Wahlkampf heiß, Umgang eisig Auf Abstand zu Koch
16.01.2008, 15:36 UhrAls Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) Mitte Januar im Landtag zur Diskussion der Spitzenkandidaten erschien, verweigerte ihm Grünen-Chef Tarek Al-Wazir die Hand. Als Grund nannte er hinterher Äußerungen Kochs zur Jugendkriminalität und Koch-Kommentare wie diesen: "Ich bin nicht bereit (...), mir von türkischen Vertretern den Mund verbieten zu lassen." Später in der Diskussion empfahl er Koch, mal "zu gucken, in wessen Programm eine solche Sprache" auch noch vorkomme, und prophezeite ihm die baldige Abwahl, "weil die anständigen Hessen sich nicht mehr für einen Ministerpräsidenten schämen wollen".
Koch überging die Brüskierung äußerlich ungerührt. Ohnehin verbindet ihn mit dem Grünen-Landesvorsitzenden neben sarkastischem Witz und rhetorischer Begabung auch eine herzliche gegenseitige Abneigung. Das Kommentieren überließ er seinem Sprecher Dirk Metz: Es zeige sich, dass Al-Wazir den politischen "Mitbewerber" nicht als Gegner, sondern als Feind ansehe. "Das ist nicht Kochs Haltung", erklärte Metz. Von seiner Herausforderin Andrea Ypsilanti (SPD) bekam Koch trotz aller Differenzen einen höflich-kühlen Händedruck, freundschaftlicher fiel die Begrüßung mit dem FDP-Landesvorsitzenden Jörg-Uwe Hahn aus.
Rot-Rot-Grün in Hessen unrealistisch
In dem eineinhalbstündigen politischen Schlagabtausch wurde deutlich, dass der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende sich von seiner vor fünf Jahren errungenen absoluten Mehrheit innerlich wohl schon verabschiedet hat. "Ich will ein berechenbares Hessen mit einer stabilen politischen Mehrheit, und dieses Angebot können aus meiner Sicht nur die bürgerlichen Parteien machen", lautete sein Schlusswort. Sein Wunsch-Koalitionspartner Hahn sah Hessen vor der Wahl zwischen einem CDU-FDP-Bündnis und einer rot-rot-grünen Regierung, die SPD und Grüne allerdings wiederholt abgelehnt haben. "Keine realistische Option", urteilte Al-Wazir auch am Mittwoch.
Den bislang vorliegenden Umfragen zufolge müssen SPD und Grüne in den verbleibenden zehn Tagen noch einige Prozentpunkte zulegen, um Koch aus eigener Kraft ablösen zu können - Prozente, die derzeit bei der Partei Die Linke liegen. Gleichwohl gaben sich Ypsilanti und Al-Wazir zuversichtlich:
Die einzigen, die die Linkspartei bräuchten, seien CDU und FDP - und zwar als Schreckgespenst zur Mobilisierung der eigenen Wähler. "Wir brauchen die Linkspartei nicht, und ich bin fest davon überzeugt, dass sie nicht in den Landtag kommt", sagte die SPD-Chefin. Al-Wazir bekräftigte: "Ich bin sicher, dass am Wahlabend die rot-grüne Mehrheit da ist."
Rot-Schwarz und Ampel unwahrscheinlich
Über andere denkbare Möglichkeiten mochten die Kandidaten nicht reden. Den neben ihr sitzenden Ministerpräsidenten würdigte Ypsilanti während der 90 Minuten kaum eines Blicks: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Koch und ich in einer großen Koalition enden. Das geht nicht gut." Koch äußerte dafür Zweifel, ob die SPD-Vorsitzende ihr eigenes Wahlprogramm von dem der Linken unterscheiden könne. FDP-Chef Hahn sah angesichts der Differenzen mit SPD und Grünen in der Schul- und Verkehrspolitik keine Grundlage für ein Ampel-Bündnis. Wenn es am 27. Januar weder eine bürgerliche noch eine rot-grüne Mehrheit gebe, "so werde ich sagen: Ich gehe in die Opposition".
Von Wolfgang Harms, dpa
Quelle: ntv.de