Politik

Energiegipfel im Kanzleramt Atomkraft wird Wahlkampfthema

Trotz aller Kritik der Wirtschaft hält die Bundesregierung an ihren ehrgeizigen Zielen beim Energiesparen und beim Klimaschutz fest. Dies betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem dritten und letzten Energiegipfel im Kanzleramt. Vor allem im Verkehr und im Haushalt könne noch erheblich Energie gespart werden. Die Verbraucher können dafür auf zusätzliche staatliche Hilfen hoffen. Der Streit über den Atomausstieg wurde auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2009 vertagt. Damit dürfte das Thema Atomenergie zum Wahlkampfthema avancieren.

Drei Prozent pro Jahr

Merkel sagte nach dem Treffen mit den Spitzen von Energiewirtschaft und Industrie, es bleibe dabei, dass die Energieeffizienz pro Jahr um drei Prozent gesteigert werden soll. Auch gehe die Bundesregierung davon aus, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent vermindern zu müssen. "Wir haben uns auf den ehrgeizigsten Fall vorbereitet", betonte Merkel.

Weil Vertreter der Wirtschaft diese Ziele als unrealistisch bezeichnet hatten, sollen die Fortschritte nun permanent überwacht werden. Für diesen Monitoring-Prozess soll es ab 2010 einen jährlichen Dialog mit der Wirtschaft geben, sagte Merkel. Zum Vorwurf der Industrie, die Regierung messe dem Klimaschutz zu viel Gewicht zu, sagte die Kanzlerin: "Ich halte unsere Politik für eine Politik mit Augenmaß."

Gebäudesanierung

Wie die Regierung die Ziele umsetzen will, soll ein Programm von Wirtschaftsminister Michael Glos und Umweltminister Sigmar Gabriel aufzeigen. Es soll Vorschläge einer Arbeitsgruppe zur Energieeffizienz einbeziehen, die den Gipfel vorbereitet hat. Darin war auch vorgeschlagen worden, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm von heute 1,4 Milliarden Euro auf 3,5 Milliarden aufzustocken. Zudem sollten 500 Millionen Euro staatlicher Gelder für die Einführung energiesparender Technik locker gemacht werden. Zu diesen Zahlen sagte Gabriel, entschieden sei noch nichts.

Merkel betonte aber, es sei klar, dass der Gebäudesanierung ein wachsender Stellenwert zukomme. Die Summe stehe noch nicht fest. Die Eckpunkte des Energie- und Klimaprogramms sollen bis zur Kabinettsklausur Mitte August vorliegen.

Nach dem heftigen Schlagabtausch zwischen der Wirtschaft und Gabriel vor dem Gipfel sagte Merkel, die Atmosphäre sei "sehr sachlich" gewesen. Teilnehmer berichteten, Merkel habe früh deutlich gemacht, dass für die von der Wirtschaft gewünschte Abkehr vom Atomausstieg vor der Bundestagswahl 2009 keine Chance bestehe, weil die SPD dies ablehnt. Danach sei die Debatte konstruktiv verlaufen.

Differenzen zur Atomenergie

Merkel sagte, ungeachtet der Differenzen zwischen Union und SPD zur Atomenergie sei man sich einig, das zu tun, was auf jeden Fall nötig ist, so etwa die Steigerung der Energieeffizienz. Danach könne man immer noch entscheiden, ob man die Klimaziele noch etwas billiger erreichen könne.

Das Kanzleramt hatte von Wissenschaftlern berechnen lassen, wie die CO2-Minderung um 40 Prozent bis 2020 erreichbar wäre. Ergebnis: Es ginge mit und ohne Atomausstieg. Allerdings wären die Strompreise dieser Prognose zufolge mit länger laufenden Atomkraftwerken billiger. Merkel sagte, Verbraucherschützerin Edda Müller habe auf dem Gipfel für günstige Preise geworben.

Geladen waren neben Müller unter anderen die Vorstandschefs der vier großen Energieversorger RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall sowie die Chefs von BASF und DaimlerChrysler und des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.

Industrie und Energiewirtschaft haben verhalten positiv auf die Ergebnisse des Energiegipfels reagiert. Der Chef des Energiekonzerns Vattenfall, Klaus Rauscher, sagte allerdings Mehrkosten für Verbraucher wegen der ehrgeizigen Klimapolitik der Bundesregierung voraus. Die Opposition beklagte, dass bei den Treffen im Kanzleramt nichts Konkretes herausgekommen sei.

"Steigende Preise"

Vattenfall-Chef Rauscher sagte, es werde "tendenziell steigende Preise" geben, und zwar nicht nur für Stromkunden, sondern auch für Hausbauer und Autofahrer. Klimaschutz sei eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe, und es werde ihn "nicht zum Nulltarif geben". Er wertete es aber als Erfolg, dass Merkel klare Rahmenbedingungen für die neue, auch von Vattenfall erprobte CO2-Speichertechnik bei Kohlekraftwerken versprochen habe.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie sprach von einer durchwachsenen Bilanz des Gipfels. "Die Gesprächspartner haben wieder zur Sachlichkeit zurückgefunden, das ist wichtig", erklärte BDI-Präsident Jürgen Thumann. Gleichzeitig äußerte er erneut Bedenken gegen das Drei-Prozent-Energiesparziel der Regierung. Damit liege die Latte auf Weltrekordniveau. Zudem hätte er sich eine Abkehr vom Atomausstieg gewünscht, meinte Thumann.

Der Chef der Energiegewerkschaft IGBCE, Hubertus Schmoldt, meinte, durch den Gipfel habe das Thema Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie wieder an Bedeutung gewonnen. "Es war richtig und notwendig, dass die Bundeskanzlerin die Energiegipfel durchgeführt hat", resümierte er. Auch die Vertreter der erneuerbaren Energien auf dem Gipfel reagierten positiv. "Die Bundeskanzlerin hat sich von den Energiekonzernen nicht vom richtigen Kurs abbringen lassen", betonten sie in einer gemeinsamen Erklärung. "Der Kurs der Bundesregierung entspricht den Planungen der Erneuerbaren-Energien-Branche."

Der Bund für Umwelt und Naturschutz lobte Merkels Ankündigungen für einen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und zur Steigerung der Energieeffizienz im Wärmemarkt und bei Kraftfahrzeugen. Dies gehe in die richtige Richtung. Auch der Deutsche Mieterbund begrüßte die Absichtserklärungen der Regierung zum Energiesparen grundsätzlich. "Wir vermissen aber eindeutige Vorgaben, wie diese Ziele und Pläne konkret umgesetzt werden sollen", sagte Verbandspräsident Franz-Georg Rips.

"Viel Lärm um nichts"

Kritik kam von der Verbraucher-Initiative Bundesverband: "Wir hätten es begrüßt, wenn die Bundesregierung sich für die Verbraucherinteressen genau so stark gemacht hätte, wie für den Klimaschutz." Über ein Ende der Preistreiberei bei den Stromkonzernen sei aber nicht gesprochen worden. Der Dialog mit den Energieversorgern sei vertane Zeit. Die Stromnetze sollten per Gesetz aus den Konzernen herausgelöst werden.

Auch Grüne, Linke und FDP äußerten sich kritisch. "Viel Lärm um nichts", fasste FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch die Ergebnisse zusammen. "Die wirklichen Entscheidungen bleiben offen." Auch Grünen-Verbraucherpolitikerin Bärbel Höhn sprach von einer "PR-Aktion, um Handlung vorzutäuschen." Links-Energiepolitiker Hans-Kurt Hill meinte: "Der Energiegipfel hat nur leere Worthülsen produziert."

Quelle: ntv.de

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