Bevölkerung schrumpft Ausländer gesucht
26.06.2007, 08:09 UhrBundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will ausländischen Fachkräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. "Deutschland muss ganz klar machen, dass wir an ausländischen Talenten sehr hohes Interesse haben", sagte die Politikerin in Reaktion auf einen neuen Migrationsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Unter anderem müssten ausländische Hochschulabsolventen direkten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Dafür will sie die Hürden für den Zuzug deutlich senken. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, nannte das deutsche Zuwanderungsrecht ein "Verhinderungsinstrument".
Der für die Zuwanderung erforderliche Mindestverdienst von derzeit 85.500 Euro müsse auf einen Betrag zwischen 40.000 und 60.000 Euro gekürzt werden, sagte die CDU-Politikerin. Das würde dem Einstiegsgehalt von Ärzten oder Informatikern entsprechen.
Laut "Spiegel" plädiert auch das vom CSU-Politiker Michael Glos geleitete Bundeswirtschaftsministerium dafür, die 85.500-Euro-Marke zu halbieren. Damit könnten nicht nur Menschen mit Hochschulstudium zum Arbeiten in die Bundesrepublik kommen. Auch für ausländische Facharbeiter und Techniker würde ein Job in Deutschland interessant. Besonders der boomende Maschinenbau klagt verstärkt über zu wenig Ingenieure.
Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, hatte bemängelt, dass der derzeitige Mindestverdienst von kleineren Unternehmen nicht zu bezahlen sei. Die Düsseldorfer Landesregierung hatte eine Bundesratsinitiative zur Senkung der Einkommensgrenzen angekündigt.
Volle Punktzahl
Schavan will außerdem die Einführung eines Punktesystems prüfen, mit dem das Profil der benötigten Zuwanderer erfasst werden soll. Ein derartiges System hatte nach dem Bundestagsbeschluss zur Änderung des Zuwanderungsrechts auch der SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper ins Gespräch gebracht. In dem Zusammenhang forderte Schavan ihre eigene Partei zum Umdenken auf. Bislang habe die Frage stets gelautet, wie sich Zuwanderung begrenzen lasse, um die Sozialsysteme zu schützen. "Heute stellt sich aber eine ganz andere Aufgabe: Deutschland muss deutlich machen, dass es an ausländischen Talenten hoch interessiert ist."
OECD: Deutschland muss reagieren
Deutschland muss nach Einschätzung der OECD schon aus ökonomischen Gründen die Integration von Ausländern verbessern und mehr hoch qualifizierte Zuwanderer ins Land lassen. Neben Japan und Italien sei Deutschland das einzige OECD-Land, in dem die Erwerbsbevölkerung schon bis zum Jahr 2010 schrumpfe, berichtete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ohne Zuwanderung würde die deutsche Erwerbsbevölkerung bis 2020 um gut sechs Prozent zurückgehen: "Deutschland wird sehr viel schneller und in größerem Umfang als die meisten anderen OECD-Länder auf eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung reagieren müssen."
Bessere Integration nötig
Eine höhere Zuwanderung allein reiche aber nicht aus, um die drohende Lücke auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu schließen. Um den absehbaren Verlust an Arbeitskräften auszugleichen, müssten die bereits im Lande lebenden Migranten besser integriert werden, hieß es in der Studie. "Gleichzeitig sollten die Bedingungen für eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen sowie die Aus- und Weiterbildung generell verbessert werden", sagte OECD-Experte Heino von Meyer. Für hoch Qualifizierte und einige andere Berufsgruppen wie zum Beispiel Pflegekräfte könnte es aber nötig sein, schon heute Zuwanderung zu erleichtern, um kurzfristig den Bedarf des Arbeitsmarktes zu befriedigen. Das deutsche Zuwanderungsrecht von 2005 sei damals innovativ gewesen. Mittlerweile aber hätten andere Länder nachgezogen, so dass der Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte zugenommen hat. In vielen Ländern etwa könnten ausländische Studenten nach Studienabschluss zum Arbeiten im Land bleiben, was in Deutschland nicht ohne weiteres möglich sei.
Mit einem Anteil von etwa 15 Prozent sind Zuwanderer unter den Erwerbstätigen in Deutschland sehr stark vertreten. Nur die klassischen Einwanderungsländer Australien, Kanada, und USA sowie Österreich, Schweiz und Luxemburg weisen laut OECD einen höheren Anteil auf. In den vergangenen Jahren war die Zuwanderung nach Deutschland allerdings stark zurückgegangen.
Quelle: ntv.de