Neonazi schießt auf Chirac Attentat am Feiertag
14.07.2002, 13:46 UhrDer französische Staatspräsident Jacques Chirac ist am Sonntag während der Parade zum Nationalfeiertag offenbar nur knapp einem Attentat durch einen Neonazi entgangen.
Auf den Champs-Elysees gelang es dem Mann trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen, ein Gewehr aus einem Gitarrenkoffer zu ziehen, wie die Polizei mitteilte. Er feuerte mindestens einen Schuss ab, kurz nachdem Chirac vorbeigefahren war. Verletzt wurde dabei niemand.
Der Mann wurde rasch von Sicherheitskräften überwältigt und abgeführt. Ein Pariser Behördenvertreter sagte, der 25-Jährige habe in einem ersten Verhör sehr verwirrt und orientierungslos gewirkt, aber gestanden, auf Chirac geschossen zu haben. Der Mann habe ausgesagt, dass er den Präsidenten töten wollte.
Spekulationen
Wie Staatssekretär Patrick Devedjian mitteilte, versuchte der Mann, die mit fünf Kugeln komplett geladene Waffe nach dem Schuss auf Chirac auf sich selbst zu richten. Er habe später gestanden, ein Attentat auf Chirac geplant zu haben. Nach Angaben von Innenminister Nicolas Sarkozy hat der Täter das Gewehr vom Kaliber 22 erst in der vergangenen Woche gekauft. Nach Angaben von Devedjian stammt der Täter aus rechtsextremen Kreisen, die „noch weiter rechts stehen als die Nationale Front“.
Die Polizei erklärte, er sei Mitglied der Studentenorganisation Verteidigungsunion, einer Neonazi- und Hooligan-Gruppe. Er sei bereits mehrfach psychiatrisch behandelt worden. Medienberichten zufolge wurde er nach seiner Festnahme in eine psychiatrische Anstalt gebracht. Seine Wohnung in Courcouronnes südlich von Paris werde durchsucht. Manche berichteten dabei auch von einem Attentatsversuch. Dies habe auch Chiracs Frau Bernadette erklärt.
Ein Sprecher der Polizeigewerkschaft Force Ouvriere sagte, es handele sich wohl nicht um einen Attentatsversuch, sonst hätte der Täter eine Waffe mit größerem Kaliber benutzt. „Es sieht so aus, als sei es die Tat eines geistig Verwirrten.“ „Er schoss in die Richtung des Wagens, aber die Kugel ging vorbei und niemand wurde verletzt“, sagte der Sprecher der Polizeigewerkschaft.
Le Pen wehrt ab
Der Parteichef der Nationalen Front, Jean-Marie Le Pen, wies jede Verbindung zu dem Schützen zurück und verurteilte den Attentatsversuch. „Es war mir klar, dass es auf die eine oder anderes Weise der extremen Rechten zugeschrieben werden würde, wenn eines Tages ein Irrer auf den Präsidenten schießen würde“, sagte Le Pen.
Feiern gehen weiter
Die Militärparade, mit der Frankreich jährlich an die Erstürmung auf das Bastille-Gefängnis am 14. Juli 1789 erinnert, die den Beginn der Französischen Revolution markiert, ging ohne weitere Störungen zu Ende.
Ob Chirac den Zwischenfall bemerkte, war zunächst nicht bekannt. In seiner traditionellen Fernsehansprache zum 14. Juli nach der Parade äußerte er sich nicht dazu. Er sprach sich für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung aus.
Gleichzeitig bekräftigte er die Haltung Frankreichs gegen eine vorzeitige der EU-Agrarpolitik. Er werde keinesfalls Frankreichs Position als „weltweit zweites Exportland landwirtschaftlicher Produkte gefährden“, sagte er. Wegen der umstrittenen Agrarpolitik hat Chirac allerdings eine „europäische Krise“ ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de