konventionell bis an die Zähne bewaffnete Staaten – Israel, Iran und Saudi-Arabien – stünden sich an ihren tiefen Konfliktgräben dann auch mit Atomwaffen gegenüber.
Quelle: ntv.de