Dutzende Tote und 170 Verletzte Attentat auf Moskauer Flughafen
24.01.2011, 15:29 Uhr
Der Moment der Explosion.
(Foto: dpa)
Nur zehn Monate nach einem blutigen Attentat in der Moskauer Metro erschüttert ein neuer schwerer Anschlag die russische Hauptstadt: Eine gewaltige Explosion erschüttert den Flughafen Domodedowo. Mindestens 35 Menschen werden getötet und 170 weitere verletzt. Der Terrorakt versetzt der politischen Führung einen weiteren Schlag.
Bei einem verheerenden Selbstmordanschlag auf dem internationalen Moskauer Flughafen Domodedowo sind mindestens 35 Menschen getötet und bis zu 170 verletzt worden, darunter auch eine Deutsche. Vermutlich sprengte sich ein Attentäter aus dem Konfliktgebiet im russischen Nordkaukasus in die Luft, wie russische Medien berichteten. In den vergangenen Jahren haben wiederholt islamische Extremisten aus der Unruheregion Anschläge in Moskau verübt.
Staatspräsident Dmitri Medwedew schaltete den Inlandsgeheimdienst FSB ein und ordnete im ganzen Land erhöhte Alarmbereitschaft an. Auf Flughäfen und Bahnhöfen gelte von sofort an eine erhöhte Sicherheitsstufe, sagte Medwedew im Staatsfernsehen.
Anders als sonst steht Russland nun aber zusätzlich international unter Druck. 2014 sollen in Sotschi am Schwarzen Meer die Olympischen Winterspiele ausgerichtet werden - also in Nachbarschaft zu den Konfliktgebieten. Und für 2018 bekam Russland den Zuschlag zur Ausrichtung der Fußball-WM.
Informationen fließen nur spärlich
Die Explosion, deren Wucht der Detonation von fünf bis zehn Kilogramm TNT entsprach, habe sich um 16.32 Uhr (14.32 Uhr MEZ) im Abflugbereich in der Nähe eines Cafés ereignet, meldeten russische Agenturen. Auch Stunden nach dem Anschlag flossen Informationen über das Geschehen am modernsten Moskauer Flughafen nur spärlich: Selbst das russische Fernsehen zeigte zunächst keine eigenen Bilder, sondern brachte Videos, die Augenzeugen auf YouTube und andere Internet-Plattformen hochluden. Nach unbestätigten Berichten explodierten zwei Sprengsätze, die mit Metallstücken gefüllt waren.
Dichter Rauch und Trümmer und Glassplitter in der Halle erschwerten die Bergungsarbeiten, berichteten Augenzeugen. Rund 50 Krankenwagen rasten zu dem etwa 45 Kilometer vom Stadtzentrum entfernten Flughafen. Die Verletzten wurden in mindestens vier Kliniken gebracht.
Unter den Verletzten ist auch eine Deutsche. Ihr Zustand sei stabil, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Mediziner. Die deutsche Botschaft in Moskau konnte die Angaben zunächst nicht bestätigen. Unter den 35 Toten sollen auch zwei Briten sein.
Die russischen Behörden stoppten zunächst alle internationalen Flüge in Domodedowo, darunter auch Landungen der deutschen Gesellschaften Air Berlin und Lufthansa. Die Maschinen wurden auf die beiden anderen Moskauer Flughäfen Wnukowo und Scheremetjewo umgeleitet.
Eine in Düsseldorf gestartete Lufthansa-Maschine musste auf halber Strecke umkehren. Air Berlin verspürte vorerst nur geringe Auswirkungen auf ihren Flugbetrieb von und nach Moskau. Zwei Flüge nach Düsseldorf und Wien hätten normal starten können, sagte eine Sprecherin der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft in Berlin.
"Laxe Sicherheitsvorkehrungen"
Medwedew kritisierte, dass offenbar zu laxe Sicherheitsvorkehrungen zu dem Anschlag geführt hätten. Wegen der aktuellen Lage sagte er kurzfristig seine Eröffnungsrede auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos ab, zu dem er am Dienstag fliegen wollte. Regierungschef Wladimir Putin schaltete sich in die Ermittlungen ein. Die Sicherheitskräfte suchen nach drei verdächtigen Männern. Wie die Agentur RIA Nowosti berichtete, hatten die Sicherheitsdienste vergangene Woche Hinweise auf einen möglichen Anschlag an einem der Hauptstadtflughäfen erhalten.
Unterdessen hat die Polizei offenbar der Kopf eines mutmaßlichen Attentäters gefunden. Es handele sich um einen Mann zwischen 30 und 35 Jahren mit "arabischem Aussehen", heißt es in den Kreisen. Der Mann habe vermutlich den Sprengsatz gezündet.
"Wir sind hier nicht mehr sicher"

Die beiden weiteren Moskauer Flughäfen wie auch die Metro wurden in Alarmbereitschaft versetzt.
(Foto: dpa)
Augenzeugen berichteten im russischen Radio von einem regelrechten Blutbad. "Hier laufen Menschen mit Verbrennungen herum und Leichenteile liegen auf Bahren", sagte Andrej, der sich zum Zeitpunkt des Anschlags am Informationsstand befand. "Hier geschieht etwas Furchtbares", sagte er dem Sender City FM. Ein anderer Augenzeuge, Alexej, sagte: "Wir sind in diesem Land einfach nicht sicher."
Die Bundesregierung reagierte schockiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Tat als feigen Anschlag und sprach Medwedew ihr Mitgefühl aus. Ähnlich äußerten sich Außenminister Guido Westerwelle und Vertreter anderer Parteien. Auch US-Präsident Barack Obama verurteilte den Anschlag wie der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek.
Aus Furcht vor weiteren Anschlägen versetzten die Moskauer Behörden auch die beiden anderen internationalen Moskauer Flughäfen sowie die Metro in Alarmbereitschaft. In der U-Bahn hatte sich im März 2010 ein Selbstmordanschlag mit 40 Toten ereignet. Die Täterinnen kamen damals aus dem Unruhegebiet Nordkaukasus.
Gerichtshof verurteilt Moskau
Im Nordkaukasus liefern sich Terroristen, kriminelle Banden und kremltreue Einheiten fast täglich Gefechte. Islamisten haben immer wieder gedroht, den Terror auch in die russische Hauptstadt zu tragen.
Die russischen Behörden sind dafür bekannt, mit großer Gewalt gegen tschetschenische Terroristen vorzugehen. Erst im vergangenen November hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland wegen eines Bombenangriffs in Tschetschenien verurteilt. Moskau habe damit den Tod von 24 Zivilisten verursacht. Unter den Opfern seien Kinder und alte Leute gewesen. Zugleich wiesen die Straßburger Richter Moskau an, den Hinterbliebenen rund 1,7 Millionen Euro an Schmerzensgeld zu zahlen.
Der Gerichtshof für Menschenrechte räumte zwar ein, der Angriff habe ein "legitimes Ziel" - den Kampf gegen militante Rebellen - verfolgt. Russland habe aber keine Maßnahmen ergriffen, um die Zivilisten zu schützen. Damit habe Moskau gegen das Grundrecht auf Schutz des Lebens verstoßen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts