Vorzeitiger Abzug aus Afghanistan Australien verärgert de Maizière
18.04.2012, 13:17 Uhr
Australische Soldaten in Bagram.
(Foto: REUTERS)
Die jüngsten Angriffe der Taliban auf Kabul und andere Städte zeigen, wie fragil die Lage in Afghanistan ist. Ungeachtet dessen kündigt Australien einen vorzeitigen Abzug seiner Truppen schon für das kommende Jahr an. In Deutschland zeigt man sich überrascht von der Entwicklung, die Nato besänftigt. Jetzt kokettiert auch Neuseeland mit einem solchen Schritt.
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat sich "überrascht" über die Pläne Australiens für einen vorgezogenen Abzug seiner Soldaten aus Afghanistan gezeigt. Ein Abzug noch vor der vereinbarten Frist Ende 2014 berge hohe Risiken für das Land. Das Thema beschäftigt auch ein Treffen der Nato-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen beschwichtigte die Minister: Es sei alles im grünen Bereich, das australische Vorgehen gehörte zur Strategie der Allianz. Er sei ganz und gar "nicht beunruhigt".
Die australische Regierungschefin Julia Gillard hatte den Abzug der 1550 Soldaten ihres Landes schon im kommenden Jahr als "Meilenstein" bezeichnet.
"Was Australien angeht, so hat mich die Mitteilung überrascht", sagte de Maizière. "Mein australischer Kollege hat im Februar noch anderes vorgetragen. Aber das kann uns nicht in unserer Strategie beirren, bis Ende 2014 den Abzug zu organisieren – so zu organisieren, dass dort nachhaltig Erfolge gesichert werden." Die jüngsten Angriffe der radikal-islamischen Taliban in Kabul und anderen afghanischen Städte hätte gezeigt, wie instabil die Lage in dem Land noch immer sei. Ein voreiliger Abzug berge enorme Risiken für Afghanistan.
Umso wichtiger sei es, Afghanistan auch nach 2014 nicht im Stich zu lassen. "Es gibt keine Sicherheit, die nur gestützt ist auf Militär und Polizei", erklärte de Maizière. Die Sicherheit müsse einher gehen mit einer guten Regierungsführung, einem halbwegs korruptionsfreien Land, mit wirtschaftlicher Entwicklung und Bildung für die Menschen.
Spekulationen auch in Neuseeland
Einen Tag nach der australischen Ankündigung zog auch Neuseeland nach. Die 140 Soldaten in einem Wiederaufbauteam in der Provinz Bamian kehrten womöglich vor 2014 zurück, berichtete Radio Neuseeland. Die Regierung wollte sich auf Spekulationen über den genauen Abzugstermin nicht einlassen. Außenminister Murray McCully, der zur Tagung der Außen- und Verteidigungsminister der Nato in Brüssel ist, bestätigte lediglich, dass die Provinz Bamian wahrscheinlich zu den ersten gehören wird, in der afghanische Sicherheitskräfte die volle Verantwortung übernehmen. "Wir bekommen Signale, dass das schneller passiert als erwartet", sagte er.
Rasmussen sagte jedoch, von einem "Sturm auf den Ausgang" aus dem Afghanistan-Einsatz könne keine Rede sein. "Unsere Botschaft an die Feinde Afghanistans ist klar: Ihr könnt uns nicht aussitzen", sagte der Generalsekretär. Er sehe nach 2014 keine Kampfeinsätze mehr für die dann noch in Afghanistan verbleibenden Soldaten der Nato und anderer Partnerländer. "Wir werden weiterhin helfen und ausbilden", sagte er. Über die Frage, ob noch Kampftruppen zum Schutz der Ausbilder benötigt werden, sei noch nicht entschieden.
Kostenaufteilung noch nicht entschieden
Das Treffen der Minister in Brüssel dient der Vorbereitung auf den Nato-Gipfel im kommenden Monat in Chicago. Dort soll dann über die milliardenschwere Unterstützung von Armee und Polizei in Afghanistan nach dem Truppenabzug 2014 entscheiden werden. Erst dann werde man ein klares Bild bekommen über die Zusagen zur Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte, sagte Rasmussen. De Maiziere brachte eine Summe von gut vier Milliarden Dollar jährlich ins Gespräch. Eine Entscheidung über die Aufteilung dieser Kosten werde aber bei dem Vorbereitungstreffen der Minister noch nicht fallen. Rasmussen forderte die Verbündeten auf, einen "fairen Anteil" an den Kosten zu übernehmen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts